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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2022

Städtebauliche Entwicklung „Hans-Böckler-Siedlung“ in Glückstadt

1. Preis

Preisgeld: 23.400

Octagon Architekturkollektiv

Stadtplanung / Städtebau

Beatriz Alés Atelier

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Leitidee / Städtebauliches Konzept

Leitidee des Entwurfs ist die behutsame, ressourcensparende Umstrukturierung der Hans-Böckler-Siedlung, indem ein Großteil der vorhandenen Baustruktur er-halten wird und durch Anbauten und Neubauten ergänzt wird. Mit minimalem Ab-riss und einigen wenigen raumbildenden Setzungen wird eine andere Lesart und neue Raumstruktur mit einem zentralen quartiersprägenden Freiraum geschaffen. In dem Bereich zwischen Carl-Legien-Straße und Klaus-Groth -Straße werden durch ergänzende Baukörper Hofsituationen geschaffen die Bewegungszonen und nachbarschaftliche Grünräume klar ablesbar machen. Im Bereich der Gerhard-Hauptmann-Straße wird ein Nachbarschaftsplatz mit Spielplatz und Quartiers-garage geschaffen der als neue Mitte des Quartiers wirken soll. Die Klaus-Groth-Straße wird in eine an den Nachbarschaftsplatz anknüpfende Spielstraße umge-wandelt und stark begrünt. Durch begrünte Gassen werden sowohl in Nord-Süd als auch in Ost-West-Richtung Fuß- und Radwegeverbindungen ermöglicht, die Kan-ten des Quartiers stärker miteinander verknüpft und weitere alltägliche Begeg-nungsräume der Nachbarschaft geschaffen.

Grün- und Freiraumstruktur

Der zentrale Bereich des bestehenden Quartiers wird in fünf neue Höfe und eine neu Platzfläche gegliedert. Der Verkehrsraum wird auf eine klar ablesbare Fahr-radstraße reduziert während alle anderen Freiräume als grüne Bewegungs- und Aufenthaltsräume gestaltet werden. Nachbarschaftsplatz und Spielstraße stel-len den quartiersübergreifenden Freiraum dar und sind durch große Pflanzflächen mit Gräsern und Stauden in gleicher Weise gestaltet. Der Nachbarschaftsplatz mit Spielplatz, Gastronomie und Quartiersgarage dient als zentraler Ort im Quartier und Treffpunkt für Jung und Alt. Die grünen Gassen sind ein vermitteln-des Element als Wege mit wassergebundener Wegdecke und begrünten Bereichen bilden sie ein nachbarschaftliches Wegenetz. Die Wohnhöfe sind klar zugeordne-te, geschützte nachbarschaftliche Freiräume mit Möglichkeiten zum Gärtnern, Grillen, Spielen oder Wäsche aufhängen.

Entwicklungsphasen

Die vorgeschlagene Struktur bietet aufgrund der Baufelder eine sukzessive Entwicklung. Zunächst werden die Verkehrs- und Freiräume umstrukturiert und die Quartiersgarage erstellt. Der nördliche und südliche Teil des Quartiers können anabhängig voneinander entwickelt werden. Hier werden jeweils zunächst die Baufeldstruktur und die Gassen angelegt, die ienzelnen Buafelder können dann ebenfalls unabhängig voneinander bebaut werden. Quartiersgarage und Blockheizkraftwerk sind auf städtischen Flächen positioniert.

Typologien/Architektur

Die bestehenden Typologien des Quartiers werden aufgenommen durch verschiedene Anbauten so ergänzt, dass geschützte Hofräume und fußläufige Durchwegungen klar ablesbar werden.

