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Einstufiger Studienauftrag | 02/2022

Studienauftrag Neubau Primarschule Walkeweg in Basel (CH)

«Feuer, Wasser, Sturm und Eis»

«Feuer, Wasser, Sturm und Eis»

Teilnahme

Nissen Wentzlaff Architekten BSA SIA AG

Architektur

Denkstatt sàrl

Landschaftsarchitektur

Zirkular GmbH

sonstige Fachplanung

Waldhauser + Hermann AG

TGA-Fachplanung

Basler & Hofmann AG

Energieplanung

PIRMIN JUNG

Bauingenieurwesen

WMM Ingenieure AG

Bauingenieurwesen

RISAM AG | Risk- & Safety Management AG

Brandschutzplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt «Feuer, Wasser, Sturm und Eis» sieht einen länglichen, viergeschossigen Bau in Nord-Süd-Orientierung entlang dem Werkhof vor. Es entsteht ein angemessener Abstand zu den Zeilenhäusern im Osten. Hier befindet sich der Pausenplatz und der Hauptzugang zum Gebäude. Ein überhöhter Laubenturm formt das Gesicht des Gebäudes gegenüber dem Quartierplatz im Süden. Er dient als Zugang, sowohl zur schön gestalteten, halböffentlichen Dachlandschaft, als auch zu den Spezialräumen der Schule, bei welchen eine gewisse Nutzungsüberlagerung mit dem Quartier denkbar wäre. Diese generöse Geste gegenüber der unmittelbaren Umgebung wird sehr begrüsst. An der Nordfassade findet sich ein kleineres Pendant zum Laubenturm, dessen einzige Funktion die Entfluchtung der Schulgeschosse ist. Die Ausformulierung und Wichtigkeit dieses Elements ist nicht nachvollziehbar, zumal es auch in die nördliche Grünanlagenzone ragt.

Die Räume im Inneren sind gut angeordnet. Die Clusterbildung überzeugt sowohl räumlich als auch aus Nutzersicht. Eine sehr grosse Nutzungsflexibilität ist vorstellbar. Leider werden in dieser Anordnung die Erschliessungsflächen zu gross. Es resultiert eine im Vergleich mit den anderen Projekten grosse Geschossfläche und eine sehr grosse Energiebezugsfläche. Etwas mehr Flächeneffizienz und -suffizienz wären wünschenswert gewesen. Nichtsdestotrotz ist es gelungen, den überbauten Teil der Parzelle klein zu halten. Die Position der Turnhalle ist bezüglich Lastabtragung und Hangsicherung zwar nachvollziehbar, führt aber dazu, dass ein sehr grosser Teil der Umgebungsfläche unterbaut wird.

Ein zentraler Aspekt des Projekts sind die Lüftungskamine, welche äusserlich in Lehm materialisiert sind und die Innenräume stark prägen. Bei den Clustern stimmen sie mit der Raumstruktur überein, bei den Spezialräumen ist das leider nicht der Fall. Schade auch, dass sie, anders als im Ideenwettbewerb, nicht über Dach gehen und von aussen nicht mehr ablesbar sind. Damit verliert das Haus an Ausstrahlungskraft seines tragenden Nachhaltigkeitskonzeptes und an Identifikationspotential im Quartier. Die imposanten Lüftungskamine wurden von einer konzeptionell guten LowTech-Idee degradiert zu einem Technik-Element, welches nunmehr die Zuluft bereitstellt.

Der Gesamtausdruck des Gebäudes scheint einem Primarschulhaus angemessen. Das Haus tritt verspielt und elegant in Erscheinung und der Laubenturm setzt sich bis ins Erdgeschoss konsequent vom Hauptvolumen ab. Die Idee der Aufteilung der Fassade in variable und definierte Bereiche ist entwerferisch clever. So kann die Einbindung von unterschiedlichen Re-Use-Elementen in ein stimmiges Ganzes gelingen. Die Erweiterung zu einer dreizügigen Schule wird als Aufstockung vorgeschlagen, was ein kompliziertes Unterfangen wäre. Die gesamte Dachlandschaft müsste abgebaut und danach wieder neu errichtet werden. Auch würde das Gebäude zum Friedhof hin mit sechs sichtbaren Geschossen und dem sehr kleinen Abstand sehr dominant werden.

