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Studienauftrag (Varianzverfahren) | 02/2017

Wohnen "Studio Basel Bruderholz"

1. Preis

Morger Partner Architekten AG

Architektur

Fontana Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

Der Ort
Basels sĂŒdlichstes Quartier „Bruderholz“ ist durch seine Nordabdachung eines knapp 100 Meter hohen HĂŒgelzuges, der sich mehrere Kilometer sĂŒdwĂ€rts zieht, vom Rest der Stadt abgegrenzt. Die ursprĂŒngliche Wiesen- und Ackerlandschaft entwickelte sich seit dem durch den Grossrat anfangs des 20 Jh. genehmigten generellen Strassenplan bzw. Planungs- und Realisierungskonzept zu einem bedeutenden Wohnviertel. Das verschlungene und kurvenreiche, der Topographie angepasste Strassennetz zeichnet sich in Anlehnung an die Gartenstadtidee durch eine lockere Bebauungsstruktur aus. ReiheneinfamilienhĂ€user, EinfamilienhĂ€user und reprĂ€sentative Villen mit viel Frei- und GrĂŒnflĂ€chen und parkĂ€hnlichen GĂ€rten charakterisieren den Lebensstil der Bewohner. Im fortlaufenden Verdichtungsprozess entstanden u.a. Grosssiedlungen, Schulen, Kirchen und 1940 das Radio Studio Basel. Seit ungefĂ€hr 40Jahren erfolgen punktuelle Verdichtungen durch den Abriss von EinfamilienhĂ€user und Villen mit MehrfamilienhĂ€usern.

Die architektonische Idee
Inspiriert von der in der unmittelbaren Umgebung vorherrschenden Siedlungstypologie der ReiheneinfamilienhĂ€user, die in der Regel um die Tiefe eines Vorgartens von der Strasse zurĂŒckweichen, schlagen wir entlang der SchĂ€ublin- und der Marignanostrasse je einen drei- geschossigen Zeilenbau vor. Diese wiederum passen sich in der Höhenstaffelung wie auch in der Geometrie der Grundrissfigur mimetisch den morphologischen und topografischen Gegebenheiten an. Die in steilerem GelĂ€nde stehende Ostzeile passt sich ĂŒber ein Split-
Level-System dem Terrain an, die in flacherem GelĂ€nde stehende Westzeile ĂŒber eine Höhendifferenz der Geschossplatten an den jeweiligen WohnungstrennwĂ€nden. Die beiden Baukörper folgen den parallel zu den Strassen verlaufenden Baulinen. Die aus dem Kontext konzipierten Baukörper werden in ihrer LĂ€ngsstruktur stark gegliedert, um der MassstĂ€blich- keit bzw. der Parzellenstruktur der umgebenden Bauten mit Respekt zu begegnen. Die daraus abgeleitete Rhythmisierung der Baukörper bestimmt in enger gegenseitiger Zuordnung die Struktur, Typologie und Orientierung. Zwischen den Zeilen entsteht ein grosser zusammen- hĂ€ngender GrĂŒnraum, der sich nun durchgehend vom nördlichen bis zum sĂŒdlichen Zusammenschluss der beiden ansonsten parallel verlaufenden SchĂ€ublin- und der Marignanostrasse ausdehnen kann.

