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3. Rang 4 / 4

Nichtoffener Wettbewerb | 12/2021

Remise Amstetten (AT) – Neubau Firmenstandort „ecocenter“ und Neugestaltung Halle 3

Schaubild

Schaubild

4. Rang

Pichler & Traupmann Architekten

Architektur, Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Remise MUSS Bleiben!
„The Architect as a Seismograph“ lautete die von Hans HOLLEIN kuratierte Architektur-Biennale 1996 in Venedig … und ….
Seit vielen Monaten steht der Erhalt der Remise Amstetten in der öffentlichen Debatte. Es wurde viel diskutiert, Konzepte entwickelt und sogar Petitionen eingeleitet. In Zeiten zunehmender Auf-merksamkeit für ausgewiesen identitäts-stiftende Ressourcen ist es nur geboten, Verantwortung zu übernehmen und das kulturelle Erbe einer genaueren Untersuchung zu unterziehen, bevor man es auslöscht.

Deswegen ist unsere prinzipielle Vision für den Auftakt des entstehenden Stadtquartiers eindeutig - Die Remise MUSS Bleiben!

Es kann einfach nicht sein, dass man sich quasi einem Fake-Zugang hingeben möchte und die zwei-dimensional existierende Kontur als Bildvorlage für ein neu zu errichtendes Volumen heranzieht, um darin die Reminiszenz an das herausragende historische Objekt zu erzeugen. Die Remise ist mehr als eine Strichzeichnung auf dem Papier – räumlich, kulturell und historisch und (bereits adaptiert) funktional. Beim Besuch der Remise während des Kolloquiums trat einem so eindeutig der Spirit des Objektes entgegen, dass man gar nicht anders konnte, als sich grundsätzlich mit der Frage nach dem Erhalt dieser auseinanderzusetzen – wie auch immer letztlich die Evaluierung ausgehen möge. Aber man weiß von vielen Beispielen neuester Zeit, dass der Erhalt historischer Substanzen gut möglich ist, ja dass diese sogar die Entfaltung ungewöhnlicher Potentiale ermöglichen. Wenn man schon vom Prototyping des neuen Quartiers spricht, sollte man diese hohe Ambition auch auf das Bestandsob-jekt anwenden! Selbst wenn die Kosten über den Standardgebrauch möglicherweise hinausgehen, wird man sich hoffentlich darauf besinnen, dass eben nicht gerade das Praktische identitätsstiftend ist!
Im geschichtsträchtigen Gebäude der Bahn sehen wir die ideale Grundlage für einen historischen, kulturellen, aber vor allem auch einen zukunftsorientierten Prolog zum neuen Stadtquartier. Es bildet mit dem davor stehenden Wasserturm ein außergewöhnliches Komposit, welches nicht nur visuell, sondern auch strukturell zusammenspielt. Die Möglichkeit, ein solch Identitätsstiftendes Gefüge zu erhalten und zu erweitern, ist von ungewöhnlicher Besonderheit und sollte die Grundlage und der Anker des hiesigen Stadtentwicklungsprozesses sein. Ein städtebaulich, architektonischer Ansatz kann deswegen nur die REAKTION auf das Bestandsensemble sein und dieses in seiner Einzigartig-keit ergänzen.
Durch minimale Eingriffe in die Bestandsstruktur wird die großfl ächige Halle und der davon einge-fasste Platz gemeinsam mit dem Neubau in eine attraktive Gesamt-Einheit umgewandelt. In ihr fi ndet ein ideales Zusammenspiel aus Wirtschaft, Kultur und Kulinarik statt. Dabei sind sämtliche Bere-iche so offen wie möglich gestaltet. Die Interaktion dieser wird somit nicht nur durch bestimmte Blickpunkte erreicht, sondern durch direkten Kontakt. Berührungs-, Austausch- und Interaktions-fl ächen werden mittels bestehenden, umfunktionierten Strukturen fl exibel gestaltet und können je nach Anforderung, ob Werkstatt, Gastronomie oder Event, entsprechend angepasst werden. Diese Wandlungsfähigkeit bildet die Grundlage für die Nutzung der Remise und ihres Vorplatzes als Kom-munikationsdrehscheibe. Die Begegnung mit historischen, teilweise umfunktionierten Elementen in-nerhalb und um das Gebäude weist die Geschichte des Orts auf und verknüpft diese mit Interessanten Nutzungen. So stechen beim Durchlaufen der alten Zughalle die “Werkstattwaggons” (freilich neu gebaute, konditionierte Glascontainer) heraus, welche unterschiedlich genutzt und auf Schienen in den Außenraum transportiert werden können. Innerhalb des Gebäudes können dadurch zusätzliche Flächen zum Arbeiten, für Wochenmärkte, o.Ä. entstehen. Auch der Außenraum bekommt dadurch eine Bedeutung für die Remise. Man spürt hier förmlich das vergangene Geschehen der Remise. Die zentral angelegte Drehscheibe wird ebenfalls erhalten und um einen darunterliegenden Teich ergänzt. Sie fungiert weiterhin in ihrer ursprünglichen Nutzung, indem sie sich zu jeder vollen Stunde ein Stück weiterdreht und somit als eine Art Platz-Uhr zum Identifi kationsmerkmal des zentralen Platzes wird.

