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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2024

Neubau Pfarrkirche St. Maria mit Gemeinderäumen in Friedrichshafen

2. Preis

Preisgeld: 12.600 EUR

HILDEBRAND + SCHWARZ Architekten GmbH

Architektur

365° freiraum + umwelt

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

STÄDTEBAU | ERSCHLIESSUNG
Kirche und Gemeindehaus bilden gemeinsam mit dem Glockenturm den neuen Kirchplatz. Hier liegen die beiden Eingänge zur Kirche und zum Gemeindehaus. Aus der Umgebung führen die fußläufigen Erschließungen alle auf diesen Gemeindeplatz hin. Zentrale Richtung mit Sichtachse vom Quartierszentrum und dem zukünftigen Wohngebiet ist von Süden. Hier sind auch ein Teil der erforderlichen Pkw- und Fahrradstellplätze auf dem tieferliegenden Straßenniveau untergebracht. Weitere Pkw- und Fahrrad-Stellplätze liegen in der Nord-Ost-Ecke am Zugang des Grundstücks. So entsteht eine kurze Verbindung zum nordwestlich gelegenen Wohngebiet und zu den Jugendräumen.
Die Kirche als eigenständiges und wichtiges Gebäude zeigt sich gegenüber den Gemeinderäumen in Höhe und besonderer Form. Die Verbindung über eine Fuge unterstreicht die Zusammengehörigkeit. Der Kirchenbau aus einer Stampflehmkonstruktion und die Gemeinderäume in Holzbaukonstruktion betonen die Besonderheit und erzeugen eine warme einladende Atmosphäre. Es entsteht eine städtebaulich klare, einfache und eindeutige Situation.

GEBÄUDESTRUKTUR
Kirche
Der Hauptzugang von Westen lenkt den Blick zum Altarraum. Die seitlichen Zonen für Chor und Taufe formen Tiefe zum bewussten Eintreten in den Kirchenraum. Der symmetrische Kirchenraum öffnet sich durch die durch Lichtführung und durch das ansteigende Dach nach Osten zum um eine Stufe erhöhten Altarraum mit Altar, Ambo, Tabernakel und Sedilien. Die leichte Längsorientierung des Kirchenraumes ermöglicht eine flexible Bestuhlung, die auch an den Seiten des Altares ausreichend Platz bietet. Die Sakristeiräume sind außerhalb des Kirchenraumes angeordnet. Über die Gebäudefuge ist ein direkter Zugang in die Kirche, aber auch ein „großer Einzug“ über den Mittelgang möglich.
Die beiden Figuren aus der bestehenden Kirche finden im Neubau einen angemessenen Platz. Der Corpus ohne Kreuz wird an der Altarraumwand positioniert. Die Madonna als Namensgeberin der Kirche findet in einer Wandöffnung rechts vom Altar ihren Ort. Hier ist ausreichend Raum für Gebet oder kleine Andachten. Die Rückwand der Wandöffnung aus Glas macht diesen Ort von außen sichtbar und lässt Ostlicht in den Kirchenraum scheinen. Der Taufstein steht in einer Art Raumnische am Eingang und der Chor kann sich auf der gegenüberliegenden Seite gut positionieren. Die verkleinerte Orgel wird akustisch gut wirksam über dem Windfang installiert. Der mobile Spieltisch kann von der Chornische aber auch vom Altarraum aus bedient werden.
Der Kirchenraum entwickelt zwei Ebenen. Die irdische Ebene, auf der sich die Menschen bewegen. Hier sind Öffnungen nach außen angeordnet, die Kontakt aufnehmen. Zum einen als Belichtung zum andern als Licht-Zeichen nach draußen. Im Norden und Süden in die Stadt und nach Westen zum Kirchplatz, wo das Abendlicht in die Kirche scheint. Die Verglasungen sind semitransparent. Durch warmes Antik- bzw. Strukturglas und der vorgelagerten, stehende Holzstruktur kann erahnt werden, was im Innenraum passiert. Diese irdische Ebene wird durch die Wandverkleidung aus gebürstetem Eichenholz und dem Hirnholzboden aus Eiche gefasst. In dieser Ebene liegt auch die Anbindung an die Gemeinderäume, die zum Kirchenkaffee großzügig geöffnet werden kann, aber während des Gottesdienstes in der Wandverkleidung „verschwindet“. Über dieser irdischen Ebene erhebt sich die transzendente Ebene. Eine feine, warme Stampflehmoberfläche begleitet den sich öffnenden Raum nach oben. Das indirekte, sich über die gesamte Kirchenbreite ersteckende Oberlicht erhellt die Altarwand und lenkt den Blick nach vorne. Die Decke erhält einen feinen Lehmputz in Wandfarbe.
Die Lehmoberflächen werden im Innenraum mit einer hellen, aber durchscheinenden Kalklasur gestrichen. Es entsteht ein heller, ruhiger, konzentrierter und spiritueller Raum.

