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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2017

Wohnen am Candidplatz

Gesamtsicht von Norden

Gesamtsicht von Norden

1. Preis

nbundm* neuburger, bohnert und müller, Architekten BDA und Stadtplaner, Part mbB

Architektur

OK Landschaft I Andreas Kicherer

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

- Untergiesing - Charakter und Identität
Der Stadtteil Untergiesing liegt am Fuße der Isarhangkante zwischen Auer Mühlbach und Isar. Die Nord-Süd verlaufenden Grünräume werden im weiteren Planungsbereich von zwei Verkehrsschneisen, der Bahnlinie und dem Abschnitt des Mittleren Rings gekreuzt.
Städtebauliche geprägt ist der als klassisches Arbeiterviertel betitelte Stadtteil von Blockbauweise und Großwohnanlagen mit ansprechender und identitätsstiftender Architektursprache. Die Blockstruktur ist an einigen Stellen auf Grund von Kriegszerstörungen durch Zeilenbauweise aufgelöst, was eine räumlich interessante Öffnung der Blöcke zu ihrem Umfeld ermöglicht, eine Qualität, die auch auf dem zu überplanenden Grundstück beobachtet werden kann.

- Wohnen in der Stadt
Der Entwurf sucht eine Antwort auf den Charakter und die Qualitäten vor Ort. Er will „Wohnen in der Stadt“ mit einer gewissen Normalität abbilden, auch wenn den Gegebenheiten der Aufgabe bezüglich Lärm- und Immissionen besonders Rechnung zu tragen sind. Trotz alle dem will der Entwurf keine Lärmschutzwand ohne Öffnungen sein, sondern Teil eines städtischen Wohnblocks, identitätsstiftend und adressbildend für seine Bewohner und das Baufeld.
Dabei gilt es auch die Qualitäten der Lage mit Besonnung von Süden und Alpenblick aus den obersten Stockwerken herauszuarbeiten.

- Konzept Städtebau
Der Entwurf schließt U-förmig den Block und schafft dadurch eine bestmögliche Schallschutzmaßnahme für die dahinterliegende Wohnbebauung. Ein Hochpunkt am Candidplatz markiert den Wettbewerbsumgriff und gibt ihm eine Adresse im städtischen Gefüge.
Die bewusst als Großform modellierte Baumasse ist durch Vor- und Rücksprunge vertikal gegliedert und derart strukturiert, dass einzelne Häuser und Adressen der Hauseingänge ablesbar sind. Es bilden sich insgesamt 5 Häuser ab, 3 identische Häuser zur Candidstraße und jeweils ein Eckhaus zum Candidplatz bzw. zur Agilolfingerstraße. Im Übergang zur nördlichen Bebauung treppen sich die Häuser auf 6 Geschoße ab. Der Hochpunkt, der auch mit mehr als 11 Geschoßen noch städtebaulich vertretbar wäre, vermittelt dabei zwischen der 8-geschoßigen Bebauung an der Candidstraße und den 6-geschoßigen Bestandsbauten.
Zusammen mit den bestehenden Solitärbauten am Candidplatz bildet er eine Art Stadteinfahrt nach Untergiesing.

- Freiflächen
Die Dichte der Wohnflächen führt zu einer Überlagerung, Vernetzung und Verknüpfung von Freirauminhalten. Auf diese Weise entsteht eine Art grüner „shared space“, ein Raum voller Möglichkeiten für die dort lebenden Menschen. Kleine Plätze vor den Hauseingängen stehen im Wechsel mit Gemeinschaftsgärten, Spielstationen, Rasenflächen und unterschiedlichen Gehölzen.
Bäume schützen vor Einblicken und sorgen für Orte des Aufenthalts und Rückzugs.
Alle Hauseingänge liegen an einem Wohnweg, der Plätze und Orte anbietet und den Wohnhof mit der Umgebung verbindet. Über Durchgänge im Neubau ist der Innenbereich an die Agilolfinger Strasse und die Hans-Mielich-Straße angeschlossen.

- Wohnqualität
Durch die städtebauliche Konstellation entsteht ein geschützter Innenhof, zu dem alle nahezu Wohnungen und privaten Freibereiche orientiert sind. Dabei wurde auch darauf geachtet, daß alle Kinderzimmer zum ruhigen Hof orientiert sind. Die Treppenhäuser besitzen einen direkten Zugang zum Innenhof. Auf Grund der Ausrichtung nach Süden und der Höhe der Bebauung besitzen die größeren Wohnungen eine Wohnküche nach Süden, aus den obersten Geschoßen sind bei Fön die Alpen sichtbar.