Architektur
Der Erhalt des Bestands setzt eine gewisse Neuinterpretation des Vorhandenen voraus. So wird die Remise in diesem Fall zum Verknüpfungsgefüge der verschiedenen neuen Interventionen mit dem Bestand und dem Außenraum. Die Tore zum Platz repräsentieren das Potential der Öffentlichkeit, wodurch die Remise als Werkstatt und Bühnenbild zugleich auftritt. Sie ist sowohl be- als auch durch-gehbar. Der Luftraum innerhalb der Halle wird dabei möglichst frei gehalten, damit das Holztragwerk der alten Halle sichtbar bleibt. Es entsteht ein offenes Raumgefühl, das den industriellen Charakter und das prägnante Innenleben der Remise für Nutzer des Gebäudes und Bewohner des neuen Quar-tiers erfahrbar macht.
Der Neubau von Bauphase 1 schwebt als horizontaler Körper mit gebührender Distanz zum Bestand über der Remise. Er kragt in Richtung des Vorplatzes und des Wasserturms aus, hält aber auch hier einen adäquaten Abstand ein. Mit dem prononciert horizontalen, durchlaufenden Schwebebalken ist bereits in Bauphase 1 ein geschlossenes Gefüge vorhanden, und es bleibt kein Torso stehen. Als ver-tikales Element im Neubau stellt einzig das spätere Volumen der Bauphase III einen Hochpunkt dar. Läuft man auf das Gebiet zu, steht der Wasserturm zuerst als vertikales, adressbildendes Element vor der Zughalle und dem dahinterliegenden Quartier. Er erhält durch den horizontalen Balken im Hintergrund besondere Signifi kanz und verleiht dem Eingang der Remise eine klare Orientierung. Das spätere Volumen der Phase 3 versteht sich als Dialog mit dem Wasserturm in seinem Beitrag zur Portalwirkung. Der Durchgang der Bestandshalle streckt sich über 2 Achsen des Holztragwerks und wird durch einen darüber befi ndlichen Lichthof beleuchtet. Der horizontale Neubau legt sich in drei Bauphasen um die Remise und durchstößt das Dach nur an den notwendigen Stellen. Ein Fachwerk-träger, welcher sich zwischen den Geschossdecken erstreckt, ermöglicht sehr hohe Spannweiten, sodass für die Bauphase I nur drei Kerne notwendig sind. Diese sind so verteilt, dass eine effi ziente Erschließung möglich ist. Die Fassade rekurriert auf die industrielle Wirkung der alten Remise. Das zur Schaustellen der konstruktiven und tragenden Teile, vor allem des Fachwerkträgers übernimmt dabei die Hauptaufgabe. Die horizontale Lage des Gebäudes ermöglicht im Grundriss eine Anein-anderreihung der verschiedenen Startups und Kleinunternehmen. Diese ähneln einer Flaniermeile, bei welcher man die verschiedenen Unternehmen entdecken und sich mit Ihnen austauschen kann. Verschiedene Raumtiefen der aneinandergereihten Büros bieten Flächen zum Verweilen, Think-Tanks und öffentliche Arbeits-/ Austauschzonen mit Kreativbereichen.

