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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2024

Neugestaltung der Deichstraße in Cuxhaven

skulpturale Deichköpfe prägen den neuen Stadtplatz Am Slippen

skulpturale Deichköpfe prägen den neuen Stadtplatz Am Slippen

Anerkennung

Preisgeld: 2.000 EUR

A24 Landschaft

Landschaftsarchitektur

orange edge - Integrierte Stadt- und Verkehrsplanung

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

ZWEI WELTEN – STÄDTISCHER BUMMELWEG UND LANDSCHAFTLICHE FLANIERPROMENADE
Die klare Aufteilung des Stadtraums in einen unten liegenden Bummelweg entlang des Lotsenviertels und eine oben liegende Panoramapromenade auf dem Deich zum Flanieren entwickelt sich aus der Logik der Bestandssituation. Durch die Verlagerung des Küstenschutzes hat der historische Deichkörper zwar seine eigentliche Funktion verloren, ist aber weiterhin prägend für die räumliche Situation in der Deichstraße. Die aus dem Stadtraum herausgehobene Panoramapromenade inszeniert die Blicke in den Hafen und rückt die maritime Geschichte Cuxhavens in den Fokus.

Mit dem autogerechten Umbau der Städte wandelte sich die ehemals sehr beliebte Flanierzone entlang der Deichstraße immer mehr zu einer verkehrsdominierten Verbindungsachse mit einer stark funktional orientierten Straßenraumgestaltung. Die ursprünglich auf den Fußgänger ausgerichtete Gestaltung soll nun wieder in den Vordergrund rücken und zur tragenden Grundstruktur für die zukünftige Gestaltung werden, mit einem gerechteren Miteinander aller Verkehrsteilnehmer.

DEICHBAND MIT PANORAMAPROMENADE ALS FLANIERMIELE
Das übergeordnete Deichband bildet das räumliche Rückgrat und definiert eine grüne Kulisse entlang des Straßenraums. Der vorhandene Gehweg aus wassergebundener Decke wird saniert und definiert eine aus dem Straßenraum herausgehobene Panoramapromenade zum Flanieren. Die weichere Haptik der Promenadenoberfläche schafft ein Gegengewicht zum steinernen Stadtraum. Im Bereich von Rampen wird die Oberfläche mit einem farblich angepassten Possehl-Belag stabilisiert. Die vorhandene Wegebreite von 3 m wird durch ein 1 m breites Betonband erweitert und schafft somit Raum für zusätzliche Aufenthaltsbereiche und weitere Funktionen wie Beleuchtung und Abfallbehälter. Mit seiner leicht überkragenden Geste und der dadurch entstehenden Schattenfuge erhält die Wegekante einen räumlich definierten Abschluss.

Die vorhandene Flutschutzmauer, die den Höhenunterschied zur angrenzenden Straße Am Schleusenpriel abfängt, wird größtenteils erhalten. In die Betonoberfläche eingelassene Informationen zur Historie des Ortes machen die Mauer zu einer Art Geschichtsband. Dort wo Sitzbänke auf dem Deich platziert werden wird die massive Betonmauer unterbrochen und durch einen farblich angepassten Stahlrahmen aus hellem Lichtgrau ersetzt. Die Füllung mit feinem Drahtgefecht sorgt für maximale Transparenz. In die grüne Deichböschung eingebundene Betonstufen erlauben direkte Querungen, Aussparungen in der Mauer mit Stufenanlagen verlängern die Wegeverbindung bis auf die Hafenseite.

Auf Höhe des Alten Deichwegs rund um die vier großgewachsenen Bestandsbäume schafft eine großformatige Sitzstufenanlage einen einladenden Ort zum Aufenthalt unter dem schattigen Blätterdach. Der Deich wird an dieser Stelle um 80cm bis auf das Niveau der Straße Am Schleusenpriel abgesenkt und ermöglicht eine direktere Verbindung zwischen Deichstraße und Hafen, ergänzt um eine barrierefreie Rampenanlage. Das neu geschaffene Stadtfenster orientiert sich in Richtung Lotsenviertel und bildet das Pendant zum weiter südlich gelegenen Deichfenster mit Blick auf den Hafen.