- Belichtung
Auch die Hoffassade ist vertikal durch Vor- und Rücksprünge gegliedert. Die Form resultiert aus der Maßnahme, alle Zimmer und Loggien zum Hof derart zu orientieren, daß diese jeweils über Eck aus zwei Himmelsrichtungen belichtet werden und somit einer reinen Nordorientierung entgegenwirken.

- Abstandsflächen
Dabei weicht die Hoffassade gegenüber der Köpfen den nördlichen anschließenden Zeilen zurück, um eine Belichtung gem. 45 Grad-Regel zu gewährleisten. Auch der Hochpunkt am Candidplatz hält die Abstandsfläche nach 45 Grad-Regelung ein. Lediglich im EG gegenüber des westlichsten Zeilenkopfes kommt es zu ungünstigeren Verhältnissen. Dort sind alternativ zu Wohnnutzungen auch Gemeinschaftsräume etc. denkbar.

- Flexible Wohnmodelle innerhalb des Hauses
Die Häuser sind strukturell so aufgebaut, daß sich Wohnungsgrößen, Wohnungsmix, Wohnmodelle etc. individuell und flexibel anpassen lassen. Dies wird zum einen durch Schaltzimmer, zum anderen durch die flexible Grundrisseinteilung und Zimmerorientierung ermöglicht.
Alle Wohnungen verfügen über eine Eingangsdiele, die sie vom Treppenhaus abschirmt. Die Küchen lassen sich teilweise auch abgetrennt nachweisen, kein Kinderzimmer ist nach Norden orientiert.
Die dargestellte Gesamtkonstellation lässt sich, wie oben erklärt, beliebig anpassen und variieren.

- EOF, Barrierefreiheit und rollstuhlgerechte Wohnungen
Alle Wohnungen entsprechen den Förderbestimmungen von gefördertem Mietwohnraum nach EOF. Der Wohnungsmix ist gem. den Anforderungen eingestellt, lässt sich aber, wie obenbeschrieben, beliebig variieren. Die Treppenhäuser ermöglichen einen barrierefreien Zugang zu sämtlichen Wohnungen und sonstigen Nutzungen. Alle Wohnungen (bis auf die Hochparterre Wohnungen im EG) können barrierefrei realisiert werden. Der Nachweis zu rollstuhlgerechten Wohnungen ist in den Konzeptgrundrissen geführt.

- Erdgeschoß mit Kindertagesstätte und Gewerbe
Im Erdgeschoß sind jeweils in den westlichen und östlichen Eckhäusern die Sondernutzungen integriert. Die Kindertagesstätte besitzt einen separaten Eingang von der Agilolfingerstraße. Sie schiebt sich in den ruhigen Innenhof und passt sich formal an die Freiflächengestaltung an, wird somit zum Teil des Hofes.
Ebenso schiebt sich die Gewerbenutzung und TG Abfahrt in den Hof. Der Eingang der Gewebeeinheit wird durch den Rücksprung an der Ecke Candidstraße – Hans-Mielich-Straße akzentuiert. Mit seinem Außenbezug wird er Teil des Candidplatzes.
Ansonsten sind im Erdgeschoß zur Candidstraße Fahrrad- und Müllräume integriert, zum Hof so weit es geht, Wohnnutzung.

- Tiefgarage und Stellplatznachweis
Die Einfahrt zur TG von der Hans-Mielich-Straße ermöglicht eine Anordnung der TG direkt unter bzw. entlang der Neubauten. Der restliche Hof mit Baumbestand bleibt somit unangetastet und aufwendige Baugrubensicherung entlang der Bestandsgebäude können eingespart werden.
Gemäß Stellplatznachweis sind bei 174 WE nach EOF x 0,6 ca. 104 Stellplätze zuzüglich 31 STP aus der Nachbarbebauung nachzuweisen, in Summe also 135 Stellplätze.
Diese lassen sich in der TG realisieren, wenn man zum Beispiel Duplexparksysteme einsetzt. Dabei lassen sich die überhohen Bereiche auf der südlichen Seite der TG zum Beispiel die Systeme der Fa. Wöhr (Parkbox 401 oder Parklift 411-2,6) einbauen, auf der nördlichen Seite z.B. Fa. Wöhr Parklift 340 mit Grube.
Es stünden somit 77 Doppel-Stellplätze, also insgesamt 144 STP zur Verfügung.

