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Einladungswettbewerb | 03/2014

«Vision 2033» Papieri-Areal

Teilnahme

Steinmann & Schmid Architekten

Architektur

Westpol Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Fahrländer Partner Raumentwicklung

Projektsteuerung

Erläuterungstext

Ausgangslage, Lektüre des Orts
Das Papieri-Areal ist ein eigenständiges Produktionsquartier am östlichen Ortsrand der Gemeinde Biberist. Grossmassstäbliche Bauten, ein orthogonales Erschliessungsraster und geschlossene Ränder prägen das Bild der heutigen Anlage.
Die Bebauungsstruktur weist, geprägt durch die langen Produktionsstrasse in den Hallen eine starke Längsorientierung auf. Diese Strukturierung wird verstärkt durch die Baumreihe in der Fabrikstrasse, den Wasserkanal sowie den fliessenden Landschaftsraum der Emme. Das Areal entwickelte sich in mehreren Schichten ausgehend vom Fabrikkanal Richtung Südosten über die Fabrikstrasse hinaus. Die Fabrikstrasse wurde mit ihrer markanten Baumreihe zur Haupterschliessung der heutigen Anlage.
Die beiden dominanten Längsachsen, Fabrikstrasse und Kanal, unterteilen das Areal in drei Bereiche. Eine Art Insel im Nordwesten und die beiden durch die Allee zusammengefassten Festlandteile im Südosten. Insel und Festland sind über wenige Brücken miteinander Verbunden.
Die klare Erschliessungsstruktur, die Nähe zum Wasser und zu attraktiven Landschaftsräumen, die atmosphärische Qualität der Aussenräume im Zusammenspiel mit den Bauten sind Merkmale, welche die Qualität und Identität des Areals heute ausmachen und als Ausgangspunkt für die Entwicklung und Transformation gelten sollen.

Transformation
Eine erfolgreiche Entwicklungs-Strategie muss Wachstum und Veränderung ohne Identitätsverlust ermöglichen. In einem ersten Schritt werden deshalb städtebauliche Strukturen bestimmt, welche sowohl einprägsame Imageträger sind, als auch das Potenzial besitzen, innerhalb einer langsamen Transformation (Evolution) den Bestand einer neuen Bestimmung zuzuführen (architektonischer Städtebau). Leichte Anpassungen am Erschliessungssystem wie die veränderte Feinverteilung oder neue Zugänge an den Rändern strukturieren und öffnen das Areal und es entstehen Bereiche von unterschiedlicher Repräsentativität und Erreichbarkeit. Analog dem Zonenplan einer Gemeinde führt dies zu unterschiedlichen Lagequalitäten und damit zu unterschiedlichen Land- und Mietpreisen (technischer Städtebau). Für Zwischennutzungen können Betriebe zeitlich befristet subventioniert werden. Damit ist garantiert, dass sich im Lauf der Arealentwicklung Wertschöpfungsstärke und Lagequalität angleichen.

Zwischennutzungen
Mit gezielten Impulsen und Aktionen wird das Areal Schrittweise in seine neue Rolle als öffentlicher Teil von Biberist überführt. Das vielfältige Nutzungsangebot als Chance für einen attraktiven Arbeits-, Produktions- aber auch als Kultur- und Wohnbereich verstanden, bietet für die Gemeinde Biberist sowie auch für das lokale und regionale Gewerbe eine einmalige Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeit. Mit der Öffnung von Teilbereichen des Areals können Lebens- und Aktionsräume mit geeigneten Zwischennutzungen entstehen, die helfen, die Identität des Areals im Transformationsprozess zu prägen und neu zu generieren.

Städtebau
Aufbauend auf den bestehenden Qualitäten des Areals werden neue Identitätspunkte, einprägsame Strukturen und Aussenräume geschaffen. Das Areal wird in verschiedene Nutzungszonen mit unterschiedlichen Gebäudetypologien und Aussenraumqualitäten gegliedert. Die Grossmassstäblichen, teilweise mehrgeschossigen Hallen in den Baufeldern B, C. F und G, die eher kleinteiligen Strukturen im Baufeld H, die mittelgrossen polyvalent nutzbaren Hallenbauten im Baufeld D sowie die Wohnnutzungen in den Baufeldern I und K. Am westlichen Ende der Allee werden im Übergang zur Ortsstruktur mit Bahnhof zwei markante Hochbauten gesetzt, die einerseits die Platzsituation definieren, andererseits als Auftakt und Präsenz für das transformierte Areal wirken.
Ein wichtiger sozialer und emotionaler Ort des Neukonzepts bilden die Baufelder H und E mit öffentlichen Nutzungen in den Bereichen Kultur, Kunst, Gestaltung, Gastronomie... . Attraktive Platzräume und spannungsvolle Raumsequenzen zwischen industriehistorischen Fassaden bilden das Zentrum der Aktivität.