Programm des Eco-Center
Im Erdgeschoss trifft man am Eingang zur Remise auf den Empfang. Daran angeschlossen befi nd-et sich die große Halle mit den „Werkstattwaggons“. Diese sollen durch eine Anmeldung/ Buchung an der Rezeption sowohl von Firmen, von Privatpersonen, als auch von Leuten aus den Werkstätten genutzt werden können. Aber auch längerfristige Vermietungen für Start-Ups oder auch eine Art Hobbywerkstätten wären hier möglich. Die benachbarten Räume bestehen aus großfl ächigen Werk-stätten, die offen gestaltet sind und eine freie Fläche von bis zu 700 m² aufweisen. Mittig befi nden sich hier Lager und WC-Einheiten. Diese sind als eigene Boxen unterhalb des Holztragwerks vorgesehen. Durch Faltschiebetüren lassen sich hier zwischen den Boxen Bereiche abtrennen. Werden die Geräte der Werkstätten in die Lager gebracht, können auch hier Eventfl ächen mit Catering o.Ä. entstehen.
Das schwebende Volumen über der Remise besteht aus zwei Geschoßen, wobei das obere der beid-en zurückweicht und die Form der Remise referenziert. Eine große Variation im Grundriss bietet die Möglichkeit, Arbeitsräume auf verschiedenste Weisen zu nutzen. Startups und Kleinunternehmen verschiedenster Größen können sich hier ansiedeln und die Räumlichkeiten ihren Ansprüchen ent-sprechend nutzen. Aufenthaltsfl ächen in den Gängen durch Versprünge aufgrund der Raumtiefen laden zum Verweilen ein. Think-Tanks in den Gängen, öffentliche Austausch- und Arbeitsfl ächen mit Kopierbereichen und Sitztreppen als Kreativräume sollen Flexibilität und Abwechslung in den Arbe-itstag bringen und die Interaktion mit Anderen ermöglichen. Das Obergeschoss ist mit einer Außen-terrasse verknüpft, die den Blick auf den Wasserturm und über Amstetten ermöglicht. Am südlichen Ende zweigeschossigen Volumens befi ndet sich ein Technikbereich.
In Bauphase II und III wiederholt sich der Grundriss in seiner Systematik. Variable Raumtiefen, prom-inente Besprechungsräume und eine Teeküche bieten auch hier die optimale Grundlage für Startups und Kleinunternehmen.Das Untergeschoss enthält Lagerfl ächen, welche von den Unternehmen an-gemietet werden können. Zudem befi ndet sich hier ein weiterer Technikbereich, welcher die Remise und Teile des Neubaus mit den notwendigen HKLS-Systemen versorgt.

Programm Halle 3
Die Halle 3 wird in ihrer Funktion so umgenutzt, dass zum Platz hin öffentliche und nach außen nicht-öffentliche Bereiche entstehen. Im Innersten Ring befi ndet sich die öffentliche Nutzung. Die Tore, welche hier geöffnet werden können, stellen den Auftakt dazu dar. Drei große, offene Event-bereiche ermöglichen den Blick auf das Tragwerk und verstärken den Hallencharakter der Remise. Diese können beliebig kombiniert oder getrennt und zusätzlich zum Außenraum erweitert werden. Die tägliche Nutzung in Form mehrerer Gastronomiebetriebe kann durch Lagerfl ächen fl exibel umgenutzt werden. Die Lagerfl ächen trennen gemeinsam mit den Cafébereichen die öffentliche von der dahinterliegenden nicht-öffentlichen Zone. Im hinteren Bereich gibt es Räume für Facility-Man-agement, Kinderbetreuung und die Anlieferung, Umkleiden, usw. für Gastronomie. Das erste Oberg-eschoss besteht aus Co-Working-Flächen, inklusive einer Galerie. Diese ist aus den Büros, sowie von den Eventfl ächen über Wendeltreppen erschließbar. Im zweiten Obergeschoss befi ndet sich die Schule 42. Attraktive Arbeitsbereiche kragen zusätzlich als ein extra Baukörper aus dem Dach über den Platz der Remise.