Die Typologie der Wohnung
Die nord-sĂŒd gerichteten Zeilen ermöglichen ost-west orientierte Wohnungen. Die Ă€usseren Rahmenbedingungen entlang der Zeile bleiben konstant dieselben. In logischer Konsequenz dieser Erkenntnis und verbunden mit der Tatsache der relativ geringen Anzahl von Wohnun- gen, scheint uns die Entwicklung eines einzigen allgemeingĂŒltigen Typus, der sich aus den charakteristischen Gegebenheiten des Ortes ergibt, sinnvoller als eine Vielfalt von unter- schiedlichen Typen. Durch die Ausarbeitung einer spezifischen rĂ€umlichen Disposition in Verbindung mit einer differenten Orientierung der einzelnen RĂ€ume verschaffen wir der Wohnung eine grosse Offenheit bei gleichzeitiger IntimitĂ€t. Der weite Ausblick in den Land- schaftsraum wird ergĂ€nzt mit dem unaufdringlichen Einblick in die eigenen LebensrĂ€ume. Die Typologie der Wohnungsgrundrisse ist charakterisiert durch zwei Raumsysteme. Nicht die Struktur an sich, sondern vielmehr die RĂ€umlichkeit, die GrosszĂŒgigkeit und Wohnlichkeit sind Themen die von Interesse sind. Indem das Treppenhaus und die IndividualrĂ€ume zusammen mit den FunktionsrĂ€umen (Vorraum, Badzimmer, WC, Dusche und Reduit) in Form kompakter Sequenzen angeordnet sind, bietet sich die Möglichkeit, die KollektivrĂ€ume (KĂŒche, Wohn- und Esszimmer und Loggien) als grosszĂŒgiges Raum-kontinuum ineinander fliessen zu lassen. Die rĂ€umliche KontinuitĂ€t wird durch die beidseitig angeordneten Loggien ĂŒber die Klimagrenze hinaus fortgesetzt. Dank der transparenten Grundrissgestaltung der KollektivrĂ€ume erleben die Bewohner intensiv das Wechselspiel von Licht und Schatten, von völlig verschiedenen Raumseiten und von Ausblicken in alle Himmelsrichtungen. Die parkartige Landschaft durchdringt den Baukörper und wird essentieller Teil der inneren Raumerfahrung. Durch die kammerartige Ausbildung der IndividualrĂ€ume wird gleichzeitig ZurĂŒck- gezogenheit und Geborgenheit ermöglicht. Die Kultur der individuellen Bewohner bedingt eine Differenziertheit der Wohnungen. Auf den ersten Blick scheint dies im Widerspruch zur ausgearbeiteten Wohnungstypologie zu stehen. Bei einer genauen Betrachtung können sich jedoch aus diesem einen Thema feine Variationen und Interpretationen formen. So können zum Beispiel die KĂŒchen oder einzelne IndividualrĂ€ume durch den Einbau bzw. Wegfall von TĂŒren (Dreh- oder SchiebetĂŒren) entweder dem offenen Raumsystem zugehörig sein oder aber als abgetrennte RĂ€ume Verwendung finden. Die Typologie der Wohnung ist im Innern wie in der Beziehung zum Aussenraum so vielfĂ€ltig gestaltet, dass sich der Bewohner mehr in einem „Bungalow“ als in einer normalen Wohnung zu Hause fĂŒhlt.

Der architektonische Ausdruck
Die unmittelbar in der Umgebung vorzufindenden verschieden langen Zeilenbauten zeichnen sich aus durch eine repetitive Aneinanderreihung nahezu identischer und in der Erscheinung Àusserst einheitlicher EinfamilienhÀuser. Unsere kontextuelle Vorgehensweise findet auch im architektonischen Ausdruck eine analoge Haltung.
Die Wohnung zeichnet sich durch eine offene (GemeinschaftsrĂ€ume) und eine geschlossene (IndividualrĂ€ume) Sequenz aus. Diese strukturelle Gliederung bestimmt die Komposition der Fassaden. Homogene, geschlossene FassadenwĂ€nde aus Klinkersteinen wechseln sich ab mit tiefen, offenen, aus Holz konstruierten Fenster-Loggia-Partien. Der Rhythmus wird ĂŒberlagert von einer allseitigen differenten Staffelung. Die ondulierenden Baukörper verzahnen sich eng mit dem GrĂŒnraum. Der neuen Baumreihen in den VorgĂ€rten entlang der
SchĂ€ublin- aber auch der Marignanostrasse bestehen aus verschiedenen Birkenarten (Birken, SĂ€ulenbirken und mehrstĂ€mmige Birken) und erinnern in ihrer Gestaltung an den Charakter des heutigen Strassenbildes. DarĂŒberhinaus entsteht durch die direkte NĂ€he und Positionierung der Birken mit ihren besonders auffĂ€lligen weichen Rinden/Borken, deren Farben von fast schwarz ĂŒber hellbraun bis weiss reichen und den Klinkersteinen der Fassaden eine mimetische Verbindung. Zwischen Haus und Garten entsteht eine symbiotische Beziehung.

