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Einladungswettbewerb | 11/2023

Neubau Büro- und Handelsgebäude am Goetheplatz in Frankfurt am Main

ein 3. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

White Arkitekter AB Stuttgart

Architektur

C4 engineers GmbH

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Unsere Vision für den Neubau des Büro- und Geschäftshauses am Goetheplatz 1 ist, ein nachhaltiges und zukunftsweisendes Gebäude zu entwerfen. In Analogie zu dem einzigartigen Ort im Herzen Frankfurts gliedert sich dieses sensibel in seine Umgebung ein und bildet mit ihr von Beginn an ein Ensemble. Folgende Ziele wurden daraufhin im Sinne der Nachhaltigkeit verfolgt:

- Hochqualitative Architektur, die den Ort prägt und über die Zeit beständig ist.
- Generalität und Flexibilität der Innenräume, die den sich ständig ändernden Anforderungen gerecht werden.
- Ein vielseitiges und einladendes Büro- und Geschäftshaus, das zu einer nachhaltigen und sozialen Lebens- und Arbeitsweise beiträgt.

Städtebau
Das Grundstück befindet sich in direkter Nachbarschaft zum One Goetheplaza (2013). Der Neubau G1 vervollständigt die Straßenfassade zum Goetheplatz hin. Mit dem gegenüberliegenden historischen Deutsche Bank Gebäude (1904) entsteht eine Kopfsituation an der Junghofstraße.
Diese Referenzen prägen die Fassadengestaltung: eine klare vertikale Gliederung, die bis in die Arkade fortgeführt wird, sowie eine von der historischen Fassade abgeleiteten Horizontalität mit Simsen, zurückspringenden Fenstern und begrünten Elementen. Ein städtebaulich gestaltgebendes Element ist die Eckerhöhung, die sich natürlich aus der Fassade der unteren Geschosse fortsetzt und sich sowohl nach innen als auch außen als Orangerie präsentiert.
Die zweigeschossige Arkade entlang der Junghofstraße verbindet den Goetheplatz mit der Alten Rothofstraße. Zusammen mit dem zukünftigen Zugang zur Fußgängerpassage des Frankfurt Four wird die bisherig rückwärtige Seite aufgewertet und zu einer klaren Verbindung zur Goethestraße. Deshalb wird neben dem natürlichen Haupteingang „Goetheplatz 1“ ein weiterer Eingang „Alte Rothofstraße 2“ gebildet.
Das städtebauliche Ensemble zwischen Goetheplatz / Roßmarkt und Alte Rothofstraße wird durch das G1 vollendet.

Eingangsbereiche Goetheplatz und Alte Rothofstraße
Die zum öffentlichen Raum hin orientierten und flexibel bespielbaren Eingangsbereiche haben einen einladenden Charakter und bilden soziale Treffpunkte. Der repräsentative Haupteingang „Goetheplatz 1“ öffnet sich mit seiner Lobby großzügig zum Außenraum und bietet Platz für interne Events. Eine begrünte Sitztreppe ermöglicht diagonale Blickverbindungen vom Straßenraum in den grünen Lichthof. Der „Smart City“ Eingangsbereich Alte Rothofstraße mit Paketstation, Bike Repair Station und Kaffeebar im Erdgeschoss bietet den Zugang zur Fahrradgarage im Untergeschoss und führt über eine breite Freitreppe mit Sitzgelegenheiten zum Coworking-Bereich im 1. Obergeschoss.
Einzelhandel
Im Erdgeschoss und 1.Obergeschoss befinden sich Retailflächen, die flexibel in bis zu vier Einheiten ein- oder zweigeschossig eingeteilt werden können. Interne Aufzüge erschließen alle Bereiche barrierefrei und führen zu den zusätzlichen Lagerflächen im Untergeschoss. Zugänge befinden sich sowohl am Goetheplatz, entlang der Arkade, sowie in der Alten Rothofstraße.

Büro
Im 2. bis 7. Obergeschoss befinden sich die Büroflächen. Pro Geschoss können je zwei Einheiten über ein Treppenhaus erschlossen werden und ermöglichen so die flexible Einteilung in bis zu vier Mieteinheiten. Vier kompakte Versorgungskerne stellen die notwendige Infrastruktur bereit.
Die am besten belichteten Bereiche entlang der Straßenfassade stehen den ständigen Arbeitsplätzen zur Verfügung und bieten neben einer offenen Bürostruktur auch die Möglichkeit Einzelbüroräume abzutrennen. Die Mittelzone gewährleistet die barrierefreie Zirkulation innerhalb der Büros. Richtung grünen Innenhof orientieren sich Pausenbereiche und Besprechungsräume, die sich nach außen auf den vertikalen Garten erweitern lassen. Hierüber wird zudem der zweite notwendige Fluchtweg sichergestellt.

