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Offener Wettbewerb | 09/2020

Aufstockung der Landesgeschäftsstelle der Architektenkammer Rheinland-Pfalz in Mainz

2. Preis

Preisgeld: 3.750 EUR

Hille Tesch Architekten + Stadtplaner PartGmbB

Architektur

TRAGRAUM Ingenieure PartmbB

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Vorbemerkung

Leitidee der Planung ist eine sensible, aber selbstbewusste Aufstockung der Landesgeschäftsstelle der Architektenkammer Rheinland-Pfalz in Mainz.


Städtebauliches Konzept

Äußeres Symbol der „schwebenden“ Aufstockung ist die vorgehängte, gefaltete Fassadenkonstruktion, die dem Gebäude eine eigenständige Prägung verleiht. Diese Prägung drückt sich aus durch die transluzente / transparente Fassadengestaltung, die von außen Sicht- und Sonnenschutz bietet, aber von innen eine offene und luftige Raumatmosphäre bietet.


Gebäudekonzept

Die Aufstockung wird durch eine abgelöste Fuge an den Bestand angeschlossen. Über eine offene Verteilerzone im Bestand mit Besprechung, Teeküche und Kopierraum erreicht man die Erweiterung mit dem Sekretariat und den angeschlossenen Büros der Geschäftsführung. Ein dazwischenliegender „think tank“ verbindet mit den weiteren Arbeitsbereichen, die aufgrund der gewählten Konstruktionsart und der Raumanordnung flexibel organisiert und genutzt werden können. Je nach Bedarf können sowohl weitere Einzelbüros als auch unterschiedliche Formen von Gruppenraumbüros angeboten werden.
Die Inneren Wände dienen zur akustischen Abtrennung und zum Teil als Stauraum und können je nach Bedarf transparent oder transluzent ausgebildet sein.

Die vorhandene Stahlbetonaufkantung der Dachkonstruktion dient im Innenbereich zur Integration der Haustechnik, als Stauraum, zur Innenraumbegrünung und als Sitzmöglichkeit.
Im Bereich des Übergangs zwischen Bestand und Aufstockung verbindet eine Rampe den geringen Höhenunterschied zwischen Alt und Neu. In diesem Bereich ist eine Brandschutztür integriert die nur im Bedarfsfall schließt.


Tragwerk / Konstruktion / Material

Das Tragwerk der Aufstockung ist als leichte Stahlholzkonstruktion konzipiert, die die Erweiterung stützenfrei mit einem Trägerrost überspannt. Der Trägerrost ist mit Rechteckhohlprofilen 250x150 konstruiert und kann in 4 Elementen vorgefertigt werden, die Eindeckung erfolgt mit oberflächenfertigen Furniersperrholzplatten und Oberlichtern. Die Furniersperrholzelemente sind durch Lochungen akustisch aktiviert.
Die Fassadenstützen, die den Trägerrost tragen, stehen auf der bestehenden Stahlbetonaufkantung.
Die Aussteifung der Aufstockung erfolgt über den scheibenartig ausgebildeten Anschluss an das Bestandsgebäude, so dass die Fassadenstützen schlank als Pendelstützen ausgebildet werden können.

Der Bodenaufbau der Erweiterung erfolgt mit leichtem Trockenestrich, so dass die Bestandsdecke, die bisher die Dachbegrünung getragen hat, die neue Nutzung ohne zusätzliche Verstärkungen tragen kann.
Die Vergleichsrechnung zur Stahlbetonkonstruktion des Bestandes zeigt zusätzlich, dass auch die vorhandenen Stützen unter Ansatz der zum Zeitpunkt der Errichtung üblichen Mindestbewehrungen die Aufstockung ohne Verstärkungen tragen können.
Nur die vorhandenen Randunterzüge werden höher beansprucht. Diese sind hinsichtlich der tatsächlich eingebauten Bewehrung weiter zu untersuchen und gegebenenfalls durch von außen angeordnete Stahllaschen zu verstärken.

Vor der raumabschließenden Fassade ist als Sicht- und Sonnenschutz eine feststehende Textilmembrankonstruktion angeordnet, die über an den Attiken und Fassadenstützen angeschlossene Kragträger gehalten wird. Der polygonal verlaufende obere und untere Rand der Membranflächen ist durch ein torsionssteifes Stahlhohlprofil versteift an dem die Kederschiene der Membran angeschlossen ist, die Grate der Membran sind mit Randseilen verstärkt. Auf Grund der geringen Größe der Teilflächen und der nicht primär lastabtragenden Funktion können die Flächen mit geringen Krümmungen realisiert werden.
Das klar strukturierte und leichte Tragwerk und der hohe Vorfertigungsgrad bietet sowohl eine robuste wie auch wirtschaftliche Bauweise mit minimierter Bauzeit.