Innovationskraft und Konzepte zur Nachhaltigkeit
Das Projekt erklärt seinen Nachhaltigkeitsansatz sehr fundiert mit einem Ideen- und Innovationsblatt, das sich auf die vier Grundelemente abstützt, verbunden über den Kreislaufgedanken. Dabei bleibt das zirkulare Bauen aber eher eine Absichtserklärung mit wenig Tiefe in der Projektgestaltung.

Das entwurfsprägende Element und ablesbare Nachhaltigkeitskonzept waren die Lüftungskamine. Sie wurden allerdings in der Überarbeitung auf Zuluftschächte reduziert und ragen nicht mehr über das Dach hinaus. Dieses Lüftungssystem saugt die Zuluft mit Ventilatoren im Norden des Gebäudes an und wird über einen Wärmetauscher und Filter zu den Zuluftkaminen durch das Gebäude geführt. Die Materialisierung dieses Lüftungssystems besitzt viel thermisch aktivierbare Masse und kann damit tagsüber als Temperaturpuffer und nachts für Nachtauskühlung genutzt werden. Die Fortluft soll über ein schallgedämmtes Überströmelement in die Flure und über ein zentrales Atrium direkt über Dach abströmen. Brandschutztechnisch erfolgt die Abtrennung zwischen den Klassenzimmern in den Steigschächten über Brandschutzsteine, die im Brandfall aufschäumen und abschotten. Dieses Frischluftsystem soll allerdings nur im Sommer genutzt werden, im Winter wird eine Stosslüftung über Fenster vorgeschlagen. Die Erwärmung der Zuluft sollen dabei Re-Use-Heizkörper übernehmen. Eine Wärmerückgewinnung ist in diesem Konzept nicht vorgesehen.

Das Angebot an Photovoltaikflächen auf dem Dach ist begrenzt und nutzt nicht das gesamte Potential aus. Die Wärmeversorgung wird über eine geothermische Wärmepumpe vorgeschlagen, die im Sommer zur Kühlung der Zuluft genutzt werden kann. Das Konzept der Wiederverwendung von Bauteilen im Sinne des zirkulären Bauens wird anhand von Heizkörpern und Fassadenelementen vorgeschlagen. Das Tageslichtangebot in den Räumen wird trotz grosser Raumhöhen kritisch gesehen, da der Fenstersturz den Tageslichteintrag stark einschränkt.

Mikroklimatisch steht das Gebäude quer zur Windströmung, die grosse Distanz zur Wohnbebauung ist dabei von Vorteil für eine gute Durchlüftung. Der «grüne Bogen» um das Gebäude mit reichlich Baumbestand reduziert den Hitzestress im Sommer. Durch ein viergeschossiges Untergeschoss in Beton weist das Projekt einen grossen CO2-Fussabdruck in der Erstellung auf. Die CO2-Emissionen im Betrieb liegen deutlich über dem Schnitt, was auf erhöhte Wärmeverluste durch die Lüftung ohne Wärmerückgewinnung und die relativ kleinen Photovoltaikflächen zurückzuführen ist.

Soziale Nachhaltigkeit und Mehrwert fürs Quartier
Eine eindrückliche Vielfalt an Ideen und Gedanken zur sozialen Nachhaltigkeit haben dieses Projekt offensichtlich auch in seiner Form geprägt, die vier Elemente werden sinnfällig in die Erzählung der Schule eingewoben. Die für das Quartier nutzbaren Räume sind intuitiv über den öffentlichkeitswirksamen Laubenturm erschlossen, der mit seiner Bühnenwirkung zwischen dem Quartierplatz und der Schule vermittelt und die niederschwellige Zugänglichkeit in Szene setzt. Der Turm verheisst auch eine gut sicht- und nutzbare Verbindung zur öffentlichen Dachterrasse. Dennoch wertet das Beurteilungsgremium einen langfristigen Erfolg der Dachnutzung durch das Quartier als grosse Herausforderung. Die differenziert gestalteten, abgetreppten östlichen Aussenräume in Richtung Quartier sind für mobilitätseingeschränkte Kinder und Erwachsene nur auf Sonderwegen zugänglich; in dieser Beziehung genügt der Entwurf seinem inklusiven Anspruch nicht.