Coworking und Gemeinschaftsbereiche
Potenzielle Drop Down Coworking Flächen werden im 1.Obergeschoss an der Alten Rothofstraße sowie im gesamten 7. Obergeschoss verortet. So werden einerseits Flächen nah am öffentlichen Raum, als auch die attraktivsten mit Blick über die Stadt möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht. Sie ermöglichen zudem die temporäre Erweiterung der klassischen Büroflächen bei sich verändernden Platzbedarfen.
Angegliedert an die großzügige Dachterrasse im 6. Obergeschoss befindet sich ein Gemeinschaftsbereich. Der Pausen-, Multifunktions- sowie Ruheraum stehen allen Nutzer*innen zur Verfügung. Neben den Eingangsbereichen und dem vertikalen Garten im Hof fördert diese Fläche den internen Austausch zwischen unterschiedlichen Miet- und Nutzungseinheiten.

Tragwerk
Ab dem Erdgeschoss ist das Tragwerk als vorgefertigter und nachhaltiger Holzskelettbaut ausgebildet. Stützen und Unterzüge sind aus Brettschicht- oder Furnierschichtholz (hochtragfähiges Laubholz). Sie bilden die Primärstruktur und das Auflager für Brettsperrholzdecken. Das Untergeschoss und die Treppenkerne sind aus Stahlbeton. Die massive Konstruktion mit hoher Wärmespeicherkapazität dient als Puffer und verzögert die Aufheizung des Gebäudes.

Reuse
Materialien aus dem Rückbau der Bestandsfassade werden u.a. in den Eingangsbereichen als Bodenbelag, sowie in der neuen Arkade als Stützenverkleidung wiederverwendet. Das Abbruchmaterial des Stahlbetons wird als Schüttung auf den Brettsperrholzdecken genutzt. Die Materialien für den Innenausbau werden sorgfältig aus gesunden, erneuerbaren Quellen wie Holz oder Lehm gewählt. Im weiteren Prozess sollen Möglichkeiten zur Wiederverwendung von Recyclingmaterial weiter untersucht werden.

Fassaden- oder Dachbegrünung
Pflanztröge werden in die straßenseitigen Fassadenelemente integriert, die Dächer sind intensiv begrünt. Hofseitig bildet sich ein vertikaler Garten als grüne Lunge des Projekts aus und schafft so ein gesundes urbanes Mikroklima. Eine Fassaden- oder Dachbegrünung reduziert die direkt auf das Gebäude einwirkende Sonnenstrahlung und bindet darüber hinaus Feuchtigkeit, was einen zusätzlichen kühlenden Effekt hat. Pflanzen sorgen aktiv für Beschattung der Fassaden und reduzieren durch Verdunstung die lokale Temperatur.

Lüftung
Für die Lüftung sind manuelle bedienbare Öffnungsflügel für die Bürobereiche vorgesehen, welche an den lärmintensiven Fassadenbereichen außen mit Schallabsorbern ausgestattet werden. Optional kann je nach Mieteranforderungen die manuelle Fensterlüftung durch dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung in der Brüstung der Fassade ergänzt werden kann.

Wärmeerzeugung
Die Wärmeerzeugung erfolgt in der Grundlast einer Geothermie-Wärmepumpe mit Erdsonden unterhalb der Bodenplatte. Für Spitzenlasten kann die vorhandene Fernwärme genutzt werden.

Kälteerzeugung
Mit der Geothermie-Wärmepumpe erfolgt eine effiziente Kälteerzeugung. Die Erdsonden können für eine direkte naturale Kühlung ohne Einsatz der Wärmepumpe genutzt werden.

Mobilitätskonzept
Das Mobilitätskonzept fördert das Radfahren durch eine Fahrradgarage mit Umkleide im Untergeschoss und direktem Zugang zu beiden Treppenkernen. Eine Bike Repair Station im Erdgeschoss ergänzt das Angebot. Carsharing Angebote können im Parkhaus Goetheplatz verortet werden. Das Gebäude wird ohne Stellplätze für PKWs geplant.