Dabei gibt es unterschiedliche Maßnahmen des Eingriffs:

- Die Sanierung und Ergänzung durch Balkone und Loggien an einem Großteil der Bestandsgebäude

- Anbau an bestehende Baukörper durch Verlängerung vorhandener Riegel um klarere Kanten auszubilden

- Die Formulierung von Winkelsituationen durch Anbau oder Neubau über Eck um die Ausbildung der Hofsituationen zu stärken

Konstruktiv werden die Gebäude in ökologisch nachhaltiger Holzhybridbauweise errichtet, was zudem eine serielle Vorfertigung des Rohbaus und damit kurze Bauzeiten ermöglicht. Treppenhäuser werden hinsichtlich des Brandschutzes aus Beton hergestellt, Außen- und Innenwände als Holzbauelemente und Decken als Holz-Beton-Verbunddecken. Für die Wohnungen im Erdgeschoss besteht ein direkter Zugang zu den grünen Wohnhöfen über die private Terrassenfläche. Durch die Höhenstaffelung der Gebäude entstehen zu einem kleineren Teil begehbare Dachgärten für die gesamte Bewohnerschaft des Gebäudes.

Nutzungen

Die vorgeschlagenen An- und Neubauten ergänzen die vorhandenen Wohnungstypen von 2- und 3-Raumwohnungen um 1- und 4-Raumwohnungen. Hierbei ist es ein Anliegen des Konzepts durch die gemeinsame Nutzung der Bestandstreppenhäuser typologisch gemischte Nachbarschaften anzubieten. Je Hof ist ein Wasch- und Optionsraum zur gemeinschaftlichen Nutzung vorgesehen, für die an den Quartierkanten liegenden Gebäude sind eingeschossige Pavillons in denen die Gemeinschaftsfunktionen untergebracht sind. Ebenso werden alle Gebäude mit ebenerdigen Fahrradabstellräumen ausgestattet bzw. ergänzt. Am Nachbarschaftsplatz als zentralem Freiraum wird eine Gastronomie/Café sowie ein multifunktionaler Raum als Quartierstreff vorgeschlagen. Das erforderliche Blockheizkraftwerk sowie die Quartiersgarage sind auf den Flächen angeordnet welche sich im Besitz der Stadt Glückstadt befinden.

Mobilitätskonzept

Durch verkehrsberuhigende Maßnahmen wird das gesamte Quartier entlastet und das Wegenetz für den Fuß-und Radverkehr gestärkt. Die Carl-Legien-Straße wird zu einer durchgängigen Fahrradstraße umfunktioniert, die Klaus-Groth-Straße in eine begrünte Spielstraße umgestaltet. Grüne Gassen in Ost-West und Nord-Süd-Richtung binden an bestehende Fuß- und Radwege an. Der Radweg wird nach Süden zur Innenstadt verlängert, ebenso wird in Verlängerung der Klaus-Groth-Straße eine fußläufige Verbindung zum Sportplatz geschaffen. Die Quartiersgara-ge am Nachbarschaftsplatz beherbergt den Großteil der nachzuweisenden Stell-plätze, einige oberirdische Stellplätze sind weiterhin entlang der Carl-Legien-Straße angeordnet. Die Anordnung der Stellplätze an einem zentralen Ort entlas-tet die Freiräume von Stellplätzen, führt zu weniger Autoverkehr sowie einer stärkeren Durchgrünung und fördert den fußläufigen Bewegung und nachbarschaft-liche Begegnung im Quartier.