Nutzungen
Entsprechend den Zonierungen nach Lageklassen und Erschliessung werden den einzelnen Baufeldern spezifische Nutzungen zugeordnet. Die Baufelder B, C, F und G sind für LKW’s beidseitig sehr gut erschlossen und eignen sich optimal für grössere Industrie und Gewerbenutzer. Das Baufeld B stellt dabei einen interessanten zweigeschossig erschlossenen Gewerbecluster dar. In der mittleren Gebäudeschicht erschliessen LKW-taugliche Rampen ein oberes, hochwertig nutzbares Geschoss.
Die Baufeld F und G sollen mittelfristig neu erstellt werden. Gewerbe-slides mit einer alleeseitigen Anlieferung und einer attraktiven eher kleinteiligeren Struktur für Ausstellungen, Büros usw. gegen den Kanal hin, können in unterschiedlichen Grösseneinheiten bespielt werden.
Das Baufeld D, ist vor allem im der nördlichen Zeile am Kanal weniger optimal für LKW erschlossen. In beiden Teilfeldern werden eher kleinere Nutzungseinheiten verschiedener Gewerbebetriebe angedacht.

Wohnen
Die Wohnnutzung soll in Transformationsprozess nicht im Vordergrund stehen. Zwei Wohnformen sind jedoch im Gesamtkontext denkbar. Die Atelierwohnungen im Baufeld I, entlang des Fabrikkanals können als Einheiten für Wohnen und Arbeiten eine zusätzliches, attraktives Angebot schaffen.
Der Uferraum entlang der Emme soll primär als begrünter Landschaftsraum angelegt werden. In einer ersten Phase sind hier Durchwegungen und Zwischennutzungen in bestehenden Bauten angedacht. Mittel und langfristig kann das Thema Wohnen in der Emmenaue mit kleinteiligen Wohnhausclustern etabliert werden. Kleine Mehrfamilienhäuser mit 3 bis 6 Wohnungen stehen in Gruppen in der baumbesetzten Auenlandschaft.

Landschaft
Die Freiräume auf dem Areal sind geprägt durch drei ost- west gerichtete Gebäudezeilen von unterschiedlicher Körnung. Neben dem Papieri Park und dem neu geschaffenen Papieriplatz bilden die zwei Zwischenräume, die Werkallee und der Kanal das Grundgerüst der Freiräume. Die Werkallee als Hauptader für die Erschliessung der grossvolumigen Werk- und Produktionshallen wird vom Tor West angedient. Die verschiedenen Verkehrsteilnehmer, wie der Werkverkehr, der MIV aber auch der Langsamverkehr werden durch die klare Zonierung baulicher Strukturen sowie durch Signaletikelemente geführt.
Der ehemalige Industriekanal wird durch eine neue verbindende Promenade ergänzt und umgestaltet und führt neu kanalseitig an den umgenutzten Gebäuden entlang. Im westlichen Teil wird der Kanal einseitig mit Ateliers und Wohnbauten bebaut. Auf der südlichen Seite bildet eine mit Bäumen bestandene, bespielbare Fläche Raum für unterschiedliche Aneignungen.
Der Papieri Park und der neue Papieri Platz bilden den Auftakt in das vielschichtige Areal. Das Tor Ost, vor allem für den MIV und den ÖV ausgelegt, liegt in der Schnittstelle zwischen Park und Platz und erschliesst in seiner Verlängerung den nördlichen Arealteil.
Der Papieri Platz wird als vielseitig nutzbarer Freiraum zum attraktiven Veranstaltungs-, Begegnungs- und Aufenthaltsort. Die neue oberirdische Passerelle verbindet den Platz mit dem Bahnhof Biberist. Ein zweiter Anknüpfungspunkt bildet die Bushaltestelle in der erweiterten Unterführung, die über Treppenanlagen direkt auf die Perrons angebunden werden kann.
Der Papieri Park ist aus dem bestehenden Firmenpark entwickelt. Eine ergänzte Durchwegung mit kleiner Brücke über den Entenweiher, punktuelle Auslichtungen des Baumbestandes und die Schaffung eines kleinen Pavillons bilden einen wertvollen Parkraum, der als Pendant zum grosszügigen, offenen Platz eine attraktive Aufenthaltsqualität bietet.
Der nördlichste Arealteil bietet in einer ersten Phase Raum für Zwischennutzungen. Der Naherholungsraum an der Emme eignet sich für Freizeitmöglichkeiten und wird mit der Arealöffnung zu einem attraktiven Grünraum für die Bewohner von Biberist. Die bestehenden Hallen können in einer ersten Phase zum Beispiel zu Spiel- und Kletterhallen umgenutzt werden. Der Freiraum kann über eine Brücke für Fussgänger und Velofahrer besser an Biberist angebunden werden. Das Naturerlebnis könnte mit gezielten Führungen und Projekten gefördert werden und dazu beitragen, das Areal in seiner Transformation zu begleiten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwicklungsvorschlag geht von einer zielgerichteten Lektüre des Areals aus. Mit dem städtebaulichen Entwurf und dem Nutzungskonzept kommen weitere interessante Aspekte hinzu. Hervorzuheben ist diesbezüglich insbesondere der Versuch zur Aktivie-rung und Belebung der westlichen Aussenräume gegenüber des Bahnhofes Biberist Ost. Der Projektvorschlag unterstreicht die Erkenntnis, dass sich eine Umstrukturierung des Areals möglicherweise nicht an den heute dominierenden Ost-West-Achsen, wie der Werkallee alleine orientiert, sondern das Gebiet eher diagonal aufteilt. Der westliche Eingangsbereich wird einbezogen, gegen Osten hin liegt eine Trennlinie zu neuen Nutzungen eher am Kanal.