STÄRKER DURCHGRÜNTER STRASSENRAUM ALS BUMMELWEG
Im Gegensatz zum Deich, der zum tragenden Leitelement ausformuliert wird, erfolgt die Neuaufteilung des Straßenraums mit geringfügigen Mitteln. Dadurch kann das begrenzte Budget in diesem Abschnitt kostensparend eingesetzt und stärker für raumwirksame Maßnahmen eingesetzt werden.
Die Deichstraße wird zur Einbahnstraße aus Norden, sie ermöglicht als Begegnungszone mit Tempo 20 einen konfliktfreien Mischverkehr. Das vorhandene Straßenprofil wird erhalten, der Querschnitt jedoch auf 6 m reduziert, mit einer Einrichtungsspur für den MIV mit 3,5 m und einem beidseitigen Streifen für Radfahrer mit je 1,50 m. Die Asphaltdecke wird erhalten, mit Farbe aufgetragene Straßenmarkierungen jedoch zugunsten einer eingefrästen subtilen Gravur (Leitlinien, Piktogrammkette) als weiche Separierung nach Vorbild von Lösungen in Zürich und Innsbruck ersetzt. Im Mündungsbereich der Alten Deichstraße und vor der Freien Waldorfschule wird die klare Lineatur in ein bewegtes Muster aufgelöst und signalisiert erhöhte Aufmerksamkeit wegen größerer Fußgängerfrequenz. Bei Sperrung angrenzender Straßen (Brücke, Kapitän-Alexander-Straße) oder im Notfall kann auf die seitlichen Fahrradwege verzichtet und ein Zweirichtungsverkehr für einen zeitlich begrenzten Zeitraum eingerichtet werden. Der Busverkehr wird, um Konflikte in der Deichstraße zu vermeiden, schnell und effizient über die Kapitän-Alexander-Straße geführt, mit einer zentralen Haltestelle Am Slippen. Um Schleichverkehre über den Schleusenpriel zu vermeiden wird die vorhandene Verkehrsregelung umgekehrt und die Einfahrt von Süden gesperrt, die nördliche Einmündung wird leicht verschwenkt, um Platz für die Hafenterrasse zu gewinnen.

Der östliche Teil der Straße unterhalb des Deichfußes wird über die gesamte Länge eingekürzt. Der neu geschaffene durchgrünte Funktionsstreifen übernimmt vielfältige Aufgaben. Er integriert einerseits Fahrradstellplätze und Pkw-Stellplätze mit E-Ladepunkten, andererseits schafft er großflächigen Retentionsraum und Platz für eine durchgehende Baumreihe. Die Baumreihe wird bewusst auf der Deichseite gepflanzt und orientiert sich somit eng an der historischen Planung. Der Streifen ist mit höheren Gräsern und Sträuchern der Nordseeküste wie Sanddorn, Strandhafer oder Sand-Segge bepflanzt, die zur lokalen Identität beitragen. Das vorhandene Straßenprofil mit Dachgefälle bleibt unverändert, so dass die Lage der Abläufe und Leitungen nicht angepasst werden muss. Die Oberflächenentwässerung der östlichen Straßenhälfte wird in den begrünten Retentionstreifen geleitet und gedrosselt über eine belebte Oberbodenschicht versickert. Die entstehende Verdunstungskühlung im Zusammenspiel einer stärkeren Verschattung verbessert das lokale Mikroklima. Die Wahl robuster, lokaler Gehölzarten und Gräsermischungen erhöht die Artenvielfalt und unterstützt die Klimaanpassung.

Durch die Bündelung von Funktionen in einem zusammenhängenden Nutzungsstreifen auf Deichseite kann der Gehweg weitestgehend von störenden Einbauten und Stellplätzen freigehalten werden. Mit der Verlagerung des über den Gehweg geführten Fahrradwegs verbreitert sich der Gehwehwegbereich für Fußgänger zu einem entspannten Bummelweg entlang des Lotsenviertels, an den Kreuzungen werden die Gehwege vorgezogen und in Teilen aufgepflastert und bei Bedarf mit Pollern gesichert. Der zusätzliche Raum wird für punktuelle Begrünungen genutzt, die das Thema des Retentionsstreifens auf der gegenüberliegenden Straßenseite fortführen. Den gastronomischen Einrichtungen in den Erdgeschosszonen werden kleine Plätze vorgelagert, die Zonen für Außenbestuhlung definieren. Die Wahl des Bodenbelags aus farbigem Asphalt orientiert sich an der Materialität der Deichpromenade.

AUFTAKT NORD ALS GROSSZÜGIGER STADTPLATZ AM SLIPPEN
Der Platz Am Slippen wird von einer verkehrsoptimierten Kreuzung zu einem fußgängerfreundlichen Stadtplatz umgestaltet, der die nötige Kraft entwickelt, um den nördlichen Auftakt in das Gebiet definieren zu können. Der fragmentierte Straßenraum wird zu einer niveaugleichen Platzfläche aus einem durlaufenden Betonpflaster zusammengefasst. Der Bodenbelag kombiniert verschiedene Formate in einem richtungslosen Verband. Die Fahrbahnen werden lediglich über Tiefborde im Sinne einer weichen Separation abgesetzt. Durch den geplanten Rückbau des vorhandenen Fußgängerstegs und der Flutschutztore wird sich die Raumwirkung erheblich verändern. Den neu gewonnenen Gestaltungsspielraum nutzen wir, um die Deichköpfe stärker skulptural auszuformulieren. Die lineare Promenadenkante fädelt sich an beiden Enden zu mehreren Sitzstufen auf, die sich zum Lotsenviertel und zum Hafen hin orientieren. Der südliche Deichkopf formuliert eine kleine Bühnensituation für temporäre Veranstaltungen. Der Promenadenweg wird als barrierefreie Rampe geführt. Die grüne Böschungskante wird in fragmentierter Form fortgesetzt und integriert Retentionsflächen in der ansonsten offen und steinern gehaltenen Platzfläche. Die Baumreihe entlang der Deichlinie wird zu lockeren Baumgruppen auf dem Platz. Zusätzlich zur Leitbaumart Quercus cerris wird eine weitere Art aus Quercus palustris eingestreut.

