modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 10/2016

Das Museum des 20. Jahrhunderts

Engere Wahl

Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT GmbH

Architektur

Studio Vulkan Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

merz merz

sonstige Fachplanung

knippershelbig GmbH

Tragwerksplanung

Transsolar Energietechnik GmbH

Energieplanung, TGA-Fachplanung

Bau-Data AG

sonstige Fachplanung

SM MODELL Martin Stocker

Modellbau

ErlÀuterungstext

Der Garten und seine Leistungen
Die heutige internationale Landschaft um das Kunstmuseum zielt auf Orte der Begegnung im weitesten Sinne ab - zwischen Haus und stĂ€dtischem Kontext, Besucher und Kunst, Besucher und Event, aber auch die Lenkung der eigenen BedĂŒrfnisse nach gemeinsamem oder alleinigem Erleben von KunstrĂ€umen. Dieses Erleben findet auf unterschiedliche formelle und informelle Art statt, von reprĂ€sentativen AnlĂ€ssen bis zum HerumhĂ€ngen um das Museum ohne Absicht, vertieft Kunst anzuschauen.
Ein Museumsgarten an sich ist in der Lage, all dies zu leisten. So ist dieser Entscheid des Museums des 20 J.h. zu verstehen, ein Ensemble aus Haus und Garten zu schaffen, das solche Mehrwerte fĂŒr den Stadtraum, das Kulturforum und den Besucher anbietet.
Als Pendent zu den neuen FreirĂ€umen um die Scharounbauten nördlich der Parzelle bildet nun der neuen Garten im SĂŒden eine zusĂ€tzliche Adresse des Aufenthalts. RĂ€umlich ist er so konzipiert, dass einerseits die FussgĂ€ngerströme zwischen Potsdamerstrasse und Kulturforum einladend aufgenommen werden können, anderseits dient der Ort als ein flexibles, multifunktionales GefĂ€ss. Die verwendete gestalterische Sprache lehnt sich bewusst zugleich an einen Platz, einen lauschigen Garten und eine Lounge an.
Hauptelemente des Gartens sind die geneigten RasenflĂ€chen, die lose, tribĂŒnenartig um das Foyer angelegt sind. Im Alltag können sich die Besucher informell allein oder in Gruppen darin aufhalten, unterschwellig rĂ€umlich und optisch miteinander verbunden. StĂŒhle im Freien können lose gestellt oder bei AnlĂ€ssen als TribĂŒnenbestuhlung aufgereiht werden. Bei Veranstaltungen dient die zentrale Leere vor dem Foyer als BĂŒhne fĂŒr Reden, Konzerte, Filme oder Performances. Der baumbestĂŒckte Gartenraum bildet die rĂ€umliche Kulisse. Zwischen den BĂ€umen schlendert der Besucher mit Musse, gegebenenfalls zwischen Kunstwerken, Performances oder Workshops, herum.

Das Gartenbild als Widerspiegelung der Museumsphilosophie
Filigrane, skulpturale BaumstĂ€mme stehen vor und hinter den Rasenkissen und zeigen sich in der Silhouette. Dieses Bild ist, insbesondere als Blickfang vom Foyer her gesehen, eine wichtige Visitenkarte des Museums. Der Garten sucht den Spagat zwischen einer wohltuenden, lauschigen AufenthaltsflĂ€che und den Werten der Museumskultur: ein Ort der Reibung, Neugier und kritischen Reflektion. Diese Werte drĂŒcken sich auch in den gewĂ€hlten Baumarten und der Behandlung des Lichthofes aus. Raue, robuste, quirlige Hainbuchen und wenige eingestreute Ahorne treten mit der krĂ€ftigen Fassade des Baus in einen Dialog. DemgegenĂŒber - in einer seltenen Pflanzkombination - stehen zierliche CercisbĂ€ume, dessen filigrane Wuchsform und delikate FrĂŒhlingsblĂŒte eine Lieblichkeit im Garten mitschwingen lassen. Der Lichthof verbindet ĂŒber den vertikalen Stadtraum oben, den Ausstellungsraum unten. Die WasserflĂ€che widerspiegelt unterschiedliche Bilder, je nach Blickwinkel, Tageszeit und natĂŒrlichem Licht. Von oben herab ist es der Himmel und die Baumkronen, von unten die Besucherströme, Naturbilder und LichtatmosphĂ€ren.
Der topographische Unterschied zwischen der Potsdamerstrasse und der Kirche wird aufgenommen und in sanfte, rampenartige Neigungen im Belag umgewandelt.

