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Offener Wettbewerb | 02/2023

Erweiterungsbau Gymnasium Neufeld in Bern (CH)

3. Rang / 3. Preis

Preisgeld: 45.000 CHF

wulf architekten

Architektur

holzprojekt AG

Tragwerksplanung

JACOBPLANUNG

Landschaftsarchitektur

Pfister Modellbau

Modellbau

Aron Lorincz Ateliers

Visualisierung

Erläuterungstext

Das teilweise denkmalgeschützte Schulbauensemble aus den 60er-Jahren soll in dialogischem Zusammenspiel ergänzt werden. Dem weiterhin dominanten Hauptgebäude wird ein „kleinerer Bruder“ zur Seite gestellt, der ihm strukturell und räumlich ähnelt. Sein äußeres Erscheinungsbild verwendet zeitgemäße Mittel, beispielsweise beim Sonnenschutz, korrespondiert aber in seinen Proportionen und Gliederungen mit dem Hauptbau. Eine Besonderheit des Entwurfes ist die Übernahme der Rohbaukonstruktion des zum Rückbau freigegebenen bestehenden Nebengebäudes.
Dies spart im Vergleich zu einem kompletten Neubau graue Energie ein und ist somit ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit. Die bestehende Stahlkonstruktion wird erhalten, ertüchtigt und durch eine Holzkonstruktion für das restliche Gebäude ergänzt. Die bestehende „Platte“, die die beiden Gebäude verbindet, wurde beibehalten und neu organisiert. In diesem Zusammenhang erhält der Neubau ähnlich wie der Hauptbau einen weiteren Zugang vom tieferliegenden Strassenniveau. Auch die innere Erschliessungsstruktur über ein die gesamte Höhe des Hauses umfassendes schmales Atrium mit Treppenaufgängen wurde übernommen und weiterentwickelt. Die Sporthalle und Technik- sowie Nebenräume sind unter der „Platte“ angeordnet, während sich darauf ein von beiden Gebäuden flankierter Pausenhof erstreckt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt «Gebäude Nord Nord Gebäude» soll den Bestandsbau in der Nord-West-Ecke des Perimeters ergänzen. Es zeichnet sich durch die Weiterverwendung des Stahlskelett-Tragwerks aus, welches horizontal erweitert und um ein Geschoss aufgestockt wird. Zwischen dem Hauptbau und dem erweiterten Nord-WestBau entsteht ein grosszügiger Aussenraum. Die Schaffung eines neuen Hauptzugangs auf der Seite Bremgartenstrasse im Gebäudeinneren scheint die Gesamtkonzeption der Anlage eher zu schwächen, da die Plattform so nicht mehr als konstituierende Grundebene, sondern als 1. Obergeschoss wahrgenommen wird.
Ein grosszügiger Vorplatz mit ungedeckten Fahrradabstellplätzen spannt sich vor dem transparenten Sockelgeschoss auf. Das breite Entrée führt direkt in den Lichthof mit breiter Treppe, welche prominent auf das Niveau der Esplanade führt. Im Gegensatz zum Bestand wird dadurch ein neuer Ausdruck für den Komplex entwickelt. Das Hauptkonzept der Aussenraum-Gestaltung liegt beim Weiterführen der Esplanade, angebunden an das natürliche Niveau mit Rampen und Treppen. Zur natürlichen Belichtung der unterirdischen Doppelsporthalle werden auf dem Pausenplatz punktuelle Glasoblichter vorgeschlagen, welche auch als Sitzgelegenheiten dienen sollen. Diese wechseln sich mit vereinzelten Pflanztrögen, für ein paar wenige Bäume ab. Die Glasoblichter mit Sitzgelegenheit sowie die beiden Behältnisse für Bäume und Gehölze genügen nicht, um dieser grossen Platzfläche Leben einzuhauchen. Die Aufenthaltsqualität wird insbesondere im Sommer durch fehlenden Schatten und Hitzeentwicklung stark eingeschränkt sein. Auf den Plänen lässt es sich nicht erschliessen, ob die Substratstärke über den Gebäudeteilen für grössere Bäume sichergestellt werden kann. Entlang der Bremgartenstrasse und nahe dem unteren Haupteingang werden offene Velo-Abstellplätze angeboten, ergänzt durch ein Velo-Parking, welches unter der Esplanade vorgesehen wird. Entlang der westlichen Parzellengrenze befinden sich, getrennt vom Langsamverkehr, MIV-Parkplätze. Der Freiraum wirkt in seiner Gestaltung und Darstellung sehr schematisch und ist wenig differenziert ausgearbeitet.
Der Haupteingang erfolgt via die Esplanade. Räumlich wird dieser über das zentrale Atrium und einem grosszügigen Treppen- und Sitztribünen-Dispositiv geschickt mit dem strassenseitigen Eingang verbunden. Das zentrale Atrium macht alle Geschosse räumlich erlebbar. Grosszügige und wechselseitig disponierte «freie» Treppen schaffen eine vertikale Haupterschliessung, welche auch der Begegnung dient. Im Sockelgeschoss befinden sich diverse Nebenräume, alle Schulschliessfächer sowie die Garderoben und Theorieräume für die ein Geschoss darunter liegenden Sporthallen. Ergänzt wird dieses Untergeschoss mit den der Halle angegliederten Geräteräumen sowie der Haustechnik. In den Obergeschossen wird der Grundriss neu als 2-Bünder um