modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Mehrfachbeauftragung | 03/2015

Umnutzung Kühlhaus in ein Wohngebäude

Modellfoto

Modellfoto

1. Rang

Klumpp + Klumpp Architekten BDA

Architektur

Erläuterungstext

Nachhaltigkeit durch Weiterbauen, so das Thema hier. Auch wegen seiner wechselvollen Geschichte und seiner ortsbildprägenden Gestalt ein sinnvoller und begrüßenswerter Ansatz. Zunächst als Mühlengebäude in Funktion, dann entkernt und innen neu konstruiert mit Stützen und Rippendecken, zusätzlich aufgestockt und bis 1994 genutzt als Kühlhaus, soll es nun zu einem Wohngebäude mit attraktiven Wohnungen umgebaut werden.
Verständlich auch der Wunsch, die besonderen Merkmale dieses Industriebaus zu berücksichtigen und bei dem zukünftigen Erscheinungsbild als neues Wohngebäude angemessen zu berücksichtigen.
Für die Verfasser zeichnet sich das Bestandsgebäude durch die folgenden Merkmale aus:
1. Seine Größe, seine Proportion und Maßstab, seine städtebauliche Präsenz in Relation zu seiner Umgebung.
2. Seine einfache und klare Geometrie, seine mehrschichtige Konstruktion der Außenwand und die Skelettkonstruktion zusammen mit den Rippendecken im Inneren.
3. Seine niedriggehaltene Vor- und Eingangszone entlang der Straße.
4. Seine außergewöhnlich dicken Außenmauern, fensterlos, bunkerhaft. Einziger Schmuck im oberen Bereich konstruktiv nicht relevante Lisenen.
Attraktives Wohnen seinerseits verlangt:
1. Die Berücksichtigung des Ortes hinsichtlich Orientierung und Aussicht sowie einem einladenden und gutgestalteten Vorfeld.
2. Klare und wirtschaftliche Grundrisse mit gutproportionierten und nutz- und möblierbaren Räumen, Flexibilität in den Koch-Ess- und Wohnbereichen sowie aus baukonstruktiven und akustischen Gründen übereinanderliegende Nassbereiche.
3. Gute und angemessene Belichtung der Räume mit Tageslicht und Ausstattung jeder Wohneinheit mit einem qualitätsvollen Außenbereich in Form einer ausreichend dimensionierten Loggia.
So wie in der Vergangenheit jede Nutzungsänderung mit einer deutlichen Änderung des Erscheinungsbildes verbunden war, wird sich auch mit diesem erneuten Umbau das Erscheinungsbild ändern. Allerdings besteht die erklärte Absicht, Teilmerkmale der einzelnen Nutzungsperioden zu berücksichtigen.
Diese sind:
1. Die neuen Ost-, West- und Nordfassaden werden mit der vorgeschlagenen Befensterung an die Fassade der ehemaligen Mühle erinnern.
2. Die tiefen Laibungen der Fenster zeigen die ungewöhnliche Wandstärke der bestehenden Außenwand und werden sehr angenehm plastisch wirken.
3. Das symmetrisch angedockte Erschließungselement mit Aufzug und Treppe bleibt erhalten, erhält aber zusätzlich ein konisch ausgebildetes Eingangselement, das die gewaltige Gebäudehöhe in ihrem Maßstab verändert, gleichzeitig sehr viel einladender wirkt und zudem mit seiner Höhe eine geometrische Verbindung zu dem neuen Anbau auf der Westseite herstellen wird.
4. Die bisherigen Vorbauten auf der Straßenseite werden ersetzt durch Treppen, Rampen und kleine Gebäudeteile für Müll, Fahrräder und Autos.

