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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2024

BUGA29 - Erweiterung Infrastrukturgebäude Schloss Stolzenfels in Koblenz

Perspektive

Perspektive

Anerkennung

Preisgeld: 3.500 EUR

HUPE FLATAU PARTNER

Architektur

Erläuterungstext

Unser Entwurf verbindet die filigrane Struktur (neo-) gotischer Decken, wie sie in der Kapelle und dem Schloss anzutreffen ist mit den Erfordernissen einer Orangerie. Die Hölzerne Struktur aus Baumstützen und Spitzbögen nimmt Bezug auf die Bäume, welche in der neuen Orangerie beherbergt werden. Sechs Baumstützen sind auf der Struktur des vorhandenen Parkhaus- Sockel abgelastet und verbinden sich in der Höhe zu einem Kreuzgratgewölbe.

Die Dacheindeckung besteht aus ETFE-Pneus in Anlehnung der leichten Foliendächer, die aus dem Gewächshausbau bekannt sind. Die dreilagigen und bedruckten Pneus erlauben es über die Veränderung des Luftdrucks in den beiden Kammern den Lichteinfall zu regulieren.
Das Regenwasser wird nach Innen in die mehrteiligen Stämme der hölzernen Baumstützen geleitet, wird dort gesammelt und dient der Bewässerung der Pflanzen. Auch in der Aufsicht vom Schloss aus ist die vegetabile Struktur des Daches sichtbar.

Die Stämme der Baumstützen leiten neben dem Regenwasser die Luft für die Kissen und den Strom unter das Dach der Orangerie.

Die Pfosten der 4-seitig umlaufenden Fassaden spannen vom Boden bis an den äußeren Kranz der Baustützen. Die verzinkten Stahlträger sind rückseitig verstärkt, um die Windlasten aufzunehmen. Im Sinne des Zirkulären Bauens dienen als Verglasung wiederverwendete Glasscheiben aus rückgebauten Fenstern und Fassaden aus der Umgebung. Die reduzierten bauphysikalischen Anforderungen an die Hülle orientieren sich am Gewächshausbau und erlauben dies. Die unterschiedlichen Formate der einlagigen Scheiben und ihre Färbung werden dabei zum Gestaltungsmittel mit horizontal versetzten Fugen und überlappenden Scheiben. Auch dies ist eine Technik aus dem Gewächshausbau (Corbusier Kloster La Tourette). Zu- und Abluftklappen am oberen und unteren Ende der Verglasung sorgen für die notwendige Belüftung der Orangerie.

In der Eingangsfassade nach Süden sind Photovoltaik-Zellen in die Verglasung integriert.

Nachts werden die Baumstützen von unten beleuchtet. Stützen und Dach reflektieren das Licht auf die eingestellten Bäume. Das Tragwerk öffnet sich zu allen vier Seiten, sodass Stützen und Bäume nachts frei auf dem Sockel zu stehen scheinen.

Auf der Südseite wird der Raum durch ein großes zweiflügeliges Tor erschlossen, welches das Einbringen der Bäume erlaubt und bei Veranstaltungen die Besucher willkommen heißt. Wie bei einer alten Kirche ist für die Wintermonate in das Tor eine Schlupftür eingesetzt.

Das zentrale Kreuzgewölbe bietet ausreichend Platz für Veranstaltungen und erzeugt eine feierliche Stimmung. Nebenräume sind am nördlichen Ende als hölzernes Volumen eingestellt. Wie der Sockel wird auch dieses eingestellte Volumen grafitfarben gestrichen, um vor allem die Pflanzen zur Wirkung zu bringen.

Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema des GebäudeEntwurfs. Die Verwendung von gut verfügbarem heimischen Brettschichtholz als Haupttragelement, reduziert den CO2-Footprint der Tragkonstruktion auf ein Minimum. Die eingestellten Nutzräume sind ebenfalls aus Holz konstruiert. Aufgrund der relativ leichten Konstruktion sollen die Bestandsfundamente weitergenutzt werden. Die Eindeckung der Orangerie mit ETFE-Folienkissen bedeutet für ein so großes Dach einen minimalen Materialeinsatz. Benötigte Energie für die Kissen und die Beleuchtung deckt das Haus selbst über die eigene PV-Anlage. Durch die innenliegende Dachentwässerung wird das Regenwasser gesammelt und zur Bewässerung der Pflanzen verwendet. Die filigrane Grundstruktur der Fassaden ist im Sinne einer Wiederverwendbarkeit aus geschraubten und standardisierten Stahlprofilen erstellt. Das eigentliche Hauptmaterial der Fassaden, die Glasscheiben, sind bereits ein wiederverwendetes Material und damit ein prägnantes und zukunftweisendes Beispiel für Zirkularität in der Architektur. Die Klimatisierung erfolgt – wie bei Gewächshäusern üblich – maßgeblich über eine automatisierte Steuerung der Belüftung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Ansatz sowohl mit dem Bestand als auch mit der Wahl der Materialien für die neu gebaute Orangerie ressourcenschonend umzugehen wird positiv gewürdigt. Die ikonographische Geste der Tragstruktur wird als ansprechend empfunden. Die Anlehnung der Tragstruktur an die gotische Deckenstruktur der Schlosskapelle wird jedoch kontrovers diskutiert.

Die Bestandsgarage wird weitestgehend erhalten und nur durch den minimalen Eingriff der Änderung der Farbigkeit mit dem neuen Entwurf optisch verbunden. Das Umfeld des Gebäudes und die Erschließungssituation des Parkierungsgeschosses werden nicht verändert. Für die Wegeführung und die Entreesituation ergibt sich dadurch keine Verbesserung.

Die Materialität der Orangerie soll durch Leichtigkeit und das Wiederverwenden von Glaselementen möglichst ressourcenschonend sein. Die Ausbildung des Daches als ETFE-Luftfolienkissen Struktur erscheint logisch, wird jedoch im Hinblick auf Veranstaltungsnutzungen aus akustischen Gründen als problematisch bewertet. Auch erscheint es fraglich, ob durch die Verwendung von recycelten Elementen für die Glasfassade die in der Visualisierung dargestellte Leichtigkeit der Orangerie erzielt werden kann. Auch die dargestellte Transparenz wird insbesondere in Bezug auf Maßnahmen zum Sonnenschutz als nicht realistisch angesehen.

Die Anordnung der Nebenfunktionen in der Orangerie schränkt eine parallele Nutzung von Café und Orangerie ein. Die Aufenthaltsqualität des Außenraumes wird durch den mangelnden Regen und Sonnenschutz reduziert.

Sechs sich gegenseitig abstützende gebogene Brettschichtholz „Baumstützen“ sind als Kreuzgratgewölbe ausgebildet und lasten auf den Innenstützen des Bestandes im Parkierungsgeschoss ab. Die leichte Eindeckung durch ETFE-Folienkissen trägt zur Lastminimierung bei. Somit ergeben sich nur geringe Mehrlasten für die vorhandene Fundamentierung. Eine erhebliche Windlastbeanspruchung durch die ca. 6m hohe Glasfassade, deren Abtragung zurzeit nicht eindeutig definiert ist, ist zu erwarten.

Bei den Kennwerten liegt der Entwurf im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit im Spektrum der Arbeiten im leicht überdurchschnittlichen Bereich.

Trotz funktionaler Mängel würdigt die Jury die Intention der Entwurfsverfassenden die den Prinzipien der Nachhaltigkeit folgende Konzeption des Wettbewerbsbeitrages, die in der minimalistischen Gebäudestruktur und dem ressourcenschonenden Einsatz der Materialien zum Ausdruck gebracht wird.
Lageplan

Lageplan

Grundriss

Grundriss

Innenraum

Innenraum

Schnitt

Schnitt