Freiraum
Gestalterisch, ökologisch und stĂ€dtebaulich knĂŒpft das Aussenraumkonzept an die Ausgangslage des Bestandes an und schafft ein begehbares Bild: Einen durchgĂ€ngigen und durch die Anwohnenden nutzbaren Ort, der vom Wasser geprĂ€gt ist. Einen Ort, der ohne Menschen als attraktive Aus- und Ansicht mit hohem stadtökologischen Wert funktioniert, der aber auch Nutzung ermöglicht und vertrĂ€gt.
Im Zentrum des Innenhofes liegt das neue Biotop, dessen Entwicklung mit wenigen, gezielten Initalpflanzungen angestossen wird. Rundum entsteht eine grĂŒne Welt aus vielfĂ€ltigen, hohen GrĂ€serflĂ€chen, die das Bild von Schilfstreifen in gestalterischer Adaption an die stĂ€dtische Situation nachzeichnen und in ihrer Höhe raumbildend wirken. Eine Vielzahl heimischer BĂ€ume auf nicht unterkellertem Grund bietet Lebensraum und Schatten. Die Kronen von Erle, Birke und Föhre ĂŒbernehmen die raumbildende Funktion auf der Ebene der oberen Geschosse – auch im Sinne der PrivatsphĂ€re in den sich gegenĂŒberliegenden HĂ€userzeilen. Die BĂ€ume sind in der Artenzusammensetzung ein angemessener und in der Zahl ein grosszĂŒgiger Ersatz fĂŒr den wertvollen Baumbestand. Kieswege fĂŒhren durch diese Hoflandschaft und erschliessen Sitzgelegenheiten und den Kleinkinderspielplatz. GrosszĂŒgige Loggien blicken auf den Aussenraum. Sie bieten genĂŒgend Platz fĂŒr den Bedarf im Alltag, was einer ĂŒbermĂ€ssigen Nutzung des Hofes entgegenwirkt, ermöglichen aber mit TreppenabgĂ€ngen dennoch Zugang zur gemeinschaftlichen Mitte. Der Ort strahlt Ruhe und NatĂŒrlichkeit aus, die AtmosphĂ€re ist die eines stĂ€dtischen Naturgartens mit raschelnden GrĂ€sern, knirschendem Kies und Libellensummen.
Auch auf den Loggien zu den Strassen hin ist diese AtmosphĂ€re spĂŒrbar: GrĂ€serflĂ€chen fassen und schĂŒtzen die AussenrĂ€ume und knĂŒpfen an das Bild im Hof an. Rund um die Loggien schĂŒtzt das höhere Chinaschilf die PrivatsphĂ€re, davor stehen in niedrigeren Hain- simsenflĂ€chen, kleine Birkengruppen verschiedener Sorten und Wuchsformen. Diese lokale, spezifische Adaption des klassischen Vorgartenmotivs schafft eine unverwechselbare IdentitĂ€t, ohne dabei aus dem Rahmen der Umgebung zu fallen. Im Spiel der Vorgarten- struktur und der zarten Birken vor den Ziegelfassaden lebt das alte Strassenbild in neuer, frischer Form wieder auf.

