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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2023

Städtebauliche Entwicklung 37° Nordost in Gladbeck

3. Preis

Preisgeld: 35.062 EUR

Octagon Architekturkollektiv

Stadtplanung / Städtebau

KRAFT.RAUM.

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Get back together! Gladbeck wächst zusammen

Konzept
Das Plangebiet konturiert den Straßenverlauf der neuen Stadtstraße als großen Umgriff zentraler Stadtgebiete und tangiert charakterlich differenzierte Teilräume. Die Überdeckelung der trennenden Verkehrstrasse bietet hier die Chance, die Stadt mit ihren Bezügen, Verknüpfungen und stadträumlichen Qualitäten neu zu ordnen. Durch Qualifizierung bestehender Achsen und ergänzender Verläufe werden die Teilgebiete, deren Charaktere aufge-griffen oder weiterentwickelt werden, zusammengehalten und der öffentliche Raum als Rückgrat der künftigen Stadtentwicklung forciert. Hierzu zählen neben der neuen Stadtstraße mit seinen nun zugewandten Raumkanten insbesondere die nord-südlich ins historische Zentrum verlaufende Horster Straße als urbane Achse und aus dem westlichen Landschaftsraum kommende Grünverläufe, die in die Tiefe der Siedlungsbereiche weitergeführt werden. Mit der besonderen Fokussierung auf Verkehrs- und Freiräume lassen sich klimagerechte Stadterneue-rung mit sozialräumlicher Ertüchtigung und umweltverträglicher Mobilität vereinen. Diese werden auch bei der baulichen bzw. freiraumplanerischen Entwicklung der verschiedenen Quartiersräume verfolgt. Eine grundlegende Gliederung erfährt das Planungsgebiet im nördlichen Abschnitt, der neuen urbanen Stadtmitte, und des Süd-raums als Eingangssituation zwischen Stadt und Landschaft von überörtlicher Bedeutung. Dazwischen werden Flächen eher landschaftsräumlich entwickelt und satte Grünflächen in die Siedlungsmorphologie gewebt. Es entsteht eine ausgewogene Synergie zwischen gebauter Umwelt und vielfältigen Freiflächen für ein künftiges Miteinander der Gladbecker Stadträume und ihren Bewohner:innen.

