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Partizipativer Planungsprozess | 09/2023

Neuordnung altstadt.raum Bielefeld

Würdigung

Octagon Architekturkollektiv

Stadtplanung / Städtebau

StadtLabor

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

OFFENE ALTSTADT - Miteinander in der Bielefelder Mitte
Ausgangslage - Potenziale für Alle unter der Sparrenburg
Der als „altstadt.raum“ bezeichnete nördliche Teil der Bielefelder Innenstadt ist das Herz der Stadt und bietet viel-fältige Nutzungs-, Begegnungs- und Erlebnismöglichkeiten. Trotz der heterogenen Wirkung und der aufgeworfenen Problemlagen scheinen der freiräumliche Zustand und die Erreichbarkeit des altstadt.raums besser als in manch vergleichbarer Stadt gleicher Größe. Auffällig erscheinen jedoch die häufigen, harten Trennungslinien als Auswir-kung von Flächenkonkurrenz: Kommerzielle Außengastronomie belegt weite Teile der zugänglichen Freibereiche oder grenzt Räume baulich ab, dem fließenden und ruhenden Verkehr wird in den Altstadtstraßen viel Platz einge-räumt, Angebote für Kinder und Jugendliche oder unkommerziellen Aufenthalt sind rar. Auch Wegebeziehungen wie zur bedeutsamen Sparrenburg sind oft undeutlich oder baulich verstellt. Der Bearbeitungsfokus zielt demnach auf Beruhigung, Gliederung und Diversifizierung des öffentlichen Raumes. Dabei kann auf eine Vielfalt von Bestands-qualitäten und Potenzialen zurückgegriffen werden.
Gesamtkonzept - Räume verbinden & Gemeinschaft stärken
Das Konzept verfolgt die Auflösung störender Segregationslinien in jeglicher Hinsicht. Aus dem Nebeneinander der Akteure wie Gewerbetreibende, Bewohner:innen oder Besucher:innen mit unterschiedlichen Bedarfen und dem offensichtlich flächenmäßigen 'Abgrenzungsbedürfnis' zwischen verschiedenen Flächeneigentümern bzw. -nutzungen wird an einem Miteinander in den öffentlichen Flächen gearbeitet. Verkehrsräume werden zugunsten der Vielfalt an Mobilitätsbedarfen unter Berücksichtigung der schwächsten Verkehrsteilnehmer neugeordnet und die räumliche Dominanz des PKW reduziert. Gleichzeitig bliebt die Erreichbarkeit per Auto gewährleistet. Ökologi-sche Themen finden durch Baumsetzungen auf ehemaligen Straßenparkplätzen neue Räume wie in der Konzeption der großen, dezentralen Plätze. Mobilität, Ökologie und Aufenthaltsqualitäten finden hier zusammen; es entstehen Orte, die touristisch gastronomische Angebote ebenso abbilden wie unkommerzielle Begegnungsräume für alle Bielefelder:innen. Mit zusätzlichen Spielplätzen oder baumverschatteten Sitzgelegenheiten stehen auf Plätzen, Straßen und Grünflächen generationenübergreifende Angebote zur Verfügung. In der wohngeprägten äußeren Altstadt werden Ecken und Nischen im Straßenraum zu Nachbarschaftsorten mit Baum und Bank. Stadträumliche Zusammenhänge werden durch klarere Wegebeziehungen herausgearbeitet und die Altstadt mit ihrem Umfeld verknüpft. Ein grüner Loop bindet die Sparrenburg an und holt mehr klimatisch wirksames Grün in den vielfältig weiterentwickelten altstadt.raum.