das zentrale Atrium disponiert. Service-Kerne übernehmen die Geometrie des Atriums und definieren dadurch die Lauflängen der offenen Treppen. Diese fallen trotz Verzichts auf Zwischenpodeste sehr steil aus und werden den Ansprüchen an einen öffentlichen Bau nicht gerecht. Die Unterrichtszimmer werden hauptsächlich süd- oder nordorientiert. Deren Flächenbedarf zusammen mit dem strukturellen «Korsett» des Tragwerks führen zu einer grossen Zahl von Zimmern, die sich in die Tiefe hinein organisieren. Verglaste Gangwände zum Atrium hin sollen die Belichtung dieser Räume verbessern, was angesichts der vorgeschlagenen Ausrichtung der Zimmer sicher fraglich ist. Die verschiedenen Vor- und Rücksprünge der Erschliessungszonen sollten diese bereichern, führen aber zu einem unübersichtlichen und wenig grosszügigen Raumeindruck. An den Stirnfassaden befinden sich zudem schwierig nutzbare Räume. Im obersten Geschoss kompliziert sich der Grundriss aufgrund des Tragwerks, da im Bereich der Aufstockung über den Bestand die nordseitigen Unterrichtsräume bis ans Atrium geführt werden und dadurch die Erschliessungen zum Teil in Sackgassen münden.
Das Projekt sieht eine Ausfachung der bestehenden Stahlskelett-Struktur sowie seine Erweiterung in Holz-Hybridbauweise vor. Dadurch entsteht ein spannendes und erlebbares «Nebeneinander» der Konstruktionstypen, was zum spezifischen Charakter des Projekts beiträgt. Allerdings werden beim bestehenden Tragwerk verschiedene Stützen entfernt, was zwar funktionell verständlich ist, wegen der entsprechend notwendigen Verstärkungen aber die Idee der Wiederverwendung schmälert. Das Übernehmen des bestehenden Stützenrasters für die «Erweiterung in Holz» ist nicht nachvollziehbar. So schränken unter anderem die ca. 5 m hinter der Fassade liegenden Stützen zukünftige Umnutzungen der Geschosse massiv ein. Die weitgespannten hölzernen Unterzüge des neueren Gebäudeteils spannen quer über die Schulräume, was an sich interessant sein könnte, jedoch in Bezug auf die Trägerhöhe überprüft werden muss. Die künftig mögliche Aufstockung soll die bestehende Stahlstruktur nicht zusätzlich belasten. Dies geschieht mit geschosshohen und raumtrennenden Fachwerk-Trägern, die ihre Lasten über die mit Holz verstärkten bestehenden Stützen abtragen. Dies erfordert entsprechende Vorinvestitionen.
Die Organisation des 3. OG mit Türöffnungen im Bereich der Fachwerke ist anspruchsvoll. Der Korrosionsschutz der Stahlträger ist zu erneuern und die frei liegenden Stahlbauteile mit einem Brandschutzanstrich zu versehen, was einen entsprechenden Unterhalt erfordern wird. Der Abschluss des zentralen Atriums erfolgt in Anlehnung an den Bestand mittels einer grossen «Abdeckung». Diese gewährt eine gute und geschützte Nachtauskühlung, schränkt aber gleichzeitig die notwendige Tageslicht-Nutzung stark ein. Im südwestlichen Trakt werden Teile des 2. UG erhalten, im nordöstlichen Teil Abschnitte des 1. UG. Dies ist grundsätzlich zu begrüssen, ist aber in Hinsicht auf die Machbarkeit der Lastenübertragung auf die Fundamente noch zu verifizieren. Die Turnhalle wird zwischen den beiden Schulgebäuden platziert. Beim bestehenden Hauptbau werden dabei die Fundamentvorsprünge abgeschnitten, was erhebliche Aufwände bewirkt. Trotz Weiterverwenden des Tragwerks entwickeln die Verfassenden einen eigenständigen, homogenen Ausdruck für den Erweiterungsbau. Die Esplanade ist zwar rundherum angedeutet, sie wirkt jedoch eher als Balkonelement denn als konstituierende Plattform. Auch die Fassadengestaltung vermittelt mit den schräggestellten PVElementen und der fehlenden Differenzierung der Geschossigkeit einen schematischen und etwas technoiden Charakter. Diese bewusst eigenständige Identität steht im Widerspruch zum Konzept der Weiterverwendung und vermag daher das Gebäude nur ungenügend ins Ensemble einzubinden.
Der Projektvorschlag besticht in erster Linie durch die Weiterverwendung der bestehenden Rohbaustruktur. Auch wenn dieser Ansatz zweifellos bestechend und hochaktuell ist, muss es erlaubt bleiben, die Folgen dieses Ansatzes mit anderen Ansprüchen abzuwägen. Insgesamt werden die Regelgeschosse sowohl in ihren Grundriss-Dispositionen und Flexibilität als auch in der Qualität der Erschliessungszonen stark geprägt von Aspekten, die der Weiternutzung der Bestandsstruktur geschuldet sind. Es handelt sich bei dem Projekt «Gebäude Nord Nord Gebäude» um einen sehr spannenden und wertvollen Beitrag, der leider in relevanten Aspekten (noch?) nicht ganz zu überzeugen vermag.

Lageplan

Lageplan

Erdgeschoß

Erdgeschoß

1. Obergeschoß

1. Obergeschoß

Querschnitt

Querschnitt

Isometrie

Isometrie