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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2022

Neuordnung Quartier um den Karl-Marx-Platz in Zwenkau

Quartiersperspektive

Quartiersperspektive

Anerkennung

Preisgeld: 3.000 EUR

Octagon Architekturkollektiv

Stadtplanung / Städtebau

studiofutura

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Konzept & Leitidee

In attraktiver Lage zwischen den Ufern des Zwenkauer Sees, dem satten Landschaftsraum des Eichholz und den Wohnbereichen des Ortes entsteht aus dem Bestand der ehemaligen Tagebauarbeiter-Siedlung um den Karl-Marx-Platz eine neue, grüne Quartiersstruktur. Die teils durch Rückbau fragmentierte Bestandssiedlung bildet die Basis für eine zeitgemäße, zukunftsorientierte Neuinterpretation, für wohntypologische Vielfalt, autofreie Begegnungsflächen und ökologische Infrastruktur. Aufgespannt im Dreieck zwischen den Hauptwegen Zwenkaus bildet ein blaugrüner Durchwegungsraum das Rückgrat der neuen Struktur. Es dient als stadträumliche Verknüpfung zwischen den Ortsteilen und den umgebenden Landschaftselementen und bindet nordwestlich die Kita, südöstlich den Nahversorger sowie zentral im Quartier den neu definierten Karl-Marx-Platz mit ein. Umprogrammierte Verkehrsflächen begründen hier den Neugewinn an Bewegungs-, Aufenthalts- & Begegnungsflächen, welche insbesondere die neue Quartiersmitte als übergeordneten Treffpunkt für die Quartiersbewohner*innen und die umliegenden Nachbarschaften prägt. Neben der überwiegenden Wohnnutzung gruppieren sich neue soziale Orte wie das Ortsteilzentrum oder das betreute Wohnen sowie kleine gewerbliche Erdgeschossunterlagerungen um den zentralen Platz und sorgen für eine Belebung zu allen Tageszeiten. Räumlichen Ausdruck findet die Fortschreibung der Bestandssiedlung durch das Zusammenspiel neuer Bautypologien mit altem Bestand zu nachbarschaftlichen Ensembles. Im Ergebnis entsteht ein vielfältiges und spannungsvolles Quartier, in dem Alt und Neu selbstverständlich miteinander interagieren und dabei eine hohe Lebensqualität durch spannende Wohnformen um vielfältige klimagerechte Freiräume entsteht.

Städtebau & Typologie
Mit der vorgeschlagenen Bebauung wird eine klare Zuordnung von Baufeldern gebildet, welche das Areal im Hinblick auf Öffentlichkeit und Privatheit zonieren. Das zuvor diffuse Gefüge der Bestandssiedlung wird in kleinere Schollen gegliedert, wodurch eine nachbarschaftliche Ordnung entsteht. Bestandsgebäude formen in Ergänzung neuer Baukörper offene Blöcke und konturieren halböffentliche, wohnungsnahe Freiflächen. Durch Weitungen der Bebauung an drei Stellen der Quartierskante wird der Zugang in die öffentlichen Quartiersfreiräume betont; hier entstehen an den dreigeschossigen Quartiersgaragen, welche sich gestalterisch sensibel der kleinteiligen Nachbarbebauung fügen, kleinere Entrée-Plätze mit Mobilitätsangeboten. Durch Neudefinition der Verkehrsräume und Reorganisation des ruhenden Verkehrs entsteht im Quartiersinneren ein autofreier, blaugrüner Durchwegungsraum, welcher einerseits von Bestandsgebäuden anderseits von neuen Baukörpern flankiert wird; vier-geschossige Punkthäuser bilden hier die Kante der offenen Blockensembles aus darüber hinaus zweieinhalb-geschossigem Bestand sowie dessen maßstabsgerechten, zeilenförmigen Adaption. Eine fünf-geschossige Sondertypologie besonderer Nutzung bildet eine Kante um den neugeformten Karl-Marx-Platz. Durch die unterschiedlichen Typologien und städtebaulichen Formationen wird eine hohe bauliche und soziale Vielfalt im Quartier garantiert. Die Varianz der Wohntypologien reicht von durchgesteckten Zeilen über Punkthäuser mit Kernerschließung bis zu Reihenhaustypen im Plangebiet des Ideenbereichs. Aufgrund der Verwendung wiederkehrender Typologien ist eine wirtschaftliche Errichtung des Quartiers gewährleistet.

Grün- & Freiraumstruktur
Die Freiraumstruktur folgt der Prämisse der ökologischen Qualifizierung und klimagerechten Planung. Die autofreie Quartiersdurchwegung mit seiner Vielfalt an Vegetation, Spiel-, Aufenthalts- und Begegnungsflächen bildet dabei das blaugrüne Rückgrat der neuen Quartiersstruktur. Neue Baumbepflanzungen schaffen hier schattige, intime Orte im Grün, welches durch Stauden, Gräser und Retentionsfläche strukturiert wird. Entréeplätze mit Mobilitätsangeboten an den Quartierskanten verdeutlichen das freiräumliche Angebot auch an den umgebenden Stadtraum und bieten Zugang ins Quartiersinnere mit dem neudefinierten Karl-Marx-Platz. Dieser wird als grüne-Plaza ausgebildet, als neuer Treffpunkt in der Reinterpretation des Archetyps Platz als grüner Ort der Gemeinschaftlichkeit. Ein Wasserspielplatz markiert die ehemalige Lage des Platzes. In der zweiten Reihe dienen die Wohnhöfe den Bewohner*innen als aktive grüne Treffpunkte mit privaten und halb-öffentlichen Gärten, welche auf Teilflächen die Bestandsstruktur der Kleingärten aufgreifen.