Mobilitätskonzept - Beständige Erreichbarkeit & Grüne Verknüpfungen
Fußverkehr soll im altstadt.raum die höchste Priorität erhalten. Das zusammenhängende Netz von Fußgängerstra-ßen wird dafür erweitert, bestehende Unterbrechungen werden zum Teil aufgehoben. Gestärkt und weiter ausge-baut werden durchgängige Achsen in Ost-West- und in Nord-Süd-Richtung. Die Erreichbarkeit der stadtbildprägen-den Sparrenburg für Fußgänger wird qualifiziert, indem ein direkter und sich selbsterklärender Weg als Teil eines Grünzugs angelegt wird.
Trotz der Ausweitung des Fußverkehrsnetzes bleiben alle Parkhäuser und privaten Stellplätze erreichbar. Der private Pkw-Verkehr wird im altstadt.raum jedoch auf diese Funktionen beschränkt. Durchgangsverkehr wird unterbunden (Ritterstraße, Altstädter Kirchplatz) und durch eine Schleifenlösung ersetzt. Die einzige Altstadtquerung für Pkw bleibt der Straßenzug Waldhof / Am Bach. Im gesamten altstadt.raum soll Tempo 20 gelten (verkehrsberuhigter Geschäftsbereich). Parken im öffentlichen Straßenraum bleibt grundsätzlich erhalten, jedoch in etwas reduziertem Umfang für die wirklich erforderlichen Belange (Liefern, Behinderte, Kurzzeitparken). Dies kann durch die freien Kapazitäten der Parkhäuser problemlos kompensiert werden. Grundsätzlich sollten alle Kurzzeitparkplätze bewirt-schaftet werden, um diesen kostbaren Straßenraum für Viele freizuhalten und die Parkhäuser besser auszulasten. Lieferverkehr bleibt zwar zeitlich eingeschränkt, genießt jedoch Sonderrechte in Fußgängerzonen.
Radverkehr ist in allen Straßen möglich, in Einbahnstraßen auch in Gegenrichtung. Eigenständige Radwege werden aufgrund der flächenhaften Verkehrsberuhigung aufgegeben, um Fußgängern mehr Bewegungs- und Aufenthalts-raum zu geben. An relevanten Punkten außerhalb der Fußgängerbereiche wird das Angebot an Radstellplätzen ausgebaut. Für ganztägiges Parken werden gesicherte und überdachte Stellplätze in Mobilitätsstationen angebo-ten.
Mobilitätsstationen werden aus bestehenden Parkhäusern entwickelt und bieten ein vielfältiges Angebot an Park- und Servicemöglichkeiten für Pkw, Motorräder und Fahrräder an. Die teils großen Dach- und Fassadenflächen die-nen zur Energieerzeugung für E-Mobilität, bei schlechter Besonnung als Grüne Kulissen.
Die Erreichbarkeit des altstadt.raums durch ÖPNV ist zwar auf den umgebenden Hauptverkehrsstraßen gegeben, qualitativ jedoch sehr unterschiedlich. Während am Niederwall ein dichter Stadtbahntakt umsteigefrei zum Haupt-bahnhof führt, fällt diese Relation auf dem Oberntorwall deutlich schwieriger aus. Hier wäre eine vergleichbare und sichtbare Taktung durch eine starke Buslinie zum Hauptbahnhof erforderlich.