Gemeinderäume
Der Hauptzugang in die Gemeinderäume erfolgt direkt vom Kirchplatz aus. Der Gemeindesaal kann zum Platz hin für Gemeindefeste großzügig geöffnet werden. Er nimmt durch die große Verglasung den Kontakt auf. Das Gebäude ist sehr einfach strukturiert. Nach Westen auch mit Abendlicht orientiert sich der große Saal. Die rückwärtige Küche kann direkt über einen Anlieferungszugang bedient werden. Im Mittelblock sind die dienenden Räume untergebracht. Dieser trennt den Gemeindesaal und die Jugend für eine ungestörte parallele Nutzung. Nach Osten in den Gartenbereich orientiert sich der Gruppenraum und die Jugendräume, welche einen zusätzlichen Eingang und einen eigenen Gartenbereich erhalten. Über die Möglichkeit, großzügig zu öffnen, können Gemeindesaal, Foyer und Kirchenraum zu einer fließenden Raumeinheit verbunden werden.
KONSTRUKTION | ÖKOLOGIE
Die Tragkonstruktion der Kirche ist ein Stützen-Decken-System aus Holz. In die Wand integrierte, nicht sichtbare Thermobuchestützen und eine freitragende Holz-Hohlkörperdecke bilden die tragende Struktur. Die massiven nichttragenden Außenwände der Kirche bestehen aus dreischichtigen Stampflehmelementen. Eine äußere Schale aus Stampflehm mit ca. 40 cm Stärke. Diese hat die typische feine waagerechte sandfarbene Struktur. Die horizontalen Erosionsbremsen aus z.B. Trasskalk im Abstand von ca. 60 cm unterstreichen das waagerechte Fassadenbild der Kirche. Die Moos- und Algenbildung verhindernde Außenfassade lässt sehr geringe Unterhaltskosten erwarten. Eine ca. 20 cm starke Kerndämmung z.B. aus recyceltem Schaumglasschotter bringt die erforderliche Wärmedämmung. Im Innenraum wirkt die ca. 15 cm starke Stampflehminnenschale strukturierend und sehr beruhigend. Massive Lehmwände dienen als sehr gute Speichermasse, regulieren Raumfeuchtigkeit und binden Schadstoffe und Gerüche. Die Struktur der Oberfläche ist sehr gut akustisch wirksam. Durch die Nutzung von grauer Energie und örtlich vorkommenden Materialien und durch die 100% Rückbaumöglichkeit haben diese Wände eine sehr gute ökologische Bilanz. Die flächige Holz-Dachkonstruktion wird farbgleich den Wänden lehmverputzt. Die Kirchenbeleuchtung wird optisch nicht störend in die Konstruktionen intergiert.
Die natürlichen Oberflächen erzeugen eine helle, ruhige und warme Atmosphäre im Kirchenraum.