- Fahrradstellplätze
Die Fahrradstellplätze können an verschiedenen Stellen nachgewiesen werden. In den Freiflächen Hof sind 72 STP integriert, im EG entlang der Candidstraße könne Fahrradräume mit Duplexparksystem und insgesamt ca. 120 STP nachgewiesen werden. Zusätzlich befinden sich in der TG 41 STP und ein großer Fahrradraum mit Duplexparksystem und nochmals 120 STP. Somit sind insgesamt 353 Fahrradstellplätze nachgewiesen.

- Brandschutz, Flucht- und Rettungswege, Feuerwehraufstellflächen
Die Feuerwehraufstellflächen im Hof sind nachgewiesen, über diese sind nahezu alle Wohnungen anleiterbar, so dass lediglich das Eckhaus Agilolfingerstraße von außen angeleitert werden muß.
Dies ermöglicht auch eine entsprechende Ausbildung der Fenster zur Einhaltung des Schallschutzes zur Candidstraße. Das Hochhaus zum Candidplatz besitzt zwei bauliche Rettungswege.

- Materialität und Erscheinung Candidstraße
Die Bebauung soll einen, der städtebaulichen Situation angemessenen, robusten Eindruck erwecken. Die Grundkonstruktion ist in STB ausgeführt, auch um dem Schallschutz genüge zu tun. Die Dämmung ist mit glasierten Keramikfliesen bekleidet. Dies unterstützt zum einen die Schallmaßnahmen, zum anderen lassen sich die Flächen gut reinigen. Horizontal sind die Gebäude mit durchlaufenden STB-Fertigteilgesimsen bekleidet, die korrespondierend zu den Keramikfliesen eingefärbt sind.

- Materialität und Erscheinung Innenhof
Zum Innenhof sind die Gebäude weitgehend aufgeglast. Dabei ist die horizontale Bänderung mit STB-Fertigteilen von der Straßenseite übernommen. Die Loggien sind mit einer flexiblen Verglasung denkbar, die den privaten Freiraum je nach Witterung oder Wunsch nach Privatsphäre zum Innenraum oder Außenraum zuschlagen lassen.

- Schall- und Immissionsschutz
Gemäß dem städtebaulichen Konzept wird die Candidstraße komplett achtgeschossig und geschlossen bebaut, was den bestmöglichen Schall- und Immissionsschutz für das dahinterliegende Quartier bietet.
Um die bereits angesprochene städtische Normalität abzubilden und auch die Qualitäten der Lage für die Wohnungen (Sonne von Süden und Blick Richtung Alpen aus den obersten Geschoßen) zu ermöglichen, werden ungünstige Gegebenheiten mit den weiter beschriebenen Maßnahmen kompensiert.
Als erste Maßnahme reduziert die Gliederung der Fassade ein Aufschaukeln des Schalls und Mehrfachreflexionen entlang der Candidstraße auf ein verhältnismäßiges Minimum.
Es wird eine Lochfassade mit schwerer, hochschalldämmender opaker Konstruktion (20cm Stahlbeton zzgl. Dämmung und Riemchen bzw. vorgehängte STB-Fertigteile), vorh. Schalldämmmaß R’W,R ≥ 55 dB vorgeschlagen. Es wird darauf geachtet, dass die Dämmung die Schalldämmung der Massivwand nicht verschlechtert (mineralische Dämmung, auch positiv für Brandschutz).
Für die hoch lärmexponierte Südfassade kann nachgewiesen werden, dass mit Fenstern der Schallschutzklasse 5 (SSK 5, RW,F > 47 dB) Rauminnenpegel tags von 35 dB und nachts von 25 dB erreicht werden können. Damit ist mit einer mechanischen Zu- und Abluft (keine Fensterlüftung erforderlich) eine ausreichende Lärmabschirmung gewährleistet. Die Lüftungsanlage empfiehlt sich auch auf Grund der überaus kritisch zu bewertenden lufthygenieschen Verhältnisse.
Der Fensterflächenanteil zu den nordorientierten Straßenseiten ist aus thermischen und schalltechnischen Gründen auf < 30 % begrenzt.
Die Fenster können zu Reinigungszwecken geöffnet werden, die Prallscheibe lediglich bei Wohnungen mit notwendiger Anleiterbarkeit über die Candidstraße.
Für die Hoffassaden sind Fenster der Schallschutzklasse 3-4 mit RW,F = 35-39 dB bzw. RW,F = 40-44 dB erforderlich.

