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Offener Wettbewerb | 12/2020

Neubau Fernbus-Terminal und Anknüpfung an das Stadion-Center in Wien (AT)

2. Rang / Stadion-Center

Pichler & Traupmann Architekten

Architektur

Carla Lo Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Werner Consult ZT GmbH

Verkehrsplanung

RWT PLUS ZT GmbH

Bauphysik, Tragwerksplanung

Woschitz Engineering ZT GmbH

sonstige Fachplanung, TGA-Fachplanung

Norbert Rabl Ziviltechniker GmbH

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

PROJEKTBESCHREIBUNG

Der Büro- und Hotelturm des Terminals wird als neues Glied der „Perlenkette“ der Hochhausentwicklungen am Donauufer gesehen und daher folgerichtig am Handelskai positioniert. Im Dialog zum ruhigen Dahingleiten der Donau wird dem Ufer eine ebenfalls ruhige, zu diesem achsialsymmetrische, horizontal gegliederte Fassade zugewandt, die im Grundriss deutlich geknickt ist, sodass sie von sowohl stromab- als auch stromaufwärts möglichst schlank erscheint.
Durch die gewählte Positionierung kann zwischen dem Turm und dem Stadioncenter eine neue Plaza entstehen, die den dort anzusiedelnden großstädtischen Funktionen und der bestehenden Wohnbebauung, als auch einer zukünftigen anstelle des Radstadions, einen attraktiven Freiraum mit Aufenthaltsqualitäten zur Verfügung stellt.
Insbesondere der Terminal selbst kann innerhalb des neu aufgespannten Raumes großzügig und logisch in räumlicher und funktionaler Abfolge entwickelt werden.
Geschützt von einem weitgespannten Vordach, das als Flugdach bis zur Kiss-and-Ride-Zone am Marathonweg fortgeführt wird, ist der Haupteingang des Terminals der Engerthstraße beziehungsweise dem Ausgang aus der Passage des Stadioncenters zugewandt. Von dort betritt man eine großzügige Halle, in der zu linker Hand diverse Servicefunktionen aufgefädelt sind, während zentral Ticketschalter und Information, und zu rechter Hand drei Abgangsmöglichkeiten zu den Bussteigen, exakt in der Achse derselben angeordnet, angeboten werden: eine Treppe, eine Rolltreppenanlage und zwei Aufzüge.
In etwas erhöhter Position ist am Ende der Halle mit gutem Überblick das Café sowie in weiterer Folge der Zugang zur Hotellobby wie auch der Lobby des Turms angeordnet. Das Café kann somit sowohl die Halle des Terminals als auch den Freiraum der Plaza bespielen und alle weiteren Funktionen des Ensembles können von der Terminalhalle bequem erreicht werden.
Wie schon in der der Auslobung zugrunde liegenden Studie wird der bestehende Niveauunterschied zwischen Handelskai und Engerthstraße ausgenützt, sodass sich die Busverkehrsanlage unter das Terminalgebäude schieben kann. Die Fläche der Bussteige sowie die darüber liegende Plaza weisen ein Maximalgefälle von vier Prozent auf und sind daher durchgängig barrierefrei ausgebildet. Die Terminalhalle ist selbstverständlich gänzlich horizontal ausgebildet. Das Café sowie die Zugänge zu den Lobbys wie auch zur Terminalverwaltung sind mittels Aufzügen barrierefrei erreichbar.
Im Nordosten sind zu beiden Seiten der Gesamtanlage die Umfassungswände der Busverkehrsanlage weitgehend geöffnet, während im Südwesten in die Oberfläche der Plaza niveaugleiche Gitterroste eingelegt sind, sodass die Bussteige bestens natürlich belüftet sind, um die Vorkehrungen für den Brandschutz möglichst gering halten zu können. Diese Maßnahmen beeinträchtigen jedoch nicht die Integrität und zusammenhängende Nutzbarkeit des Platzes.
Innerhalb der Halle sind die Abgänge zu den Bussteigen mit Brandschutzvorhängen versehen, sodass sie brandschutztechnisch abgetrennt, wohl aber räumlich großzügig spürbar und erlebbar sind.
Die Plaza wird durch das zuvor beschriebene Flugdach in zwei Zonen gegliedert: erstens in den Hauptteil des Platzes, der zwischen Terminalgebäude und Stadioncenter aufgespannt ist, die Engerthstraße mit einbezieht und nach Nordwesten sowie Südosten auszustrahlen vermag; und zweitens in eine kleinere, geschützte, Hof-artige Fläche, die zur Linken vom eben beschriebenen Terminalgebäude, und zur Rechten vom flankierenden Gebäude mit Retail- und anderen offenen Funktionen gefasst wird. Am Ende dieses Hofes befindet sich in prominenter Lage am Fuße des Turms der Haupteingang zu den Lobbys für all jene, die nicht den Weg durch die Terminalhalle nehmen wollen.
Um im Sommer angenehme stadtklimatische Verhältnisse erzeugen zu können, werden die Fassaden des flankierenden Gebäudes wie auch des Stadioncenters begrünt.
Die Dächer der Gebäudeteile, der Terminalhalle beziehungsweise des flankierenden Gebäudes, und die dem Stadtzentrum zugewandten Fassaden des Turms sind in eine kontinuierliche Figur zusammengefasst, um einerseits der Dynamik des Geschehens des Ankommens und Abreisens Rechnung zu tragen, aber auch um andererseits sich Richtung Turm zurückstaffelnde, ergänzende Funktionen in den Obergeschoßen, wie Co-Working-Spaces oder das Seminar- und Veranstaltungszentrum, elegant integrieren zu können. Die Dächer dieser beiden „Arme“ treffen sich exakt am Knick der Raute des Grundrisses des Towers.