Die Gemeinderäume erhalten ein zeitgemäßes, offenes und transparentes Erscheinungsbild und werden in ökologischer Holzbauweise hergestellt. Decken und Wände sind aus massiven Holzelementen und Außenwände in Holztafelbauweise ausgeführt. Das Dach wird begrünt. Ein entscheidender Vorteil dieser Bauweise ist der hohe Grad an Vorfertigung, der die Bauzeit verkürzt. Die warmen Oberflächen der sichtbar belassenen Holzbauteile im Wand- und Deckenbereich und die Eigenschaften der Holzmasse als Wärme- und Feuchtigkeitsspeicher sorgen für ein ausgeglichenes, behagliches Raumklima. Holz als nachwachsender Baustoff ist ein aktiver CO2-Speicher, ist ökologisch recyclebar, ein zeitloser Baustoff und durch seine besondere Haptik angenehm für die Sinne der Benutzer. Die liegende Holzbekleidung der Fassaden zeigt auch nach außen das Baumaterial Holz und das Selbstverständnis des Gebäudes.

ENERGIEKONZEPT
Die gewählten Konstruktionen lassen einen hohen Standard in Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu. Es wird die Möglichkeit einer DGNB-Zertifizierung erwartet.
Die Einbringung der Heiz- bzw. Kühlenergie erfolgt bei beiden Gebäuden über eine Fußbodenheizung. In der Kirche wäre auch eine Wandheizung in der inneren Lehmschale möglich. Die statische Heizenergie wird z.B. über eine Erd-Wärmepumpe, die statische Kühlenergie über eine Rückkühlung aus der Geothermie sichergestellt.
Im Gemeindehaus kann über Oberlichtfenster und über Zuströmung kalter Nachtluft eine gute Nachtauskühlung im lowtech-Verfahren erreicht werden. Da im Betrieb mit nur wenig Warmwasserbedarf gerechnet werden kann, erfolgt die Warmwasseraufbereitung dezentral mit elektrischen Durchlauferhitzern. Durch das Wegfallen von zentralem Bereiten, Speichern und Zirkulieren von normgerecht höhergradigem Wasser stellt die dezentrale Methode die energieeffizienteste Lösung dar. Die gewählten Systeme können ihren Eigenstrombedarf über die PV-Anlage auf dem Dach beziehen. Das nach Westen ausgerichtete Dach der Kirche wird vollflächig mit intergrierten PV-Modulen belegt. Diese werden von drei Himmelsrichtungen belichtet und treten optisch nicht in Erscheinung.