Nutzersicht
Alle Räume im Gebäude werden von der Kernidee mit den markanten Lüftungstürmen bestimmt. Sowohl für den Kindergarten, als auch für die Klassenzimmer, Gruppen- und Spezialräume, Tagesstruktur- und Infrastrukturräume hat das räumliche Konsequenzen. Die vorgeschlagenen Cluster mit jeweils vier Klassenzimmern und Gruppenräumen können um die vorgesehenen Lüftungstürme unterschiedlich bespielt werden. Bei den Spezial- und Infrastrukturräumen ergibt die Rasterung teilweise ungewöhnliche Raumgeometrien. Auch entstehen grosse Verkehrsflächen.

Die vertikale Erschliessung erfolgt durch ein zentrales Treppenhaus, sowie den vorgeschalteten, offenen, grosszügigen Laubenturm zum Quartierplatz, sowie einem rückseitigen, weiteren Laubengang mit Treppe. Die Tagesstruktur orientiert sich klar gegen den Quartierplatz mit direktem Zugang von dort. Die Kindergärten sind am Ende des Gebäudes im Erd- und Sockelgeschoss Nord-Ost-orientiert mit Aussenraum nach Osten. Die Aula befindet sich in der Mitte des Gebäudes beim zentralen Eingang zur Schule. Die Turnhallen stehen quer zum Schulgebäude und beeinflussen dadurch die Möglichkeiten für den sich darüber befindenden Pausenplatz stark. Auf dem Dach sind neben der Schulnutzung als Freiraum auch Möglichkeiten für das Quartier vorgesehen, da die Flächen einfach über den markanten Laubenturm am Quartierplatz erreichbar sind. Der Pausenplatz wirkt durch seine vielen Querverbindungen und die Höhenunterschiede zerschnitten.

Qualität Freiräume
Die vorgeschlagene Setzung des Gebäudes bildet einen städtebaulichen Rücken mit einem vielseitig nutzbaren Freiraum im Osten. Der Freiraum ist gleichermassen als Pausenund als Freizeitraum konzipiert und bildet dadurch einen Baustein zur Vernetzung mit dem Quartier. Gleiches gilt für den zum Quartierplatz hin angeordneten begrünten Laubenturm. Das Projekt nimmt die Topographie durch Abtreppungen auf und schafft dadurch differenzierte Freiraumnutzflächen. Die Setzung scheint auf konzeptioneller Ebene schlüssig. In der Umsetzung entsteht eine Nähe zum Friedhof, die als unverträglich erachtet wird.

Der Einbezug der Quartierstrasse schafft eine grosszügige Situation. Gleichzeitig schränkt es die Erschliessung der Baufelder D und E ein und ist nicht Teil der nutzbaren Parzelle. Der Freiraum im Osten wirkt durch die funktional angeordneten Treppen wenig präzise und verliert damit einen Teil seiner Grosszügigkeit. Es sind biodiverse Gehölzpflanzungen vorgesehen, wobei ein Grossteil der Flächen mit der Turnhalle unterbaut ist. Mit der reichen Gehölzpflanzung wird der Biodiversität und der Möglichkeit auf natürliche Beschattung zwar Rechnung getragen, doch scheint die Bepflanzung über unterbauten Bereichen wenig nachhaltig.

Die Qualität des Projektes liegt in der räumlichen Konzeption. In der Ausformulierung konnte es die versprochenen Qualitäten im Freiraum jedoch nicht einlösen.

Résumé
Mit «Feuer, Wasser, Sturm und Eis» schlägt die Autorenschaft einen erfrischenden Entwurf vor, bei welchem nachhaltige Elemente in eine spannende Architektur umgesetzt werden. Es ist gut vorstellbar, dass das Haus als «lebendige Lerntafel» zur Sensibilisierung für das Thema Nachhaltigkeit beitragen könnte. Die Ausformulierung der verschiedenen Ideen ist aber wenig stringent gelungen, was als verpasste Chance gewertet wird.

Grundriss EG

Grundriss EG

Grundrisse

Grundrisse

Längsschnitt

Längsschnitt