Gänzlich neue gestaltet wird die Fassade zum See hin. Die gesamte äußere Mauerwerksschale wird abgetragen. Dies ist kostengünstiger als großzügige Einzelfenster herzustellen und außerdem bauphysikalisch optimal.
Sechs sichtbare Betonauskragungen im Deckenbereich gliedern zunächst den hohen Baukörper horizontal und machen die fünf Ebenen deutlich. Dazwischen werden vorgefertigte, in der Senkrechten und im Deckenbereich konisch verlaufende Fertigteile aus Faserzement oder Holz eingeschoben. Die Lasten dieser gesamten vorgehängten Bauteile werden zusätzlich über Stützen vor der vorhandenen Skelettkonstruktion abgetragen. Diese sind in den konischen Trennelementen zwischen den Loggien eingepackt. In diesem Hohlraum erfolgt auch die Entwässerung der Freibereiche.
Jede Wohnung erhält somit einen wettergeschützten und dadurch an vielen Tagen des Jahres nutzbaren Freibereich. Großzügige Verglasungen in Form von Schiebetüren in der Dämmebene verbinden innen mit außen. Hierdurch bieten sich aus allen Aufenthaltsbereichen großartige Ausblicke auf die Obstbaumwiese, den See und die Alpen
Im Innern:
Der bestehende Lastenaufzug wird durch einen neuen Personenaufzug ersetzt. Im Treppenraum wird Bestandsschutz in Anspruch genommen, so dass weitgehend der vorhandene Charme gehalten wird. Von Aufzug und Treppe gelangt man in eine großzügige Diele von der in jedem Geschoss drei Wohnungen erschlossen werden. Diese sind unterschiedlich groß, wiederholen sich aber in allen fünf Geschossen. Die mittige Lage des vertikalen Erschließungselementes führt gebäudetypologisch zu einem klassischen Dreispänner mit einer kleinen Wohnung in der Mitte, die ausschließlich zum See hin orientiert ist.
Bei allen Wohnungen sind seeseitig alle Aufenthaltsräume, immer mit vorgelagerter Loggia, dorfseitig sind die Schlafräume vorgesehen. Konsequent belegen die Nassräume die Mittelzone. Alle Innenwände sind Leichtbauwände, die vorhandenen Rippendecken bleiben in den Aufenthalts-und Schlafräumen sichtbar, die Mittelzone erhält durchgehend eine abgehängte Decke.
Der nicht mehr erhaltenswerte Anbau auf der Westseite wird ersetzt durch einen Neubau, der in seiner Dimension in etwa dem bisherigen Gebäude entsprich. Die drei gleichen Wohnungen in den Obergeschossen sind allerdings nicht barrierefrei erschlossen.
Die erforderlichen Stellplätze sind unterschiedlicher Art und verteilen sich so auf das Grundstück, dass keine zu großflächigen Stellplatzflächen entstehen, vor allem sind sie auch Teil eines differenzierten Freiflächenkonzeptes mit Grünflächen, Heckenreihen und Bäumen. Angeboten werden Garagen, Plätze in einem Carport sowie offene Stellplätze. Die erforderlichen Abstellräume sowie Technikflächen sind im bestehenden Untergeschoss vorgesehen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser erhalten im Grundsatz das bestehende Kühlhausgebäude mit seinem das Ortsbild prägenden massiven Erscheinungsbild und regelmässig strukturierten Fassadengliederung bei. Die intensive Auseinandersetzung mit der Struktur und Konstruktion des Industriebaus und der geplanten Nutzungen führt im Sinne eines sensiblen Weiterbauens zu einer aus den Bindungen des Bestandes neu entwickelten regelmäßigen Fassade zum Mühlkanal mit gut nutzbarer Privatsphäre und wetterschützenden Loggien. Im Süden wird ein gut proportionierter vier-geschossiger Wohnungsneubau gekonnt ohne Fuge zum Kühlhaus situiert, welcher mit seinem Volumen und klaren Fassaden wie selbstverständlich Alt- und Neubau als Ensemble zusammen bindet.

Das Wohnumfeld wird aufgewertet durch schlüssig gegliederte öffentliche, halböffentliche und private Freiflächen mit Mauern, Rampen , Baum- und Heckenpflanzungen an der Mühlstrasse sowie die Beseitigung des Betriebsgebäudes über dem Mühlkanal, welches u.a. die Blickbeziehungen der Erdgeschoss-Wohnungen deutlich verbessert. Die Parkierungsfläche im Norden wird mit einer flachen Rampe gut erschlossen und mit Bäumen überstellt. In zwei pavillonartigen Gebäuden werden im Bereich der Mühlstrasse Fahrräder, Müllbehältnisse und drei weitere Kfz-Stellplätze geschickt untergebracht.

Die Wohnungen im ehemaligen Kühlhaus werden durch den bestehenden Vorbau in jedem Geschoß durch eine angemessene großzügig dimensionierte Diele erschlossen. Die klare Grundrißorganisation überzeugt sowohl durch ihre konsequente Ausrichtung zum Mühlkanal mit Seeblick, als auch der kompakten Zusammenfassung aller Nasszellen in der Mittelzone und der Schlafräume zur Mühlstrasse. Besonders positiv bewertet werden die innenräumlichen Qualitäten durch den Erhalt der nutzungsspezifischen ungewöhnlich starken Wandteile mit Innendämmung im Kontrast zu den großflächigen Verglasungen mit vorgelagerten Loggien. Auch die Wohnungen in Ergänzungsbau weisen klare und gut proportionierte offene Grundrisse auf.

Die tiefen Laibungen der Fenster in der Nord- Ost - und Westfassade geben dem Gebäude eine bemerkenswerte Plastizität. In der Westfassade erscheinen die Fensteröffnungen lediglich etwas zu gering dimensioniert. Die gänzlich neu gestaltete Loggia-Fassade zum Mühlkanal in Form von vorgesetzten konisch verlaufenden Fertigteilen aus weissem Faserzement überzeugt sowohl durch ihre gute Nutzbarkeit als auch durch ihre konstruktive, gestalterische Gesamtqualität und bauplastische Tiefe. Mit dem Einsatz des gleichen Materials werden auf einfache Weise auch die Fensterlaibungen auf der Ost-, West- und Nordfassade gerahmt, sowie durch flankierende maßstabsbildende konische Wandelemente der bestehende Erschliessungsturm mit Haupteingang signifikant betont und bereichert.

Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit liegt der Entwurf mit einem Angebot von 1250 qm Wohnfläche, bezogen auf die Kostenschätzung mit 2,05 Mio € für die KG 300 + 400 m günstigen Bereich. Hervorzuheben ist dabei der entwurfsspezifische Ansatz, welcher bei geringstmöglichen Abbruchkosten und Erhalt des spezifischen Gebäudecharakters ein hohes Maß an Wohnungsund Umfeldqualität bietet.

Insgesamt besticht der bis in Detail gut durchdachte Entwurf durch seine stringent aus dem ortsbildprägenden Industriebau und der geforderten Umnutzung entwickelten städtebaulichen, architektonischen wie funktionalen Qualität und leistet im besten Sinne einen nachhaltigen Beitrag zum Weiterbauen in unserer Zeit.
Grundriss EG

Grundriss EG

Ansicht Nord-West

Ansicht Nord-West

Ansicht Süd-Ost

Ansicht Süd-Ost