Klima & Energie

Nach dem Prinzip der „Schwammstadt“ wird auf den Gebäudedächern der Neubauten anfallendes Regenwasser gesammelt und gebäudebezogen nachgenutzt. Überschüssige Wassermengen werden quartiersintern in Retentionsmulden versickert oder verdunstet. Zusätzlich werden auf den Dächern der Gebäude, an den Fassaden und um die Sockelzonen ausreichend Grünflächen vorgesehen, womit das neue Quartier einen aktiven Beitrag zum guten Stadtklima leistet. Auf den Dächern der Nuebauten sind Photovoltaik-Elemente vorgesehen, die der Energiegewinnung der Gebäude dienen und Überschüsse ggf. ins Stadtnetz abführen können. Entlang der Spielstraße, auf dem Nachbarschaftsplatz und in den Wohnhöfen sind bepflanzte Mulden mit Gräsern und Wildstauden verortet, die den grünen identitätsstarken Charakter des Quartiers kennzeichnen. Sie dienen zur Versickerung und Verdunstung des anfallenden Niederschlags als Beitrag zu einem nachhaltigen Regenwassermanagement und verbessern das Kleinklima des Quartiers. Erklärtes Ziel ist die Schaffung einer erhöhten Resilienz gegenüber den anstehenden klimatischen Veränderungen. Erreicht wird dies auch durch die Minimierung der Versiegelung und der Verwendung von hellen Belagsflächen, sowie dem hohen Durchgrünungsgrad und durch die Anlage von Zisternen zur Nutzung des Regenwassers in den Wohnhöfen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee, durch überwiegenden Erhalt und teilweise Ergänzung von Gebäuden neue städte-bauliche Räume zu schaffen, die als grüne Höfe oder als grüne Gassen charakterisiert sind, wird begrüßt. Die Erschließungssysteme sind klar differenziert und hierarchisiert. Konsequent differenziert wird zwischen dem Verkehrsraum für die motorisierte Erschließung, dem Wege-netz im Inneren sowie der als verkehrsberuhigte Fläche gestalteten Klaus-Groth-Straße. Ver-knüpft werden diese Verkehrsbeziehungen durch den Nachbarschaftsplatz in der Mitte, der in der Größe und Funktion angemessen ist. Wohltuend ist auch die Maßstäblichkeit der Neubauten mit drei Etagen. Das südlich der katholischen Kirche vorgeschlagene Wohngebäude wird aufgrund seiner Nähe zur Bahn allerdings in Frage gestellt.

Die Begrünung und Ausbildung der Flachdächer als Retentions- oder Solardächer werden als positiver Ansatz in ökologischer Hinsicht gewertet.

Die Sanierung und Erweiterung der Bestandsgebäude erfolgt durch behutsame, systematisch entwickelte Maßnahmen, die dazu beitragen, dass die vertraute Atmosphäre und Charakteristik der Hans-Böckler-Siedlung erhalten bleibt. Das Gestaltungselement des vorgestellten Regalsystems für neue Balkone wird in den vorgestellten Laubengangkonstruktionen der Ergänzungs-bauten folgerichtig aufgegriffen.

Die Quartiersgarage ist am Nachbarschaftsplatz mit Zufahrt von der Carl-Legien-Straße richtig angeordnet. Die angegebene Stellplatzanzahl ist allerdings nicht nachvollziehbar und wird in Frage gestellt. Die Garage erscheint im städtebaulichen Zusammenhang zu massiv. Die dezentrale Unterbringung von Fahrrad- und Müllräumen an der Stirnseite der Bestandsgebäude er-scheint gut realisierbar, sollte jedoch in der baulichen Gestaltung überprüft werden.

Die Laubengangerschließung der Ergänzungsbauten stellt eine wirtschaftliche Lösung im barrierefreien Bauen dar. Die vorgeschlagene Holz-Hybridbauweise wird aus ökologischen und zeit-ökonomischen Gründen ebenfalls positiv gesehen. Ihr Einsatz erscheint auch bei Anbauten an die Bestandsgebäude sinnvoll.

Es wird ein differenziertes Angebot an Freiräumen im unmittelbaren Wohnumfeld angeboten. Die Klaus-Groth-Straße wird als verbindendes Element umgebaut, wobei die Freiflächen keine Aufenthaltsfunktion übernehmen, sondern als Retentionsflächen genutzt werden. Sie sollten allerdings so ausgebildet werden, dass sie multifunktional bespielt werden können. Insgesamt wird anerkannt, dass sich die Verfasser/innen sehr intensiv mit der Rentention des Oberflächenwassers befasst haben.

Positiv gesehen wird auch, dass in jedem Wohnhof Räume angeboten werden, die vielfältige nachbarschaftliche Nutzungen ermöglichen.

In der Zusammenschau wird die Arbeit als ein sehr guter Beitrag gesehen, das heutige charakteristische Ortsbild in die Gegenwart zu transformieren.