Städtebau
Die Flächen der Innenstadt werden gemäß dem Leitbild der zusammenwachsenden Stadtmitte über die Stadt-straße in Abfolgen differenzierter, urbaner Blöcke, Freiraumbezügen und fußgängerfreundlicher Neuordnung des Verkehrs entwickelt. Die Horster Straße bildet als urbane Achse das verbindende Hauptelement. Sie integriert St. Lamberti und Marktplatz als Fußgängerzone, welche bis zur Stadtstraße fortgeführt wird und somit ein neu-es, aktives Straßenraumerlebnis generiert, das sich an der Ecke Uhlandstraße zu Platz und Promenade weitet. Mit Sprung über die Stadtstraße wechselt der Verkehrsraum zur Erschließungsstraße, die das urbane Wohn-quartier an der ehemaligen Steinhalde tangiert und stadtauswärts mehrere Schulstandorte und Grünflächen ein-bindet. Das neue Wohnquartier an der Halde nimmt den straßenangrenzenden Bereich des ehemaligen Fest-platzes von Bebauung aus, betont hier die Öffnung ins Quartier und lässt Platz zur Verknüpfung der Grünräume. Soziale Angebote prägen an dieser Stelle Gebäudenutzung und aktive Sockelbereiche. Mit dem Grünverlauf durch das autofreie Quartiersinnere entstehen klimatisch wirksame Freiraumqualitäten im wohndominierten Stadtquartier. Die Quartierskante zur Stadtstraße wird in Analogie zum östlich angrenzenden Block maximal herangezogen, wohingegen die beiden Blöcke nördlich der Straße abgerückt werden und ein Stadtboulevard entsteht. Dieser ermöglicht bestehenden und ergänzenden Nutzungen eine sichtbare Adresse mit südlicher Orientierung und Freibereichen auszubilden. Der Block um die Uhlandstraße (zwischen Stadtstraße, Horster-, Wilhelm- & Goethestraße) wird unter Integration diverser Bestandsnutzungen zur 'Urbanen Mischung' von nicht-störendem Gewerbe, Wohnen und Arbeiten. Hier wird die Wibbelstraße bis zum neuen Stadtplatz durchgesto-chen und dient wie die Uhlandstraße zur autofreien Durchwegung der einsehbaren Werkhöfe. An der Horster Straße werden Gebäude ersetzt oder ertüchtigt, um an der verlängerten Fußgängerzone erdgeschossige Aktivie-rung zu ermöglichen. Gegenüberliegend bekommt der Block mit den großformatigen Nutzungen des Glückauf-Centers und des Nahversorgers ein ergänzendes Parkhaus zur Freilegung der Grundflächen und deren innere Durchwegung als Urbanes Quartier. Der nördliche Eingangsbereich des Einkaufszentrums wird durch Verkehrs-beruhigung der Wilhelmstraße an den Marktplatz angebunden. Der Marktplatz selbst bedarf der Neugestaltung und Verlagerung des ruhenden Verkehrs um seinem Namen und seiner sozialräumlichen Potenziale gerecht zu werden.
Das südliche Entwicklungspotenzial rund um die Vestische Kampfbahn wird zur Ausgestaltung des Auftaktes nach Gladbeck mit überörtlicher Bedeutung genutzt. Hier treffen sich nach Ausbau der bestehenden sportlichen Infrastruktur mit Stadion und Freibad attraktive Nutzungsangebote und die Ausläufer des prägnanten Land-schaftsraumes. Am neuen Platz, dem Vestplatz, gelingt der Sprung auf die östliche Seite, wo mit starken Bau-körpern der Innovations- & Bewegungscampus fortgeführt wird. Das Höhenspiel der von Sport- über Veranstal-tungs-, Büro- und Gewerbenutzung zu Campuswohnen divers genutzten Gebäude lässt vereinzelt Hochpunkte zu, um den Auftakt zu markieren. Der platzquerende Wegeverlauf zwischen Wittringer Wald und Stadtachse führt durch den gebäudegeprägtem Campusbereich und integriert weiterführend das freiflächenoptimierte Be-standshochhaus an der Steinstraße.
Hinter der baumbestandenen Zäsur an der Bohmertstraße grenzt südlich neues Wohnen im bestehenden Sied-lungskontext von Einfamilien- und Reihenhäusern an. Ökologisch- und gemeinschaftsorientierte Neubauten bie-ten Geschosswohnungsbau und Townhouses im Verbund. Erschließung und Gebäudestellung des Bestandes werden dabei aufgegriffen, vorhandene Grünflächen werden mit maßstabssensiblen Baukörpern konturiert und als gemeinschaftlich bewirtschafteter, produktiver Anger für die Gesamtsiedlung definiert. Zusammen mit der für soziale Infrastruktur partiell erhaltenen Hofstelle entsteht eine Mitte für das neugeordnete Wohngebiet.
Die Potenzialfläche an der Harsewinkelstraße wird nur partiell zur Überbauung vorgesehen. Programmtisch ist hier die Öffnung des Siedlungsraumes zur Landschaft. Der Schwung der Bebauung am Wittringer Mühlenbach wird aufgegriffen und als konturbildende Gebäudefolge weitergeführt, so dass ca. die Hälfte des Baufeldes für Grünflächen im Übergang zum Wittringer Wald zur Verfügung steht.
Freiraum
Die Kernidee der freiraumplanerischen Konzeption liegt im Einzug des Wittringer Waldes in die Mitte Gladbecks. Dieser konzentrische Ansatz verfolgt das Ziel einer grünen Lunge in Form einer Frischluftschneise bzw. -produktion. Der Loop vereint bereits bestehende Grünräume mit neu ausgestalteten und erzeugt so eine Kühl-wirkung über die Planungsgrenzen hinaus. Dabei werden klimafitte Alltagswege generiert, die von unterschiedli-chen ökologischen Maßnahmen begleitet werden, um Gladbeck lebenswerter für ALLE zu gestalten.
Durch die Verlagerung eines Teils des motorisierten Verkehrs in den Untergrund, entstehen neue Freiflächen, welche es ermöglichen die neue Stadtstraße zu einem markanten und nutzbaren Grünzug auszubilden. Dieser nimmt sich den Landschaftstypus Wald zum Vorbild und versucht die grün-blaue Infrastruktur der Umgebung in Form von nachhaltigen Gestaltungsstrategien aufzugreifen. So werden beispielsweise Landschaftselemente wie der Mühlbach in Form von erlebbaren Retentionsflächen fortgeführt oder zu Bademöglichkeit aufgeweitet. Be-standsbäume werden mit standortgerechten und möglichst diversen Gehölzen ergänzt und eine naturnahe An-mutung erzeugt. Die von Gehölzen überstellten Bereiche öffnen sich teilweise zu Lichtungen und bilden wertvol-le schattige Aufenthaltsbereiche aus, die als urbane Terrassen verstanden werden können und die Bewoh-ner:innen Gladbecks zum Verweilen und aktiven Miteinander einladen. Die einzelnen Treffpunkte arrangieren sich entlang des Boulevards und der neuen Stadtachse und verschmelzen die beiden Straßenseiten miteinander. Ein weitere Platzsituation verflechtet den Bestand des Gladbecker Freibads mit dem neuen Campus und beher-bergt neben freinutzbaren Sport- und Spielflächen auch Außengastronomie und Freibereiche ohne Konsum-zwang. Ein Charakteristikum der Wohnquartiere sind die öffentlichen Grünen Mitten die zum „Gemeinsamen Gärtnern“, „Freien Spiel“ und „Picknicken“ genutzt werden können. Diese nach außen gerichtete Offenheit soll besonders im Bereich der Steinstraße Nachbar:innen einladen über die Grundstücksgrenzen hinaus Freiräume zu nutzen.