Mobilität & Erschließung
Das Planungsgebiet ist durch die Lage zwischen Pulvermühlenweg und Leipziger Straße, über den auch der Radweg Neuseenland verläuft, sowie Uferstraße und Mendelssohnstraße verkehrlich bestens erschlossen. An der östlichen Kante des Plangebietes liegt eine Bushaltestelle, welche mit der hier zu errichtenden Quartiersgarage und dem vorgelagerten Mobilitätsplatz einen Hub der unterschiedlichen Verkehrsarten bildet. Hier stehen ebenso Sharing-Angebote für das Quartiersumfeld bereit wie am weiteren Hub mit Platz und Quartiersgarage an der Nordstraße (und optional am Pulvermühlenweg/Ideenbereich). Die Plätze bilden zudem als Entrées den Zugang über die autofreie Mitte ins Quartier. Dank der Quartiersgaragen muss der motorisierte Individualverkehr nicht in die grüne Quartiersmitte geführt werden. Diese bleibt, mit Ausnahme der für Feuerwehr und Anlieferung notwendigen Zuwegungen und Rangierzonen, vom motorisierten Verkehr befreit. Die bestehenden Erschließungsstraßen Georg-Schwarz, Otto-Engert und Nordstraße (Nord-Süd-Abschnitt) werden zu Stichstraßen im Sinne von mischgenutzten, begrünten Wohnwegen umprogrammiert. Auch hier ist aufgrund der niedrigen Verkehrsgeschwindigkeit neben dem Angebot an Besucherstellplätzen freies Kinderspiel und nachbarschaftliches Zusammenkommen möglich. Im potentiellen, nord-westlichen Planungsbereich wird an der Kita Raum für Stellplätze und eine Kiss-&-Ride-Zone vorgesehen.

Nutzungsverteilung
Um die primäre Quartiersaufgabe zur Schaffung und Qualifizierung von Wohnraum zu gewährleisten, werden neben der potentiellen Ertüchtigung des Bestandes unterschiedliche Gebäudetypologien für ein vielfältiges Wohnangebot gesetzt. Als nutzungstruktukturelle Ergänzung und Belebung der öffentlichen Mitte sind am Karl-Marx-Platz erdgeschossige Unterlagerungen vorgesehen. Hier finden kleinere Läden und soziale Initiativen wie ein Ortsteilzentrum oder Mehrgenerationenclubs ihren Raum. Mit der potentiellen Beplanung des Ideenbereichs wird die Kita an der nordwestlichen Kante in das Quartier eingewebt. Weitere soziale Infrastrukturen wie nachbarschaftliche Optionsräume sind entlang der Quartiersdurchwegung in den Erdgeschossen der Punkthäuser additiv realisierbar. Das Wohnungsangebot ist gemäß den Bedarfen zu 50% nach den Förderrichtlinien für gebundenen Wohnraum des Freistaats Sachsen und im Geschosswohnungsbau geplant. Die punktförmigen Baukörper ermöglichen eine Vielzahl an unterschiedlichen Wohnungstypologien und -größen. Die gesellschaftliche Durchmischung ist somit nicht nur innerhalb der Nachbarschaft, sondern auch innerhalb der Hausgemeinschaft möglich.

Gebäudetypologien (Neubau & Bestand)
Drei verschiedene Neubautypologien bieten eine bauliche und typlogische Ergänzung des Bestandes und sorgen für eine stärkere bauliche und soziale Durchmischung des Quartiers. Die neuen Typen (Reihenhaus, Solitär, Zeile) reagieren in ihrer Maßstäblichkeit sensibel und differenziert auf den Bestand und ergänzen ihn zu neuen Ensembles. Die Verwendung von wiederkehrenden Typologien garantieren eine wirtschaftlich nachhaltige Errichtung der Neubauten. Nach Möglichkeit wird auch der Bestand auf Defizite und Qualitäten untersucht und bewertet. Verschiedene Umbauszenarien könnten entwickelt werden, die einerseits eine Barrierefreiheit der Bestandswohnungen, ökologische Erneuerung und andererseits wohnungsnahe Freiräume (Garten, Terrasse, Veranda) ermöglichen.