AUSSENANLAGEN
Der leicht ansteigende Hauptzugang zum neuen Kirchplatz erfolgt von der Parcellistraße aus und bietet ohne Stufen eine barrierefreie Erschließung für alle. Der Eintritt auf den Platz und seine Fassung nach Süden übernimmt eine kleine Mauer zum Sitzen. Auf diesen mit Steinplatten belegten Kirchplatz münden alle Zuwegungen. Nach Westen hin, als Gegenüber des Kircheneingangs entsteht eine halbhohe Wand aus Stampflehm, die den Außenraum fasst. Hier kann man auf Holzbänken unter drei Bäumen verweilen und zur Ruhe kommen, kommunizieren oder das Geschehen auf dem Platz beobachten. Die Wand dient nebenbei der Abschirmung des Ensembles zur Reihenhausbebauung im Westen. Durch verschiedene Öffnungen in der Wand entsteht jedoch kein Eindruck einer massiven Mauer, es bleibt im Gegenteil eine gewisse Transparenz erhalten.
Der Kirchplatz selbst ist bewusst frei gehalten und hat viel Raum sich vor der Kirche zu treffen - hier können Feste gefeiert werden. Der Gemeindesaal kann auf diesen Platz hinaus erweitert werden. Im südlichen Platzbereich markiert ein Brunnen als Lebenssymbol einen Treffpunkt. Auf der ruhigen Wasseroberfläche spiegelt sich der Himmel.
Die bestehende Rasenfläche im Südosten des Grundstücks wird nicht bebaut und steht als Festwiese zur Verfügung. Teile der ausgedehnten Rasenflächen werden in extensiv genutzte Blumenwiesen umgewandelt. So entstehen optisch überzeugende Grünflächen, die gleichzeitig pflegeextensiv sind und einen Beitrag zu mehr Biodiversität leisten.
Der wertvolle Baumbestand auf dem Grundstück wird erhalten. Die Fußwege werden einfach gepflastert und ins Gelände eingefügt. Regenwasser der Platzfläche wird in Baumrigolen mit Überlauf geleitet, wo es gespeichert wird und den drei Platzbäumen zur Verfügung steht (Schwammstadt). Um möglichst viel Niederschlag an Ort und Stelle zu versickern, werden alle Stellplätze in Rasenfugenpflaster ausgeführt. Das auf den Dachflächen anfallende Regenwasser wird auf den östlich angrenzenden Rasenflächen versickert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit liefert einen ganz klaren kubischen Beitrag. Ein Quader – fast schon ein Würfel - als neue Pfarrkirche und daneben – nur über eine Glasfuge verbunden - ein deutlich flacheres Rechteck als Gemeindehaus. Mehr benötigt der Entwurf nicht. Zusammen mit dem erhaltenen Campanile entsteht so ein neues kirchliches Zentrum Jettenhausen in dessen Mitte ein großer Kirchplatz verortet werden kann. Die beiden neuen Bausteine überzeugen das Preisgericht somit in ihrer Klarheit und Schlichtheit, wenngleich dieser solitäre Ansatz nur sehr bedingt zu einer homogenen Einfügung in die bestehende Umgebungsbebauung führt.

Die Kirche ist als aus Lehm gestampfte Skulptur entworfen, die mittels des warmen Materials der Außenmauern Schutz, Trost und Geborgenheit erwarten lässt. Die Prinzipalien und die Buntglasfenster sind der einzige Schmuck im Kirchenraum und mehr braucht dieser Raum auch nicht. Ob er mehr Alltagsschmuck vertragen würde bleibt zu hoffen. Die Altarinsel, die Marienfigur und alle anderen Objekte sind gekonnt und stimmig im Sakralraum und seiner feierlichen Schlichtheit verortet.

Das sich städtebaulich der Kirche deutlich unterordnende hölzerne Gemeindehaus ist klar in drei Funktionsspangen gegliedert und grundsätzlich gut organisiert. Ob einzelne Funktionen wie die Küche oder der Jugendbereich nicht doch besser an andere Stelle im Raumgefüge angeordnet werden sollten müsste in der weiteren Bearbeitung überprüft werden. Nachteilig wird vom Preisgericht bewertet, dass zu Gunsten der kompakten Kubatur die Raumhöhe im Gemeindesaal sehr niedrig angesetzt ist. Dieses Planungsdetails sollte überprüft werden ohne dabei alle anderen Räume direkt mit zu erhöhen. Ob in der Ebene der Glasfuge zudem ein sommerlicher Wärmeschutz ergänzt werden könnte blieb im Preisgericht eine weitere offene Frage. Weiter sollte vor den Jugendbereichen über einen eigenen Außenbereich nachgedacht werden.

Auf Grund seiner Kompaktheit, Klarheit und Homogenität in der Fassade wie auch bei den gewählten Materialien erscheint die Arbeit innerhalb des Teilnehmerfeldes als eine der wirtschaftlicheren Arbeiten wenngleich die Ausführung in Stampflehm und Holz auch zusätzliche wirtschaftliche Aufwendungen erwarten lässt.

Insgesamt ein sehr wertvoller Beitrag, der vieles in bewährter Form richtig macht. Es wird nur ein innovatives Element vermisst.