Ökologie / Ökonomie
Das Projekt besitzt durch auskragende Geschossdecken und eine Teilbegrünung der Fassade über mehrere passive Verschattungsarten, welche durch Bepfl anzung in Form von Kletterpfl anzen zudem für ein besseres Mikroklima sorgen. Das Dach im Obergeschoss, welches teilweise begehbar wird, ist begrünt. So bietet sich für die Unternehmen ein angenehmer Ausblick und eine bessere Luftqual-ität durch die Filterwirkung der Außenbegrünung. Auf den nicht-terrassierten Dachfl ächen werden großfl ächig Photovoltaikanlagen angebracht. Diese versorgen das Gebäude mit seinen Werkstätten und Büros mit Strom. Zusätzliche Stromspeicher können das Gebäude auch über die Tageszeit hinaus nachhaltig mit Strom versorgen. Die thermische Konditionierung des Gesamtobjektes erfolgt sehr differenziert zonenbezogen mit unterschiedlichen Medien, um effi zient auf Nutzungsänderungen re-agieren zu können. Die Freifl ächen werden großteils mit versickerungsfähigen Oberfl ächen versehen, um die Regenwässer vor Ort in den Boden zurückzuführen. Ein entsprechendes Freiraumkonzept wird im Zuge der weiteren Bearbeitung ausgearbeitet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsbeitrag zeigt die expressivste Lösung für diesen besonderen Ort: Der Neubau schiebt sich Richtung Bahnhof über die Remise hinweg, die vollständig erhalten bleiben soll und bildet ein kraftvolles Signet für das künftige Quartier. Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit sind auch durch die „Werkstattwaggons“ gegeben, die die Nutzung nach außen tragen. Einigkeit besteht im Preisgericht, dass diese Großform nur in der vorgeschlagenen Komposition mit dem Turm als Hochpunkt im Osten seine Wirkung entfalten kann. Eine Teilrealisierung, also eine Realisierung einer 1. Bauphase im definierten Kostenrahmen ist mit diesem Konzept nicht möglich.


So überzeugend das äußere Erscheinungsbild auch sein mag, im Inneren bieten die Grundrisslösungen des 1. und 2.OG mit langgestreckten Gängen und wenig Außenbezug geringere Qualitäten. Eine Teilung in kleinere Mieteinheiten scheint ebenfalls schwierig. Kritisch sieht das Preisgericht im Übrigen, dass sich das Projekt über den vorgegebenen Spielraum für die Höhenentwicklung und die Abstandregeln zur Nachbarbebauung hinwegsetzt.


Charmant gelöst ist die Freiraumgestaltung des Innenhofs mit der Idee die Drehscheibe künftig als Uhr auszubilden.

Schaubild Eingang Remise

Schaubild Eingang Remise

Schaubild Remisenplatz

Schaubild Remisenplatz

Lageplan

Lageplan

GR_EG

GR_EG

GR Zwischengeschoss

GR Zwischengeschoss

GR_OG 01

GR_OG 01

GR_OG02

GR_OG02

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Aktivierung des Bestands

Aktivierung des Bestands

Reinterpretation der Bestandselemente

Reinterpretation der Bestandselemente

Gliederung in Bauphasen

Gliederung in Bauphasen

Schnitt A-A

Schnitt A-A

Schnittperspektive Halle 3

Schnittperspektive Halle 3

GR_EG Halle 3

GR_EG Halle 3

GR_OG01 Halle 3

GR_OG01 Halle 3

GR_OG02 Halle 3

GR_OG02 Halle 3

Skizze Konzept Halle 3

Skizze Konzept Halle 3

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