Beurteilung durch das Preisgericht

Inspiriert von den Reihenhaussiedlungen der vorherrschenden Siedlungstypologie in der Umgebung, schlagen die Verfasser zwei typologisch gleiche, dreigeschossige Zeilenbauten vor. Diese sind prĂ€zise in die Topographie des GrundstĂŒcks eingepasst. Die identisch wirkenden Zeilenbauten werden in der LĂ€ngsstruktur gegliedert, einerseits durch ein Split-level System, andererseits mittels Höhendifferenzen der Geschossdecken.
Die Grundrisse sind raffiniert ineinander verschachtelt und ĂŒberlagert, sodass die einzelnen „HĂ€user“ nicht mehr ablesbar sind. Durch Vor- und RĂŒcksprĂŒnge derselben wird dies zusĂ€tz- lich verstĂ€rkt. Das Bild der repetitiven Aneinanderreihung nahezu identischer und in ihrer Ă€usseren Erscheinung als ReiheneinfamilienhĂ€user erkennbaren Wohneinheiten „widerspre- chen“ scheinbar dem Grundriss der einzelnen Wohnungen. Im LĂ€ngsschnitt sind diese Höhendifferenzen topographisch bedingt. Sie zeigen ein komplexes System von Überlagerungen, die je nach Situation in den Wohnungen im dritten Obergeschoss und im Parkhaus ĂŒberhöhte RĂ€ume generiert. In den Untergeschossen fĂŒhrt dies zu allzu grossen Bauvolumen.
Der dem Entwurf zugrunde liegende manipulierte Kreuzgrundriss generiert verschiedene Zuordnungen der RĂ€umlichkeiten. Es entstehen interessante Wohnungszuschnitte, die je durch nischenhafte TagesrĂ€ume und den lateral angeordneten, abtrennbaren SchlafrĂ€umen gekennzeichnet sind. GrosszĂŒgig erlebbare Raumsequenzen, Nischen und Durchsichten sind die rĂ€umlichen QualitĂ€ten der Wohnungen. Dabei ist die KĂŒche einmal im Westen und einmal im Osten angeordnet. Die eingezogenen Loggien liegen einmal zur Strasse, einmal zum Gartenraum. Das Wechselspiel von Morgen- und Abendlicht wird dadurch bei jeder Wohnung auch aussenrĂ€umlich erlebbar gemacht; eine kleine Erfindung, die die PrivatsphĂ€re der einzelnen Wohnungen unterstĂŒtzt.
Alle HĂ€user sind ĂŒber Wege zum Park erschlossen und sind gross genug, um FahrrĂ€der und KinderwĂ€gen oder ev. einen Gemeinschaftsraum unterzubringen.
Die zwei Zeilen spielen einen Gartenraum frei, der sich nahtlos in die Umgebung einfĂŒgt. Dessen Kleinstrukturiertheit steht im Massstab der umgebenden GĂ€rten und schafft ein differenziertes Bild, das es zu pflegen gilt und entscheidend sein wird fĂŒr den Erfolg der Siedlung. Zweifel bestehen in der Gebrauchstauglichkeit des Bildes. Es soll nicht nur schön sein, sondern auch ein lebendiger Ort werden. Das feine Wegsystem verwebt die einzelnen Zellen der Zeilen sinnvoll miteinander. WĂŒnschbar ist zudem eine stĂ€rkere Anbindung an das Quartier. Der Übergangsbereich zur Novarastrasse bietet das Potenzial, hier einen Mehrwert fĂŒr das ganze Quartier zu schaffen.
Der Entwurf zeigt ein komplexes System, welches architektonisch kraftvoll und prĂ€sent im Quartier ein ruhiges Gesamtbild schafft, das zu ĂŒberzeugen vermag. Die grosse Kollektivform und das individuelle Wohnen passen hervorragend ins Quartier Bruderholz.
(aus dem Jurybericht)
Situation

Situation

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Obergeschoss

Obergeschoss

Wohnungstyp

Wohnungstyp

Wohnungstyp

Wohnungstyp

LĂ€ngsschnitt/Ansicht

LĂ€ngsschnitt/Ansicht

Querschnitt/Ansicht

Querschnitt/Ansicht