AUFTAKT SÜD MIT DEICHFENSTER ZUM HISTORISCHEN HAFEN
Die visuelle Wahrnehmbarkeit des südlichen Hafenkopfs ist durch den vorhandenen Deichkörper stark eingeschränkt. Die neue Wegeführung des Deichbandes durchbricht die räumliche Barriere und bringt Hafen und Stadtraum wieder stärker in Verbindung. Es wird eine klare und konfliktfreie Separierung der Verkehrsarten geschaffen. Der Gehweg verschwenkt in Richtung Hafenbecken, der Radweg wird straßenseitig geführt. Der Deichkörper wird in mehrere Fragmente unterteilt, ein begrünter Erdkörper im Rücken schafft Distanz zur angrenzenden Konrad-Adenauer-Allee unterstützt durch den visuellen Filter der begleitenden Baumreihe und lenkt den Fokus auf das Hafenpanorama. Das begleitende Betonband unterstreicht den gestalterischen Zusammenhang der Deichlinie und entwickelt sich an dieser prominenten Schnittstelle zu einer großzügigen Sitzstufenanlage. Die neue Hafentribüne definiert über die gesamte Breite den räumlichen Abschluss des Hafenbeckens. Ein schmaler Austritt abseits der Gehwegspur schiebt sich bis über die Spundwand. Mit einer einfachen, großzügigen Geste schafft der Ort ein Gegengewicht zur Maßstäblichkeit des Hafens.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit verfolgt sehr konsequent die Idee in dem deichgeprägten Stadtraum zwei Qualitäten anzubieten - eine landschaftliche Promenade und einen städtischen Bummelweg.

Die landschaftliche Promenade an der Deichoberkante wird als gestalterische Einheit entwickelt und repräsentiert sehr gut die übergeordnete Idee des Deichbands als verbindendes Element von der ‚Alten Liebe‘ bis zum südlichen Kopf des Fischereihafens.

Die Idee einer einheitlichen Gestaltungssprache sowie die erhöhte Lage und die begleitende Baumreihe sind auf der räumlich-konzeptionellen Ebene nachvollziehbar, jedoch können die gewählten Gestaltungselemente und hier insbesondere die sehr breit gewählten Betonkanten in ihrem sehr urbanen Ausdruck atmosphärisch nicht überzeugen und werden als dem Ort nicht angemessen erachtet.

Die vorgeschlagene Ausprägung der Deichstraße mit belassener, sehr breiter Asphaltfahrbahn und begleitendem Gehweg kann die beabsichtigte Atmosphäre eines städtischen Bummelweges und als Ausdruck eines Aufbruchs in die Mobilitätswende nicht vermitteln.
Demgegenüber gelingt am Platz ‚Am Slippen‘ durch die einheitliche Natursteinpflasterung und das räumliche Spiel mit den skulpturalen Deichkanten eine räumlich und verkehrlich gut verzahnte Lösung, die einen markanten Auftakt in das Hafengebiet bietet.
Die nördliche Ausprägung der Deichführung ist jedoch zu urban und versiegelt ausgeprägt.

Die vorgeschlagene Lösung für das Deichfenster spielt auf interessante Weise mit der Deichtopgraphie und setzt den Gestaltungsduktus an der Hafenkante fort. Die gestalterisch markante Verzahnung zum Fischereihafen widerspricht jedoch der Grundidee des Deichbands, das die Vernetzung mit der Innenstadt verfolgt.

Die Beibehaltung des Asphalts auf der Deichstraße bedeutet wenig Veränderung und bietet wenig Verbesserung der Aufenthaltsqualität. Die Fahrradwegeführung ist als zu gering einzuschätzen. Die Einbahnstraßenregelung für den Autoverkehr schafft wenig Flexibilität und die Konsequenzen dieser Regelung sind nicht dargestellt.
Gesamtübersicht

Gesamtübersicht

Vertiefung Platz Am Slippen

Vertiefung Platz Am Slippen

Aufteilung Straßenraum Deichstraße

Aufteilung Straßenraum Deichstraße

Deichkopf Nord Platz Am Slippen

Deichkopf Nord Platz Am Slippen

Deichkopf Süd Am Slippen

Deichkopf Süd Am Slippen

Stadtfenster Mündung alter Deichweg

Stadtfenster Mündung alter Deichweg

Deichfenster am historischen Hafen

Deichfenster am historischen Hafen

Deichfenster als Tribüne zum Hafenpanorama

Deichfenster als Tribüne zum Hafenpanorama