Die Möbel im Innenausbau sind als lasierte Furniersperrholzmöbel in Kombination mit weißen Schichtstoffplatten gedacht. Raumhohe Türelemente mit flächenbündigen Türzargen unterstreichen den klaren und ruhigen Raumeindruck. Als Fußbodenbelag dient ein geschliffener und versiegelter Estrich.

Bearbeiter

Hille Tesch Architekten + Stadtplaner PartGmbB, Ingelheim
Dipl.-Ing. Architekt + Stadtplaner BDA dwb Marcus Hille · M.A. Architekt Fabrice Tesch
Mitarbeit: Hannah Tesch · Frederik Fandel · Kai Giesler

TRAGRAUM Ingenieure, Nürnberg
Dr.-Ing. Alexander Hentschel
Mitarbeit: Dominik Seller

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee basiert auf der Idee eines textilumspannten, transluzenten Pavillions, der in durch zwei gegeneinander versetzte Fassadenschichten differenziert wird. Hierdurch setzt sich die Aufstockung als gestalterisch sehr eigenständiger, gleichsam abstrakter und immateriell wirkender Körper von der bestehenden Bebauung ab. Eine Fuge zu den benachbarten Obergeschossen unterstützt diesen Eindruck. In der dargestellten Form werden die Büros der Geschäftsführer, die unterschiedliche Aufgaben mit Publikumsverkehr wahrnehmen, einander zu dicht zugeordnet. Die Büros müssen als auch einzelne Einheiten funktionieren, so dass die gewählte Open-Space Situation die Betriebsabläufe und die Raumanforderungen des Auslobers nicht widerspiegelt. Das konstruktive System und auch die flexible Struktur des Grundrisses ermöglichen jedoch verschiedene Optionen für alternative Raumkonfigurationen. Die sichtbare Deckenkonstruktion wird über einen viergeteilten und dreidimensional wirksamen Stahlträgerrost gebildet, in den Oberlichter wie auch Ausfachungen mit akustisch aktivierten, perforierten Holzplatten integriert sind. Die inneren Raumatmosphären wirken offen und großzügig; der Arbeitsbereich ist durch dem konstruktiven Raster folgende Ausbauelemente flexibel nutzbar. Der durchgängige Bodenbelag mit geschliffenem Estrich beeinflusst das Deckengewicht positiv und vermittelt einen freundlichen, hellen Ausdruck. Die thermische Hülle als raumhohe Pfosten-Riegel-Glasfassade umschließt das gesamte Geschoss und ermöglicht eine gute natürliche Belichtung und verstärkt die Großzügigkeit des inneren Raumflusses. Hinsichtlich der Statik gehen die Verfasser davon aus, dass die vorhandene Stahlbetondecke durch Entfernung des bisherigen Dachaufbaus und Ersatz durch leichtere Materialien die geringen Zusatzlasten aus Büronutzung gegenüber bisheriger Schneelast aufnehmen kann. Selbst wenn hier weitere Ertüchtigungsmaßnahmen notwendig werden, wird diese Herangehensweise grundsätzlich positiv bewertet. Das Dach soll mit einem Stahlträgerrost über die gesamte Fläche stützenfrei überspannt werden. Die angegebenen Trägerdimensionen erscheinen etwas gering gewählt, eine Erhöhung würde jedoch die architektonische Gestalt nicht beeinträchtigen. Das Konzept der Membrankonstruktion als äußere Hülle ist spannend und ausdrucksstark, müsste jedoch – insbesondere in Bezug auf die Sicherstellung der gemäß Arbeitsstättenrichtlinien erforderlichen direkten Blickbeziehung nach außen – noch weiter entwickelt werden. Hierfür wäre eine Adaptionsfähigkeit, also eine Beweglichkeit der Textilmembran, die sich zugunsten der Ausblicke, verschiedener thermische Lastfälle, natürlicher Lichtsituationen und klimatischer Parameter im Jahresrhythmus anpassen kann, erforderlich. Auch eine Nutzungsaktivierung für den geplanten umlaufenden Steg wäre wünschenswert. Die geschätzten Baukosten erscheinen plausibel und liegen im wirtschaftlichen Bereich. Das Projekt zeichnet sich durch einen eigenständigen und innovativen Charakter aus, der die Architektur der Aufstockung für die Landesgeschäftsstelle der Architektenkammer über Leichtigkeit und neue Materialität formuliert und im Inneren eine offene wie flexible Arbeits- und Bürowelt gestaltet.