Freiraumkonzept - Vielfältige Aufenthaltsräume & Stadtklimatische Wirksamkeit
Das größte flächenhaft zusammenhängende Angebot an Aufenthaltsräumen bieten die Fußgängerbereiche mit den in ihnen eingebundenen Altstadtplätzen. Der Vorschlag erweitert dieses Geflecht und bietet zusätzlich noch punktuelle Aufenthaltsbereiche (Taschenplätze) nach dem Vorbild des beliebten Mirabellenplatzes.
Kernidee ist der Vorschlag, die bestehende Materialität und Gestaltung der zentralen Fußgängerzonen auf den gesamten altstadt.raum auszudehnen, unabhängig von jeweiligen verkehrlichen Bestimmungen. Dieser Ansatz verbindet sinnfällig alle Räume innerhalb der Wallanlagen und bringt gestalterische Ruhe in die teils kontrastreichen Baustrukturen. Unterschiedlich ausgebildet werden lediglich funktionale Details wie Fahrbahnbegrenzungen, die sich bei Erfordernis auch leicht ändern lassen. So entsteht ein insgesamt hochwertiger Eindruck auch in heute unter-repräsentierten Straßen der Altstadt. Mit dem Verschwinden des Asphalts wird auch die Betonung des Fußverkehrs gestärkt. Eine Ausnahme bildet der Straßenzug Waldhof / Am Bach als stärker befahrene Erschließungs- und Ori-entierungsachse.
Straßenräume werden punktuell durch einseitige Baumreihen ergänzt. Für die in jüngerer Zeit umgestalteten Fuß-gängerbereiche kann dies langfristig auch erfolgen, im Blickpunkt stehen jedoch zunächst die Straßenräume mit schlechterem Zustand. Für wichtig erachtet wird die Schließung von Lücken am Stadtring, insbesondere am Jahn-platz. Nach Verfüllung der Unterführung bietet sich die Gelegenheit, den sinnfälligen Zusammenhang trotz geänder-ter Straßenführung wiederherzustellen. Vorgeschlagen wird auch der Rückbau des Pizza-Hut-Gebäudes, um die Sichtbeziehung zwischen Jahnplatz und dem Theater wieder zu ermöglichen.
Die Straße Am Bach erhält als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich eine angepasste Fahrgasse, die eine Offenle-gung der Lutter nach dem Beispiel der Ravensberger Straße ermöglicht. Die Ausstattung an Mobiliar im öffentlichen Raum greift ebenfalls auf bestehende Elemente (Bänke, Leuchten) zurück, ergänzt um individuelle Akzente an den Stadtplätzen. In Straßen mit weniger Grün und hoher Aufheizung können Sprühdüsen in Mastform sowie kleine Trinkbrunnen Abkühlung und Erfrischung bieten.
Eine besondere und sehr individuelle Rolle spielen die kleinen Taschenplätze. Sie bereichern das bestehende Ange-bot an Stadtplätzen um kleine Treffpunkte für die Bewohnerschaft, die sich wie Perlen über die gesamte Altstadt legen.
Die vier im Fokus stehenden Stadtplätze weisen, angelehnt an die Materialität und Möblierung der zentralen Fuß-gängerzonen zu einem einheitlichen Erscheinungsbild, ebenfalls formale Ähnlichkeiten auf. Jeder Platz wird jedoch mit einem eigenen gestalterischen Fokus der Bespielung und Atmosphäre des Ortes auf angemessene Weise inter-pretiert. Alle Stadtplätze spannen jeweils von Fassade zu Fassade, sodass die Plätze wichtiger und lesbarer gegen-über dem Straßenverkehr werden. Die vorhandenen Barrieren und Grenzen werden aufgelöst um eine fließende Durchwegung zu ermöglichen und ein Gefühl von Weite zu vermitteln. Eine klare Lesbarkeit der Nutzungszonierung wird durch Belagswechsel oder dezente Markierungen am Boden erreicht. Zugunsten eines besseren Mikroklimas und Regenwassermanagements werden jeweils Teile der Plätze entsiegelt und die Bepflanzung durch Bäume und Sträucher mit Blüh- und Fruchtaspekt ergänzt, um die Biodiversität zu erhöhen.
Der Klosterplatz ist der größte der vier Plätze und ermöglicht eine multifunktionale Nutzung als alltäglicher Stadt-platz für alle, als Pausenhof der Klosterschule sowie für Nutzungen der Kirchgemeinde, Flohmarkt, Kulturveranstal-tungen, Straßentheater, Marktstände etc. Der Platz wird von der Pfarrkirche bis über die Ritterstrasse erweitert, diese wird als Platzüberfahrung mit markierter Fahrbahn und Tempolimit weitergeführt. Die große gepflasterter Platzfläche wird durch die subtile Ausbildung einer umlaufenden Kante hervorgehoben. Im Randbereich sind Aus-stattungselemente und Möblierung angeordnet sowie die Sitzbereiche der angrenzenden Gastronomie. Die zentra-le Platzfläche ist durch großzügige Bauminseln mit wassergebundener Decke strukturiert, flexible Sitzmöbel laden zum Aufenthalt unter dem Blätterdach ein. Bodengleiche Spielelemente und ein Fontänenfeld bieten Spielmöglich-keiten ohne die Flexibilität in der Nutzung zu beeinträchtigen. Der Baumbestand der großkronigen Laubbäumen wird durch kleinere Bäume mit Blühaspekt ergänzt.