Diese Konzeption wird städtebaulich und architektonisch gut ausgearbeitet und mit einigen geschickt gewählten Eingriffen untermauert. Die gewählten Massnahmen sind im Ganzen nachvollziehbar, eine genauere Überprüfung bringt dann aber doch einige Vorschläge ans Licht, die widersprüchlich oder etwas überinstrumentiert wirken, wie zum Beispiel die Umnutzung der PM8, welche neu mit LKW's im Obergeschoss be-fahrbar gemacht werden soll. So lässt auch die architektonische Besetzung des „Papieriplatzes“ Zweifel an einer gelungenen räumlichen Wirkung offen, obwohl die grund-sätzliche Idee eines Baufeldes – durch die Verfasser mit zwei markanten Hochbauten besetzt, welche den Arealzugang markieren- als zielführend erachtet wird. Der vorgeschlagene Ausbau der Unterführung und die zusätzliche Überführung unterstreichen die Absicht einer verbesserten Anbindung an den Bahnhof und die Siedlung westlich der Gleise. Allerdings ist der Aufwand für beide Massnahmen immens und löst längst nicht alle Anforderungen für einen neuen Auftritt und Auftakt zum Areal.

Die Konzeption legt richtigerweise viel Gewicht auf eine innere Identität im Bereich des alten Kerns der Anlage beim Kraftwerk. Das rund um den Turbinenplatz aufgezeigte Entwicklungspotential wird ausgeschöpft. Ob das ans Ensemble angrenzend platzierte grosse Parkhaus richtig ist, kann bezweifelt werden.
Der Einbau von grossen Parketagen in die Werkhallen an der Werkallee ist ein interessanter Vorschlag. Allerdings wird er als zu aufwendig beurteilt und bringt bei der Verwertung bzw. Neunutzung der grossen Hallen zu viele Probleme. Der Umbau passt zudem nur schlecht in den gewählten Entwicklungsprozess.

Aus dem verständlichen Anliegen einer möglichst effizienten Erschliessung und Er-reichbarkeit im Inneren der Gesamtanlage entsteht der Eindruck eines dichten Strassennetzes, welches nicht überall auf die gewünschte Aussenraumatmosphäre der besonderen architektonischen Umgebung zu passen scheint. Das Erschliessungssystem entkräftet somit den Gesamtcharakter. Die Vorstellung der vorgeschlagenen ausbaubaren Buserschliessung wird als nicht realistisch beurteilt.

Völlig unverständlich wirken die vorgeschlagenen Wohnanlagen im sogenannten Uferpark. Selbst wenn die Einbettung der Bauten auf eine parkähnliche Einbindung hindeutet, werden der gewählten architektonischen Interpretation und Bedeutung sowie der Marktrelevanz, auch langfristig, wenige Erfolgsaussichten eingeräumt.