Barrierefreiheit
Die Barrierefreiheit wurde bei der Grundrisskonzeption von Anfang an mitgedacht. Der größte Teil der als Arbeitsstätten ausgewiesenen Bereiche kann barrierefrei ausgeführt werden. In allen Nutzungseinheiten sind barrierefreie Sanitärräume räumlich vorgesehen.

Fassade und Materialität
Die Fassaden sind integrativer Bestandteil des Energie- und Technikkonzepts. Der Entwurf sieht zwei Typen von Fassaden vor:
• Elementierte, vorgefertigte Fensterfassaden mit Brüstungen in den Obergeschoßen zu den öffentlichen Straßen und Plätzen hin.
• Geschosshohe Pfosten-Riegelfassen vor den zweigeschossigen Retail- und Eingangsbereichen sowie zwischen den Geschossdecken entlang den Balkons zum Innenhof hin.
Die straßenseitigen Fassadenelemente sind als Holzrahmenbauelemente mit integrierten Stützen und Unterzügen aus verleimter Baubuche konzipiert. Im Bereich der Brüstung wurden durch die Rahmenbaukonstruktion Hohlräume für Installationen und Fassadenbegrünung geschaffen. Die zueinander in der Tiefe versetzten Holz-Alufenster ermöglichen Lüftung und Reinigung sowie das Pflegen der Pflanztröge. Die Fenster werden zu den lärmintensiven Straßen mit schallgedämmten Lüftungsklappen ohne Einschränkung des Tageslichts ergänzt.
Die opaken Flächen bestehen aus vorgehängten, vertikal profilierten Keramikplatten, deren geringes Gewicht die Integration in die vorgefertigten Elemente ermöglicht. Entlang der Brüstungen verlaufen Simse aus Faserbeton. Diese gliedern zusammen mit den stehenden Keramikplatten die Fassaden zum öffentlichen Raum vertikal und horizontal. Sie stellen verbindende Elemente zu den Nachbargebäuden her. Die profilierten Keramikplatten erzeugen mit ihrer präzisen Oberfläche und Schattenwirkung einen Kontrast zu den im Arkadenbereich wiederverwendeten Natursteinplatten des Bestandsbaus.
Markisoletten als textiler Schutz vor Überhitzung der Innenräume verleihen der orthogonalen Grundstruktur der Fassaden Leichtigkeit.
Die raumhohen Pfosten-Riegelfassaden aus Holz bekommen eine Alu-Aufsatzkonstruktion für die Verglasung und Öffnungsflügel. Entlang des vertikalen Gartens zum Innenhof ermöglichen große Schiebelemente die Erweiterung des Innenraums nach außen. Installationen sind hofseitig, wo keine Brüstungen vorgesehen sind, in den vertikalen mit Holz verkleideten opaken Elementen vor den Stützen untergebracht.




Beurteilung durch das Preisgericht

Der klar vorgetragene Entwurf überzeugt vor allem durch seine durchdachte innere Gebäudekonzeption. Kontrovers und intensiv diskutiert wurde die Architektursprache, die in ihrer äußeren Erscheinung den Eindruck eines Wohngebäudes vermittelt. Als spannendes Element wurden die horizontalen Gesimse empfunden, die je nach Perspektive die starken vertikalen Linien der Keramikfassaden überlagern. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die Gesimse ein beliebter Aufenthaltsort für Tauben sind und die absolut notwendigen Vergrämungsmaßnahmen dann einen gestalterischen Nachteil mit sich bringen. Die Ecküberhöhung wurde als homogen in die Gebäudesprache integriert empfunden.

Der besonders gestaltete Eingangsbereich mit der Blickbeziehung zum Innenhof und dem damit verbundenen Lichteinfall ist von hoher Qualität. Positiv zu bewerten sind die Balkone zum Innenhof und die gute Belichtung der Büroflächen, die den wohnlichen Charakter auch im Innenhof fortsetzen.

Der zweite Rettungsweg über die Fluchtbalkone wurde im Zusammenhang mit der geplanten Begrünung als kritisch angesehen. Die Fläche des zweiten Untergeschosses bleibt ungenutzt, was aus Sicht der Nachhaltigkeit nicht nachvollziehbar ist. Der Lochfassade mit den tiefen Laibungen werden teilweise eine ungünstigere Belichtung der Innenräume zugeschrieben.

Positiv hervorgehoben wurden vor allem die vielen sozial gewidmeten Flächen, mit der sich dieser Entwurfsbeitrag von allen anderen Arbeiten abzuheben vermochte.