Award / Auszeichnung | 11/2010
Thüringer Staatspreis für Architektur und Städtebau 2010
Wiederaufbau der Bibliothek und der Waidhäuser im Erfurter Augustinerkloster
DE-99084 Erfurt, Augustinerstr. 10
Preis
TGA-Fachplanung
Projektdaten
-
Gebäudetyp:
Bibliotheken, Mediatheken
-
Projektgröße:
keine Angabe
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Status:
Realisiert
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Termine:
Baubeginn: 01/2006
Fertigstellung: 01/2010
Projektbeschreibung
Der Neubau für den Veranstaltungs- und Repräsentationsbereich folgt im Wesentlichen der ehemaligen Kubatur des historischen Bibliotheksgebäudes. Das Gebäude schwebt über dem historischen Kellergeschoss in dem die Gedenkstätte entsteht. Die Belichtung erfolgt über die gestalterische Fuge zwischen Alt und Neu und erzeugt eine kryptenartige Stimmung.
Auf der Nordseite befinden sich im freigestellten Erschließungsriegel Eingang, Treppen, Aufzug und Sanitärbereich. Die verglasten Längsseiten erlauben den Durchblick zu den historischen Gewänden und Mauerresten, die Transparenz erleichtert die Orientierung im Eingangsbereich. Der Veranstaltungsraum im Erdgeschoss erhält Seitenlicht über die konisch gefassten Fenstergewände sowie die verglaste Deckenrandfuge. Die Dimension der mächtigen Bestandsmauern ermöglicht die Gründung des Neubaus auf mittig gesetzten Mikrobohrpfählen sowie die darüber liegende Anordnung von freiste-hender Außenwand und Lichtfuge.
Die Decken der Obergeschosse werden über Konsolen auf das Tragwerk abgesetzt. Dreigelenkrahmen aus Leimholzbindern bilden das attraktive Dachgeschoss, in dem sich der Repräsentationsbereich mit Bibliothek befindet. Holzsichtige Bücherregalwände mit integrierten Kuben für Durchgänge und Belichtung bilden die Raumabgrenzung.
Der Besucher findet Zugang aus dem transparenten Foyer und Erschließungsriegel über kubisch ausgeformte Stege. Repräsentations- und Bürogeschoss können zusätzlich über die gläserne Brücke vom Hauptgebäude erreicht werden. Die Architektur des Neubaus ist zeitgemäß. Es werden historische Materialien verwendet, als Fassadenmaterial Muschelkalkstein, als Dacheindeckung Kupfer naturbelassen sowie Stahl-Glas Fensterkonstruktionen. Der Erschließungsriegel wird von einem Sichtbetonrahmen umschlossen, die Längsseiten füllen selbsttragende Stahlpfosten-Glasfassaden.
Der gesamte Ausbau erfolgte im Kontrast holzsichtig. Im Bereich der ehemaligen Waidhäuser entstand ein 3-geschossiges Apartmenthaus mit Dachausbau, in deutlich reduzierter Kubatur im Vergleich zum Ursprungsgebäude. Die Erschließung erfolgt laubengangartig innerhalb der Fuge zwischen historischem Außenmauerverlauf und Neubau. Auch hier schaffen Licht und Schatten interessante Aufent-haltsbereiche.
Alle Wohnräume orientieren sich mit ihren Studierfenstern zum neuen Bibliotheksgebäude. Beide Neubauten sind korrespondierend zueinander ausgerichtet und bilden mit dem dazwischenliegenden Freiraum eine gestalterische Einheit. Die gewählten Materialien passen sich gestalterisch dem Bibliotheksgebäude an, ohne es zu übertrumpfen. So werden die Außenwände mit einer Putzoberfläche ver-sehen, die farblich mit den Natursteinfassaden der Bibliothek und den Bestandsgebäuden korrespondiert. Die Ausbaumaterialien wurden entsprechend dem Gestaltungskonzept der Bibliothek gewählt. Das Apartmenthaus wurde oberhalb der Grundmauern der Waidhäuser in Querwandbauweise errichtet. Die tragenden Wände wurden in Mauerwerk errichtet, die Geschossdecken als monolithische Stahlbetondecken und Filigrandecken.
Mit dem Energiekonzept: Fernwärmeanschuss BHKW + RLT-Anlage mit Wärmerückgewinnung und Teilklimatisierung der großen Konferenzräume, sowie Fußbodenheizung & außenliegendem Sonnenschutz konnte die 2006 gültige ENEV trotz Integration bestehenden Mauerwerks und der wertvollen gotischen Steinrahmenfenster unterschritten werden. Dimmbare LED-Beleuchtung und Lichtsteuerung tragen weiter zur Energieeffizienz und Nachhaltigkeit bei.
Junk & Reich, Architekten BDA
Beurteilung durch das Preisgericht
Die bauliche Geschichte des Klosters ist wechselvoll und erfuhr einen tragischen Tiefpunkt durch die Zerstörung der Bibliothek und der Waidhäuser. Dabei kamen im Februar 1945 durch einen Luftangriff 267 Menschen, die im Keller der Bibliothek Zuflucht gesucht hatten, auf grausame Weise zu Tode.
Der Wiederaufbau der durch den zweiten Weltkrieg zerstörten Bibliothek und der Waidhäuser wurde über einen Architekturwettbewerb 2004 entschieden. In der Folge waren 2008 die Waidhäuser fertig gestellt und 2010 auch das Bibliotheksgebäude seiner Nutzung übergeben worden.
Beide Gebäude folgen der Gebäudegeometrie ihrer Vorgängerbauten und bilden damit das historische Gebäudeensemble erneut ab. Die Architektursprache jedoch interpretiert die historischen Vorbilder auf zeitgemäße und eigenständige Weise. Dabei werden unter Anderem durch die verwendeten Materialien deutliche Akzente gesetzt. Die im nördlichen Bereich der Bibliothek angegliederte Erschließungszone ist vollständig verglast. Durch die Verglasung spiegeln sich die historischen Fassaden, das neue Gebäude wird damit Teil seiner Umgebung.
Präzise achten die Architekten auf das Fügen von Altem zum Neuen, wobei die Fuge als konstruktives und stilistisches Mittel konsequent eingesetzt wurde. Hohe Detailqualität und eine zeitgemäße Architektursprache überzeugen bei diesem Projekt und bilden einen guten Beitrag zu zeitgemäßem Bauen in historisch bedeutsamer Umgebung.
Insgesamt ein gelungenes Projekt, das dem hohen Anspruch dieses Ortes und seiner geschichtlichen Bedeutung gerecht wird.
Südfassade Bibliothek Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Nordfassade Bibliothek Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Blick Comthurgasse Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Saal Bibliothek Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Festsaal Erdgeschoss Bibliothek Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Gedenkstätte Untergeschoss Bibliothek Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Waidhäuser & Bibliothek Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Treppenraum Waidhäuser Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Lesebereich Waidhäuser Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Appartement Waidhäuser Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Gedenkstätte KG Bibliothek Foto: Thomas Weiß, Erfurt
Bibliothek & Waidhäuser Foto: Thomas Weiß, Erfurt