Der Bunnemannplatz verknüpft als grüner Verbinder den Park der Menschenrechte mit der Fußgängerzone (Obern-straße). Der längliche Raum wird durch Sitzinseln mit Schattenstauden und Gräsern zoniert. So entstehen klar ab-lesbare Sitzbereiche der Gastronomie entlang der Fassaden, eine zentrale Wegeverbindung entlang welcher Sitze-lemente zum konsumfreien Aufenthalt einladen sowie ruhige, begrünte Aufenthaltsbereiche im weniger belebten Teil. Die länglichen Grünelemente integrieren den Baumbestand und betonen den schluchtartigen Charakter des Raumes, der eine kühle, grüne Oase an heißen Tagen darstellt.
Der Süsterplatz spannt sich rings um die Süsterkirche bis zur gegenüberliegenden Fassade, was durch eine einheitli-che Pflasterung visuell gestärkt wird. Eine Überfahrung für den MIV wird durch eine markierte Fahrspur (Spielstra-ße) gewährleistet. Die Parkmöglichkeiten entlang der Ritterstrasse entfallen (bzw. werden ins Parkhaus verlegt), sodass die Flächen entlang der Fassade für Freisitze der Gastronomie genutzt werden können und der Platz selbst sowie die Wegebeziehungen über den Platz freigehalten werden können (Anbindung Mauerstraße, Gasse zur Nie-dernstraße). Die Süsterkirche als zentrales Element des Platzes wird durch eine Einfassung in wassergebundener Decke inszeniert und die gesamte Kirchenfassade durch die Bestuhlung der Freisitze sowie mobile Sitzmöbel (die einen konsumfreien Aufenthalt gewährleisten) umspielt. Die vorhandene Skultpur wird in eine größere Wasserflä-che integriert, welche als Spielfläche dient und neben ergänzenden Baumpflanzungen mit Blühaspekt für ein ange-nehmes Mikroklima sorgt.
Der Altstädter Kirchplatz wird, durch ein rings um die Kirche laufendes Pflaster ebenfalls bis an die gegenüberliegen-den Fassaden geführt, sodass die Kirche gemeinsam mit dem Theater als Gebäudeensemble freigestellt wird und einen entsprechenden Rahmen bekommt. Im Norden der Kirche zieht sich der Platz bis zu den angrenzenden Arka-den, dazwischen bieten begrünte Pergolen Platz zum Sitzen und Essmöglichkeiten. Der Platz wird von ruhendem Verkehr befreit und die Straße in einen verkehrsberuhigten Bereich umgewidmet, sodass die Flächen rings um den Stadtgarten vornehmlich dem Fuß- und Radverkehr dienen. Der hinter der Kirche liegende Kirchgarten wird als gro-ßer Stadtgarten mit einladenden Rasenflächen und raumbildenden extensiven Stauden- und Strauchbepflanzung ausformuliert. Ein Wegenetz aus wassergebundener Wegedecke sorgt für eine bessere Durchwegbarkeit sowie weitläufige Sichtbeziehungen zur Kirche. Im Zentrum stehen der Brunnen mit dem Leinweberdenkmal sowie eine Spiel- und Aufenthaltsfläche unter Bäumen. Mobile Sitzmöbel und Bänke entlang der Wiesenfläche bieten Sitzgele-genheiten im Grünen.
Die schrittweise Umgestaltung insbesondere der vier Stadtplätze ermöglicht, einen speicher- und versickerungsfähi-gen Untergrund auszubilden. Alle Plätze bieten aufgrund des großen Volumens an Biomasse einen wasserspei-chernden und kühlenden Effekt, der durch technische Unterstützung noch verstärkt werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag „Offene Altstadt. Miteinander in der Bielefelder Mitte“ zeichnet sich dadurch aus, dass der Altstadtraum zunächst stärker mit seiner Umgebung verknüpft werden soll. Auch innerhalb des Wettbewerbsgebiets gilt es zu öffnen, aufzuräumen, neu zu sortieren und Barrieren zu entfernen, um ein Miteinander in der Altstadt zu erreichen und Aufenthaltsqualität im Freiraum zu generieren. Auf konzeptioneller Ebene folgen klare und nachvollziehbare Entscheidungen: Reduzierung des MIV, Vorrang für den Fußgänger, Fahrradverkehr überall, Vereinheitlichung der Beläge, partielle Entsiegelung und Erhöhung des Vegetationsanteils. Dabei entsteht auch die inspirierende Idee von „Taschenparks“, die jedoch überwiegend auf Privatflächen etabliert sind.

