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Offener Wettbewerb | 06/2021

Neubau Naturwissenschaften an der Uni Muesmatt in Bern (CH)

1. Rang / 1. Preis / Projektteil

Preisgeld: 100.000 CHF

Gunz & Künzle Architekt*innen ETH

Architektur

Heinrich Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

INGENI

Bauingenieurwesen

PZM Polke, Ziege, von Moos AG

TGA-Fachplanung

Laborplaner Tonelli AG

sonstige Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau
Das Projekt KOSMOS basiert auf einer einfachen städtebaulichen Strategie. Das Volumen des Neubaus der ersten Etappe bildet ein neues innenliegendes Zentrum, die zwei Gebäude der zweiten Etappe ergänzen die Ränder des Areals entlang der Freiestrasse. Ein übergeordnetes Freiraumkonzept mit differenzierten Aussenräumen soll die einzelnen Bauten aus unterschiedlichsten Zeitepochen verbinden sowie eine maximale Durchwegung ermöglichen. Durch das Weiterführen von Vorgefundenem soll das Areal zu einem durchlässigen, öffentlichen Raum mit einer hohen Einbindung ins Quartier werden.

Das Volumen der ersten Etappe ist bezüglich Situierung und Höhenentwicklung denkbar. Entlang der Freiestrasse schlagen die Projektverfassenden zwei 5-geschossige Volumen vor, welche einen Kompromiss zwischen einer quartierverträglichen Dichte und möglichst grosser, zusammenhängender Geschossflächen ermöglichen soll. Die zwei Volumen vermögen jedoch bezüglich ihrer Massstäblichkeit und der postulierten städtebaulichen Strategie einer massvollen Ergänzung der Ränder nicht vollumfänglich zu überzeugen.

Freiraum
Durch die zwei unterschiedlichen Ausrichtungen der Neubauten öffnet sich der Raum in der Mitte zu einer grosszügigen, platzartigen Durchwegung. Zusätzliche Verbindungswege und Treppen vernetzen das Areal gut mit dem Quartier und schaffen die willkommene Öffnung zur Durchquerung des Areals. Die gemäss Erläuterungstext von Zellen inspirierten grünen Inseln gliedern diesen Raum in unterschiedliche Raumgrössen und Freiraumangebote und versuchen, das ganze Areal mit dieser Gestaltungssprache zusammenzuhalten. Mit der vorgeschlagenen dichten Stauden- und Gräserbepflanzung, ergänzt von einem feingliedrigen Blätterdach der Baumschicht, kann durchaus eine attraktive und prägende Stimmung in den Aussenräumen erreicht werden. Nicht ausreichend ist in dem Zusammenhang jedoch die Aufbaustärke über den unterbauten Bereichen, dort ist das Konzept so wie jetzt gezeichnet nicht umsetzbar. Mehrere Aussenbereiche zu Gastronomieangeboten beleben den Aussenraum und sind stimmungsvoll in das zelluläre Konzept eingebunden. Die offene, platzartige Ausformulierung des Vorbereiches an der Freiestrasse wirkt fremd im von Vorgärten geprägten Quartier und wenig einladend für einen Aufenthalt, hier wäre eine sorgfältigere Einbindung des Gestaltungskonzepts in die Quartiertypologie noch zu erfinden. Zufahrten und Parkplätze sind ausreichend von den Fusswegen getrennt und sollten konfliktfrei funktionieren, die Veloabstellplätze sind dezentral an den Arealrändern verteilt und gut positioniert.

Architektur
Der architektonische Ausdruck ist eine stringente Umsetzung der vorgeschlagenen Gebäudetypologie und der gewählten Konstruktion. Differenzierte Raumschichten ergeben adäquate, den jeweiligen Nutzungen entsprechende Raumstimmungen mit hoher atmosphärischer Dichte. Der Laborbereich wird durch eine Raumschicht mit Arbeits-, Bildungs- und Kommunikationsnutzungen ummantelt. Mit dem vorgeschlagenen Zwiebelprinzip erfährt das Volumen durch die Materialwechsel Schicht für Schicht eine Auflösung, vom massiven Betonkern bis zu einer filigranen, vorgehängten «brise soleil». Die vorgeschlagene Fassadenkonstruktion verleiht dem neuen Zentrum des Areals trotz seiner die bestehenden Gebäude überragenden Volumetrie eine überraschende Leichtigkeit.