Die kontinuierliche Vereinigung von Dach und Fassade wird auch im Detail fortgesetzt: Die Dächer beginnen sich langsam streifenförmig zu teilen, um Belichtung durch Oberlichtbänder für die darunter liegenden Funktionen zu ermöglichen. Diese Streifen verwandeln sich in zunehmender Höhe zu Lamellen, die die Glasfassade des Hochhauses gliedern und beschatten.
Auch im größeren Maßstab wird das Spiel der streifenförmigen Gliederung fortgesetzt: Aus dem linken der beiden zu Belichtungszwecken in die Dachflächen eingelassenen Innenhöfe entwickelt sich eine die Gesamtansicht ebenfalls gliedernde Glasfläche, die in den letzten drei Geschoßen des Towers durch einen nach oben offenen, einer Loggia ähnlichen, Freiraum gekrönt wird.
Der Turm stellt sich mit seinen extrem schlank ausgebildeten Schmalseiten in die parallel zur Donau verlaufende Wiener Hauptwindrichtung und ist daher aufgrund seines rautenförmigen Grundrisses mit teilweise auch abgerundeten Gebäudekanten geradezu ideal in Hinblick auf den Windkomfort positioniert. Allfällige Fallwinde werden mittels der vorgelagerten Baukörper konsequent von der neuen Plaza ferngehalten.
Die exakte Verortung des Turms am Grundstück wurde, abgesehen von den eingangs beschriebenen städtebaulichen Überlegungen, so gewählt, dass die Bussteige nicht von ihm überbaut werden und sein Kern sich ohne Störung in das Layout der Verkehrsanlage dort einfügt, wo noch zur Verfügung stehende Fläche vorhanden ist.
Bei einem großen Infrastrukturprojekt wie diesem muss die Tragkonstruktion auch eine entscheidende Rolle in der baukünstlerischen Qualität der Innenräume spielen. Beide hallenartigen Räume, die Bussteighalle einerseits und die Terminalhalle andererseits, sind durch große Spannweiten ihrer Decken- beziehungsweise Dachkonstruktionen und deren jeweils spezifischen Materialität geprägt.
Die Bussteighalle wird von einer Stahlbetondecke überspannt, da diese hohe Nutz- und Bauwerkslasten aufnehmen muss. Die Untersicht dieser Decke ist jedoch dem Kräfteverlauf entsprechend geformt und weist eine gliedernde Rhythmik auf. Dadurch wird dem Beton die Schwere genommen und ein gewisser schwebender „Zeltcharakter“ kommt auf.
Die Terminalhalle hingegen wird auf eine Spannweite von über dreißig Metern mittels einer Stahl-Leichtkonstruktion überspannt. Dabei war es uns jedoch wichtig, die sich aus der vertikalen Gliederung der Tower-Fassaden entwickelnde Streifenstruktur auch zum konstituierenden Element des Terminaldaches zu machen, sodass der Eindruck entsteht, als ob diese Dachstreifen in Längsrichtung der Halle ohne Stützen völlig frei zu schweben scheinen. Gut steuerbares Zenitlicht kann somit als Streiflicht die Halle in Tageslicht tauchen.
Das Licht spielt eine ebenso zentrale Rolle in der Verbindung der beiden Hallen miteinander. Um Tageslicht auch zentral in die Bussteighalle zu bringen, sind die vertikalen Verbindungselemente – die Treppe, die Rolltreppen und die Aufzüge – gewissermaßen aus der Terminalhalle hinaus in einen seitlich angelagerten, länglichen Nurglaskörper hineingeschoben, der unmittelbar ungefiltertes Tages- und Sonnenlicht über sein Glasdach und seine Glaswand einfallen lässt. So ist die zentrale Forderung nach Tageslicht im Verkehrsgeschoß erfüllt, und zwar genau dort, wo das größte Personenaufkommen stattfindet, nämlich exakt über dem zentralen Mittelsteig. Im Übrigen können Passantinnen entlang dieser Glaswand das Geschehen beobachten, wenn sie über die Plaza zum Haupteingang des Turmes unterwegs sind.
Die große, nach Westen und Südwesten orientierte, abgeschleppte Fassaden-Dach-Fläche mit Photovoltaik versehen. Die Fassaden des Turms werden durch relativ tiefe Vertikallamellen vor der Südsonne beschattet. Zur Ausbildung dieser Süd-orientierten Lamellen werden PV-Module herangezogen. Ähnliches geschieht am Dach: Hier werden die PV-Module auf den zuvor erwähnten Dachstreifen aufgestellt und leicht nach Süden beziehungsweise Südosten gekippt. Fassadenlamellen und Dachstreifen werden in der Ausrundung zwischen Fassade und Dach kontinuierlich ineinander übergeführt. In der Kurve gibt es Ausrichtungswinkel mit besonders idealer Sonnenexposition über die Jahreszeiten mit ihren unterschiedlichen Einstrahlungswinkeln hinweg. Die hier gezeigte ganzheitliche Solarintegration in Fassaden und Dächer wird eine der größten sich auf einem Gebäude befindlichen Photovoltaik-Anlagen Österreichs generieren. Diese ist schlichtweg nur deshalb hier möglich, weil das Projekt den Turm im Nordosten der Anlage am Handelskai positioniert.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass für den Fernbusterminal und seinen Turm eine Gesamtfigur entwickelt wurde, die exakt den vielfältigen Bedingungen und Anforderungen der Aufgabenstellung entspricht, ja aus diesen hervorgegangen ist, und sie sowohl im Stadtbild als auch den Menschen gegenüber authentisch repräsentiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Lösung:

Die Setzung des Hochpunktes am Handelskai wird gewürdigt und stellt einen spannenden städtebaulichen Beitrag dar. Der eigenständige Ansatz ist in seinem architektonischen Gesamtbild präzise durchgearbeitet und legt sehr viel Wert auf Objekt und Gestalt, weist aber bezogen auf die Intentionen der Auslobung einige funktionale Mängel auf.
Der Freiraum vor den jeweiligen Eingängen und Zugängen orientiert sich vom Stadion
Center weg. Die daraus resultierenden langen Wege lassen wenig beschattete und spärlich begrünten Vorplätze entstehen und werden hinsichtlich ihrer Windexponiertheit und sommerlicher Überhitzung als kritisch gesehen.
Die Interventionen am Stadion-Center sehen unter anderem das Vorsetzen einer neuen
Schicht an der Engerthstraße, die zu einer Arkadierung des Sockelgeschosses führt, vor.
Das Ziel, die Erscheinung zu homogenisieren, wird gewürdigt, auch wenn die Generierung der zusätzlichen Fläche mit sehr hohem Aufwand verbunden ist. Der Anbau wird aus städtebaulicher Sicht hinterfragt.
Der durch die Baukörpersetzung entstandene Vorbereich wird positiv gesehen, kann in
seiner Gestaltung jedoch nicht überzeugen. Vermisst wird eine differenzierte Auseinandersetzung mit der räumlichen Komposition und eine freiraumplanerische Ausgleichsmaßnahme zu den stark versiegelten Flächen. Die Engerthstraße ist nur schematisch dargestellt und das Potential, diesen Ausgleich hier zu schaffen, wurde verabsäumt. Die Baumpflanzungen auf dem Dach des Terminals werden bezüglich ihrer Umsetzbarkeit kritisch diskutiert.

Baukünstlerische Lösung:

Aus baukünstlerischer Sicht ist die Ausformulierung der „Schleppe“ nicht mehr so dramatisch wie in der Wettbewerbsstufe 1. Die Strukturierung der Fassade durch die sekundären Sonnenschutzelemente erzeugt eine spannende und abwechslungsreiche Erscheinung. Aus statisch-konstruktiver Sicht wird das überarbeitete statische Konzept hinterfragt. In Summe wird der hohe baukünstlerische Anspruch gewürdigt.

Funktionelle Lösung:

Die weiten Wege und die 180-Grad-Richtungswechsel, um zum FBT zu gelangen, werden als nicht optimal gesehen. Die sich daraus ergebenden Querschnittseinschränkungen durch Rolltreppen, Aufzüge und Treppen erfüllen nicht die Kriterien der gewünschten
Übersichtlichkeit. Die Großzügigkeit der Lobby wird als ansprechend und hochwertig
gewürdigt. Die geforderte Transparenz sowie Sichtbeziehung zu den Terminals wurde
nur partiell eingelöst.

Nachhaltigkeit:

Die gewählte Konstruktionsart, sowie die Maßnahmen zur Energieplanung lassen auf
eine nachhaltige Konzeption schließen.

Wirtschaftlichkeit in Errichtung, Betrieb und Erhaltung:

Mit der Erreichung des geforderten Flächenausmaßes, der Vorsehung einer plausiblen
Tragkonstruktion und technischen Gebäudeausrüstung kann eine entsprechende Wirtschaftlichkeit des Projektes erwartet werden. Die bereits angesprochenen funktionalen Defizite z.B. in der Wegeführung der Buspassagiere würden sich ungünstig auf den reibungslosen Betrieb der Fernbus-Terminals auswirken.