Der öffentliche Straßen- und Platzraum im Wettbewerbsgebiet bleibt vom Gesamteindruck meist traditionell „steinern“. Einzelne, neue Baumreihen und -sequenzen in Straßen und die Ausweitung des „Stadtgartens“ auf dem Altstädter Kirchplatz sorgen für punktuell klimawirksame Begrünung. Den Verfasser*innen ist es wichtig, die Oberflächen der Altstadt auf dem bisherigen hohen Standard und relativ einheitlich weiterzuentwickeln, damit Großzügigkeit zu erzeugen. Mit bewussten Materialwechseln soll Lesbarkeit entstehen, letztlich auch das Verhalten im Verkehrsraum beeinflusst werden. Sehr gelungen ist die Haltung, die Platzräume „von Wand zu Wand“ zu denken, so auf dem Klosterplatz.

Im Laufe einer intensiven Diskussion der Arbeit wird deutlich, dass sie im Weiteren jedoch zu wenig präzise auf die jeweiligen Orte eingeht und die Vorschläge – gerade auch für die vier Plätze – vergleichsweise oberflächlich bleiben, beinahe beliebig erscheinen. Sie können so in zu geringem Maße eine tragfähige Basis für die gewünschte Altstadtentwicklung bieten. Unverständlich bleibt beispielsweise, warum für den Klosterplatz nicht die vorhandene Topografie zur Zonierung und Identitätsbildung genutzt wird.

Der „grüne Loop“, der sich, aus dem Skulpturenpark bzw. dem Park der Menschenrechte kommend, über den Kloster- sowie Bunnemannplatz in die Altstadt einhängen soll, wirkt als piktogrammatische Zielstellung sehr interessant, kann jedoch in den tiefergehenden Maßstäben nicht eingelöst werden. Im Klosterplatz kann er nicht erkennbar in den Raum eingeschrieben werden und bleibt Plangrafik. Und für den Bunnemannplatz wirkt diese konzeptionelle Setzung vielmehr als Hindernis für eine dem schmalen, vielgestaltigen Raum adäquate Lösung. Die massive „Durchgrünung“ wirkt in Bezug auf die notwendige Durchwegung und die Nutzungen störend, macht die schmale Gasse unnötig eng und klemmig. Dadurch erscheint die gewünschte Stärkung der Raumbeziehungen nach Süden fast verstellt.

Auch der Vorschlag für den Altstädter Kirchplatz kann konzeptionell zunächst überzeugen: Der „historisch harte“ Platzraum Alter Markt um Kirche und Theater, konsequent von zu vielen Buden befreit, wird im Osten durch den „grünen“ Freiraum kontrast- und spannungsreich ergänzt. Nachvollzogen und begrüßt werden kann auch, dass mit Ausweisung der nördlichen Randstraße als Fußgängerzone und durch Wegnahme der hohen Hecke der neu konzipierte „Stadtgarten“ deutlich nach Norden und Westen aufgeweitet wird. Dennoch stellt sich die Atmosphäre des versprochenen Gartens kaum ein. Der Anteil von Wegeflächen, wenn auch teilversiegelt, erscheint unverhältnismäßig hoch und dominant. Zu viele und auch teilweise konkurrierende Nutzungsangebote drohen den kleinen Freiraum zu überfrachten. Die Wahl der Oberflächen erscheint nicht immer nutzungsgerecht.
Den PKW-, Rad- und Fußverkehr in Anlehnung an Shared Space auf im wesentlichen ebengleichen Flächen ohne allzu deutliche Markierungen, schon gar nicht Abgrenzungen, miteinander fließen zu lassen, wird als Vision für den Altstadtraum mitgetragen. Es bleiben jedoch ortsbezogen Zweifel, ob ein konfliktarmes Miteinander allein durch Markierungsnägel und dezente Strukturwechsel der Oberflächen zu erreichen ist. Die Belange seheingeschränkter Menschen werden hier vermutlich zu wenig berücksichtigt. Deutlichere Trennungen jedoch mag man sich in den so offenen und großzügig gedachten Räumen nicht vorstellen. So wird der stadtgestalterische Anspruch zur alltagspraktischen Bürde der Arbeit.

Parkstände im öffentlichen Raum werden zugunsten von Entsiegelung, Baumpflanzungen und anderen Nutzungen auf nur noch ca. 100 Stellplätze reduziert, die sinnvollerweise im gesamten Altstadtraum verteilt bleiben. Das ist bei den vorhandenen Reserven in den Parkhäusern konsequent und erscheint angemessen.

Insgesamt wird die Arbeit als wertvoller Diskussionsbeitrag geschätzt, kann jedoch in zu geringem Maße zukunftsfähige Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen der Altstadtentwicklung geben.