Betrieb/Nutzung
Die generelle Nutzungsverteilung ist aus betrieblicher Sicht überzeugend gelöst. Das Erdgeschoss weist mit den zugeordneten Hörsälen, Seminarräumen, Cafeteria etc. eine hohe Öffentlichkeit auf. Die Erschliessungsflächen werden mit unterschiedlichen Zusatznutzungen belegt und ermöglichen attraktive Orte der Begegnung. Im Bereich der Leseplätze ist jedoch eine Entflechtung der Personenströme wünschenswert. Kaum verständlich ist die Platzierung und Ausgestaltung der Vertikalerschliessungen in die Ober- und Untergeschosse, welche für Aussenstehende schlecht auffindbar sind.

Die Regelgeschosse weisen grundsätzlich eine sehr gute Zuordnung der Bereiche Forschung, experimentelle Lehre und Praktika auf. Die Laborcluster erfüllen durch die Positionierung der unterschiedlichen Nutzflächen sowie durch eine hohe Nutzungsflexibilität innerhalb des Forschungsbereichs die primären Anforderungen. Die Praktika-Räumen können jedoch durch ihre Platzierung in der konstruktiven Hybridschicht nicht als Forschungslabore genutzt werden. Die zusätzliche Wendeltreppe im Bereich der Sitzungszimmer und Büroarbeitsplätze ermöglicht eine höhere Durchlässigkeit innerhalb des Gebäudes und fördert die informelle Kommunikation.

Statik
Ein innerer Kern, die Laborbereiche beinhaltend, ist als Massivbau geplant. Flachbetondecken mit einer Dicke von 40cm sowie ein Stützenraster von 7.20x7.50m gewährleisten die Flexibilität bezüglich Nutzlasten sowie die zwingend erforderlichen Schwingungsanforderungen. Nicht nachgewiesen wird jedoch eine plausible Lastabtragung über den Hörsälen.

Um den Massivbau wird umlaufend eine Holz-Beton-Verbundkonstruktion vorgeschlagen. Ein Deckensystem bestehend aus Brettschichtholzträgern sowie einer Betondeckenplatte reagiert auf die entsprechenden Nutzungsanforderungen. Stirnseitig ist diese Konstruktion mit den geplanten Spannweiten jedoch kaum umsetzbar und beeinträchtigt die erwünschte Nutzungsflexibilität im Bereich der Praktika-Räume.

Etappierung
Die Etappierung wird grundsätzlich nachgewiesen. Einzig die zwingend erforderliche Anlieferung der Freiestrasse 3 während der ersten Bauetappe wird durch die Situierung der unterirdischen Velo-Einstellhalle verunmöglicht.

Gebäudetechnik, Energie, Wirtschaftlichkeit
Die Kompaktheit des Volumens, die Gewährleistung der Systemtrennung sowie die gewählte Hybridkonstruktion bieten gute Voraussetzungen, um die gewünschten Anforderungen bezüglich Nachhaltigkeit zu erreichen.

Sowohl die Technikzentralen als auch die vorgeschlagenen Steigzonen scheinen zu knapp bemessen. Eine leichte Verbreiterung der Gebäudetiefe könnte sowohl zu einer wünschenswerten Vergrösserung der Nebenräume und der Laborlänge, als auch zu einer Entspannung der Installationsdichte der Korridorzonen führen. Dank der Kompaktheit des Volumens und der einfachen Gebäudetypologie erfüllt das Projekt die Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit.

Konklusion
Das Projekt «KOSMOS» ist eine stringente Antwort auf die komplexe Aufgabenstellung eines Laborgebäudes in diesem sensiblen Kontext. Eine überzeugende Nutzungsverteilung, ein robuster Regelgrundriss sowie das öffentliche Erdgeschoss erfüllen die Anforderungen an eine zukunftstaugliche Universität sehr gut. In den Bereichen Gebäudetechnik und Statik sind in der nächsten Phase jedoch Präzisierungen, respektive Optimierungen nötig.

Im städtebaulichen Teil des Wettbewerbs ist die vorgeschlagene Strategie nachvollziehbar und schafft viele räumliche Qualitäten. Deren Umsetzung vermag jedoch bezüglich ihrer Massstäblichkeit einer massvollen Ergänzung der Ränder noch nicht vollumfänglich zu überzeugen
Visualisierung_KOSMOS_01

Visualisierung_KOSMOS_01

Gesamtareal 1:500

Gesamtareal 1:500

Visualisierung_KOSMOS_02

Visualisierung_KOSMOS_02

Situation 1:200

Situation 1:200