Klima & Energie
Nach dem Prinzip der „Schwammstadt“ wird auf den flachen Gebäudedächern anfallendes Regenwasser gesammelt und gebäudebezogen nachgenutzt. Überschüssige Wassermengen werden quartiersintern in Retentionsmulden versickert oder verdunstet. Zusätzlich werden auf den Dächern der Gebäude, an den Fassaden und um die Sockelzonen ausreichend Grünflächen vorgesehen, womit das neue Quartier einen aktiven Beitrag zum guten Stadtklima leistet. Auf den Dächern sind zudem Photovoltaik-Elemente vorgesehen, die der Energiegewinnung der Gebäude dienen und Überschüsse ggf. ins Stadtnetz abführen können. Die Freiräume der Quartiersdurchwegung und die offenen Höfe schaffen Raum für Durchlüftung der Siedlung bzw. Luftzirkulation innerhalb der Höfe. Entlang des Freiraumbands dienen Wasserelemente, Retentionsflächen und neue Baumbepflanzung der natürlichen Kühlung. Hier und in den Wohnhöfen sind bepflanzte Mulden mit Gräsern und Wildstauden verortet, die den grünen identitätsstarken Charakter des Quartiers kennzeichnen. Sie dienen zur Versickerung und Verdunstung des anfallenden Niederschlags als Beitrag zu einem nachhaltigen Regenwassermanagement und verbessern das Kleinklima des Quartiers. Erklärtes Ziel ist die Schaffung einer erhöhten Resilienz gegenüber den anstehenden klimatischen Veränderungen.
Stufenweise Entwicklung
Die vorgeschlagene Struktur ermöglicht aufgrund seiner gegliederten Planungsfelder eine sukzessive Entwicklung. Der zentrale Realisierungsteil bildet mit dem blaugrünen Freiraum und den neuen Bautypologien genügend Potential für die charakterliche und funktionale Arrondierung der Siedlung. Die verkehrliche Neuordnung kann auch in den angrenzenden Ideenbereichen für hohe Freiraumqualifizierung im Bestand beitragen, die dort begleitend oder folgend realisiert werden sollte. Ergänzend ist der nordöstliche Ideenbereich ein Baustein zur adäquaten Erweiterung des Quartiers. Modernisierung und Qualifizierung der Bestandsbauten wäre ein weiterer optionaler Bauabschnitt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit 1002 überzeugt durch ein starkes Freiraumkonzept, welches allerdings nicht adäquat durch die städtebaulichen Setzungen aufgefangen wird.

Der Freiraum ist stringent entlang eines durchgehenden Grünzuges organisiert, „Entréeplätze“ an Leipziger Straße, Pulvermühlenweg und Nordstraße verbinden das neue Quartier mit den umgebenden öffentlichen Räumen und stellen die Vernetzung Richtung Stadtzentrum, Park und See her, der Karl-Marx-Platz ist als Mittelpunkt des Quartiers an Stelle des bestehenden Platzes mit größerer Fassung und sehr angemessener Maßstäblichkeit neu angelegt. Auf das Gebiet verteilte wohnnahe Spielangebote vervollständigen das Freiraumkonzept.

Der zentralen Grünzuge bedient in vorbildlicher Weise die heutigen Anforderungen an städtische Freiräume: Gemeinschaftsflächen und der zentrale Platz schaffen Orte für Begegnung und Interaktion und schließen den Bestand selbstverständlich mit ein. Stadtökologische Anforderungen werden unter der Überschrift „Schwammstadt“ integriert. Die Erschließungsfunktionen sind differenziert geplant, der zentrale Grünzug ist autofrei, die Erschließung für den Fahrverkehr erfolgt über separate Wohnwege von außerhalb des Quartiers, was allerdings kritisch bewertet wird, da hierdurch in den bestehenden Anliegerstraßen zusätzlicher Verkehr aufgenommen werden muss. Notwendigkeiten für Rettungswege und Ver- und Entsorgung sind nicht nachgewiesen, eine notwendige Konkretisierung würde zu Lasten der Freiräume gehen.

Leider wird die stringente Qualität des Freiraumkonzeptes durch die unentschlossenen und beliebig wirkenden Baukörper städtebaulich nur unzureichend gefasst. Der Wechsel aus kompakten Solitären und kurzen Zeilen vermag den Stadtraum nicht zu fassen und auch nicht zu strukturieren. Die Freiräume zwischen den Gebäuden zerfließen und sind hier nur noch unzureichend gelöst, die Heckenstrukturen zur Abgrenzung individueller, den Wohngebäuden zugeordneter Außenräume wirken uninspiriert. Die Anordnung einer Quartiersgarage an der Nordstraße wird kritisch bewertet, ebenso die Erschließung der Wohngebäude von der Nordstraße aus. Die Realisierung des Umsetzungsbereiches gestaltet sich unter heutigen Bedingungen schwierig.

Die vielversprechende, vom Freiraum bestimmte Grundstruktur, kann in der städtebaulichen Ausformulierung nicht überzeugen, letztendlich sind Bauweisen und Körnung dem Ort nicht angemessen und wirken beliebig.
Konzeptpiktogramm

Konzeptpiktogramm

Strukturplan

Strukturplan

Prikotgramme

Prikotgramme

Lageplan

Lageplan

Klimakonzept

Klimakonzept

Energiekonzept

Energiekonzept

Ausschnitt

Ausschnitt

Axonometrie

Axonometrie