Freiraum und Stadtkontext
Das heterogene, weitlĂ€ufige Kulturforum erhĂ€lt mit dem neuen Museum und dem Scharounplatz eine neue Mitte. Ein rĂ€umliches GerĂŒst aus zwei Promenaden mit Baumalleen bettet in Zukunft diese Mitte in ihren weiteren Kontext ein und verleiht ihm die nötige Kraft und MasstĂ€blichkeit. Herbert-von-Karajan-Strasse und Potsdamerstrasse bilden dessen Rahmen.
Ein neues Herz der Anlage entsteht in ErgĂ€nzung des Scharounplatzes mit dem neuen MatthĂ€i-Kirchplatz. Der lĂ€ngs gerichtete Scharounplatz ĂŒbernimmt dynamische Funktionen wie Erschliessungsverbindungen des Langsamverkehrs, Bus und Taxi wie auch die langen Sichtachsen zur Piazetta. Im Gegensatz dazu steht der Kirchplatz als ruhenden Pole, Treffpunkt und informellen Aufenthaltsort. Der Blickfang der Kirchenfassade wird betont durch ihre Spiegelung im Wasserfilm, der die RasenflĂ€che ersetzt. Der Platz kann so seine reprĂ€sentative Funktion verstĂ€rken, wĂ€hrend eine Freizeitfunktion dazu kommt. Die WasserflĂ€che von ca. 15 cm Tiefe kann - auf Wunsch - dem Spielen und Planschen dienen, wie auch der Beckenrand zum Sitzen. Die 1000 m2 FlĂ€che ist gross genug, um im Winter Eislaufen anzubieten.
Die Promenade der Herbert-von-Karajan-Strasse spannt sich neu zwischen dem Tiergarten und dem Wehrkanal mit angesiedelter Galerienwelt. Der Tiergarten und der Wehrkanal sind zwei krĂ€ftige, historische FreirĂ€ume, die den Rahmen dieses Ortes bilden und seine IdentitĂ€t seit ĂŒber einem Jahrhundert prĂ€gen. Sie strahlen die Kraft der Natur aus, wenn auch als gestaltete Stadtnatur. In Zukunft sollen sie zusammen mit dem Gesamtkunstwerk des Kulturforums gelesen werden. Die Baumarten dieser beiden FreirĂ€ume, wie Robinien und Eichen, werden als Baumallee fortgesetzt und fassen den Scharounplatz als Leere ein. Quer dazu bettet eine Sequenz von Baumtaschen die bestehenden RestflĂ€chen in das Raumsystem ein.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag besticht durch sein fein kalibriertes Volumen und die prĂ€zise Setzung im Stadtraum. Die dabei resultierenden AußenrĂ€ume schaffen eine entspannte Situation der einzelnen Architekturen im Stadtraum. Die prĂ€zise Setzung des Neubaus wird allerdings durch die Entfernung der geschĂŒtzten Platane » erkauft «; der Neuen Nationalgalerie wird mit einer respektvollen Distanz begegnet. Die zweiseitige Freistellung der St. MatthĂ€us-Kirche erlaubt eine logische Einbindung in den neu strukturierten Gesamtraum des Kunstforums. Die bestehenden Planungen zum Scharounplatz lassen sich auch mit dem vorliegenden Vorschlag umsetzen. Der vorgeschlagene Hochpunkt fungiert als Sichtzeichen in der Stadtlandschaft und wird im Beurteilungsgremium kontrovers diskutiert. Es stellt sich die Frage, ob ein Museumsneubau in der Stadtlandschaft des Kulturforums einzig mit der Idee eines Hochpunktes zur Sichtbarkeit gelangen kann . Die Bezugnahme auf Kirchturm, Staatsbibliothek, die HochhĂ€user des Potsdamer Platzes sowie die Philharmonie wird in dieser Form und Ambition nicht nachvollzogen.

Der Umgang mit der Topographie ist einfach und effizient konzipiert. Die durchlaufende Eingangssituation vom Scharounplatz hin zum neu geschaffenen Platz an der Neuen Nationalgalerie wird begrĂŒĂŸt. Allerdings wird eine Baumpflanzung und die Interpretation eines Stadtgartens in der vorgetragenen Art kaum mit der vorgesehenen Überdeckung möglich. Die dabei resultierende Verdeckung des Haupteingangs durch dichte Baumgruppen ist fraglich. Mit der Anordnung der erdgeschossigen Nebennutzungen entsteht eine zur Potsdamer Straße und zum Haupteingang der Staatsbibliothek unangemessene Situation.

Der Entwurf ist architektonisch sorgfĂ€ltig ausgearbeitet. Das Konzept mit einer öffentlichen Eingangsebene sowie darĂŒber- und darunter liegenden AusstellungsrĂ€umen ist plausibel und einfach in seiner Orientierung, leidet aber an einer zu herkömmlichen und konventionellen musealen Vorstellung.

Die Ă€ußere Anmutung der Fassaden wird vom Beurteilungsgremium als maßstabslos empfunden und lĂ€sst sich in dieser abstrakten , fast diagrammatischen Form vermutlich kaum umsetzen . Die AusstellungsrĂ€ume im Untergeschoss sind zweckmĂ€ĂŸig angelegt und ermöglichen durch das vorgeschlagene StĂŒtzenraster eine gute FlexibilitĂ€t. Die AusstellungsrĂ€ume im Obergeschosse sind dagegen durch statisch notwendige Wandscheiben gegliedert. Dies ergibt langfristig ein geringes Potenzial fĂŒr Anpassungen und damit verbunden wenig Spielraum fĂŒr kuratorisch motivierte VerĂ€nderungen. Die LichtfĂŒhrung der AusstellungsrĂ€ume wird prinzipiell mit Kunstlicht umgesetzt. Die Ausblicke im Obergeschoss sind attraktiv und als große Schaufenster vorstellbar.

Die Konstruktion als Massivbau mit zweischaliger Betonkonstruktion ist nachvollziehbar und ermöglicht eine dauerhafte und langfristig werthaltige Fassadenkonstruktion.

Insgesamt liegt das Projekt im Gesamtvergleich bei der BruttogrundflĂ€che unter dem Durchschnitt und bei der NutzflĂ€che nahe am Orientierungswert. Dies lĂ€sst auf eine gute FlĂ€cheneffizienz und angemessene VerkehrsflĂ€chen schließ en. Das Projekt liegt im Kostenvergleich bei den gĂŒnstigsten unter den eingereichten EntwĂŒrfen .

Anmerkung der Denkmalpflege: WÀhrend die kompakte quadratische Sockelbebauung des Museumskomplexes die umgebenden Baudenkmale und wichtige Blickbeziehungen freihÀlt bzw. freistellt, schwÀcht der als eine Art Landmarke gesetzte Ausstellungsbau die stÀdtebauliche PrÀsenz der umgebenden Baudenkmale und verbaut die Sichtachse vom Potsdamer Platz auf den Turm der St.-MatthÀus-Kirche.