- Thermische Bauphysik
Planungsgrundlage ist der KFW-Effizienzhaus-Standard 70 nach EnEV-2016.
Es werden alle unvermeidlichen Wärmebrücken thermisch optimiert ausgelegt (hochwertige Isokorbkonstruktionen, Flankendämmungen etc.).
Bei den Fensterflächenanteilen an den Wohnfassaden ist eine 3-fach-Verglasung mit außenliegendem Sonnenschutz erforderlich bzw. empfehlenswert. Auf Grund der mechanischen Lüftungsanlage wäre es denkbar, ggf. nur eine Zweifachverglasung einzusetzen (Komfort/ Wirtschaftlichkeitsabwägung).
Den sommerlicher Wärmeschutz gewährleistet die außenliegende Verschattung an allen Fassaden.
Das EEWärmeG (erneuerbares Energienwärmegesetz) wäre mit der Fernwärme München automatisch erfüllt.

Beurteilung durch das Preisgericht

„Unter dem Motto „Wohnen in der Stadt“ findet diese Arbeit eine selbstverständliche Lösung, an diesem Ort mit den Emissionen umzugehen und gleichzeitig Wohnqualität zu erreichen. Städtebaulich wird der Hof konsequent mit fünf ablesbaren Häusern und einem Hochpunkt an der Hans-Mielich-Straße gefasst, um dem Lärmschutz zu entsprechen. Hofseitig wird eine gestaffelte Fassade vorgeschlagen, die mit ihren Vor- und Rücksprüngen sehr geschickt auf den Wohnungsbestand reagiert und angenehme Freiräume bildet.

Gleichzeitig entstehen für die Wohnungsgrundrisse gute Belichtungsmöglichkeiten zusätzlich von Osten und Westen. Die geschwungene Fassadenabwicklung bietet eine differenzierte Anordnung von Balkonen und Loggien.

Den vorhandenen Wohngebäuden wird eine abwechslungsreiche und spannende Fassade gegenüber gestellt. Die bewegte Formensprache spiegelt sich in der Freiraumgestaltung wider. In den Nischen der Rasenflächen fügen sich kleinräumig die notwendigen Spielflächen ein.

Die Wegeverbindung durch das Quartier erscheint schlüssig und hält einen sinnvollen Abstand zu den angrenzenden Wohnungen im Erdgeschoss ein. Die Lage der Tiefgarage direkt unter dem Gebäude ermöglicht den bestmöglichen Schutz des Baubestandes. Die Fassade zur Candidstraße folgt mit dezenten Vor- und Rücksprüngen dem Straßenverlauf.

In gleicher Weise wird auch die Ansicht des Hochpunktes gegliedert. Die Materialität mit Klinkerriemchen, die durch horizontale Bänder akzentuiert sind, wird positiv diskutiert. Auf diese Weise entsteht eine ausgewogene, fein strukturierte Ansicht zum Stadtraum hin.

Die Wohngebäude sind als Vierspänner organisiert, die Grundrisse weisen eine gute Funktionalität auf. Die durchgesteckten Wohnungen haben allerdings auch Aufenthaltsräume zur Straße hin.

Dem Lärmschutz wird Rechnung getragen, dies könnte aber auf Grund der Größe der Fenster aufwendige Konstruktionen erfordern.

Die Zufahrt zur Tiefgarage wird mit ihrer Situierung an der Hans-Mielich-Straße kontrovers diskutiert, auch funktional weist die Tiefgarage Probleme auf. Die Überbauung des Kanals ist in dieser Form schlecht möglich. Die städtebaulichen Kennwerte liegen im mittleren Bereich.

Insgesamt stellt diese Arbeit einen individuellen Beitrag dar, der eine schlüssige, qualitätsvolle Lösung für diesen Ort vorschlägt“.
Blick Candidplatz

Blick Candidplatz

Blick in den Innenhof

Blick in den Innenhof

Lageplan

Lageplan

Licht, Sonne, Ausblick - Konzept Gesamtform

Licht, Sonne, Ausblick - Konzept Gesamtform

Grundriß Regelgeschoß

Grundriß Regelgeschoß

Fassadenausschnitt Südfassade Candidstraße

Fassadenausschnitt Südfassade Candidstraße

Entwurfsskizze

Entwurfsskizze