Mobilität
Mit Überdeckelung der künftigen Autobahn wird die darüber führende Stadtstraße weitaus weniger frequentiert. Gleichwohl bildet sie eine funktionale Erschließungsstraße der angrenzenden Stadtgebiete sowie der Autobahn am Kreisverkehr der Schützenstraße. Die Kreisverkehrsentwürfe werden auch an den anderen Knotenpunkten beibehalten, mit expliziter Abweichung an der Stadtachse Horster Straße. Hier dient eine klassische Ampelkreu-zung der Betonung durchlaufender Achsen als Element der zusammenwachsenden Stadtmitte. Im nördlichen Abschnitt wird die Horster Straße sogleich verkehrsberuhigt und verlängert somit die nördlichere Fußgängerzone als Bewegungs- und Begegnungsraum. Graben-und Goethestraße dienen vermehrt der innerstädtischen MIV-Erschließung. Dafür bündelt eine kreuzungsnahe Quartiersgarage im Block des Glückauf-Centers den ruhenden Verkehr. Verkehrsflächen werden frei für alternative Nutzung wie im Urbanen Quartier am Glückauf-Center. Auch die Einschränkung des MIV in der Wilhelmstraße kommt dem öffentlichen Raum um Marktplatz, Ein-kaufszentrum und Bushaltestellen zu Gute.
Quartiersgaragen werden auch in den weiteren Teilgebieten in strategisch günstigen Randlagen mit optimaler Erschließung aus anliegenden Straßen angeboten, um den MIV aus dem Quartiersinneren heraus zu halten. Bei weiterem Bedarf werden minimalisierte Erschließungsschleifen in den neuen Quartieren vorgesehen. Ein beson-deres Augenmerk liegt auf der Schaffung konfliktfreier Räume für Aufenthalts- und Grünflächen sowie Fuß- und Radwegeverbindungen.
Der stadtstraßen-begleitende Radweg führt kurzweilig durch abwechslungsreiche, neue Stadträume. An den Knotenpunkten kommt er ohne aufwändige Brückenbauwerke aus, in dem er kurzzeitig auf einer Seite fortge-führt wird. Immer wieder bindet er untergeordnete Radwege wie an der Stallhermstraße an. Die fußläufige Durchwegung wird einerseits durch verkehrsreduzierte bis exklusive Straßenverläufe in der Stadtmitte oder durch autofreie Quartiere berücksichtigt, andererseits wird mit dem "Grünen Loop" eine weitreichende vernet-zende Option für den Fuß- und Radverkehr, für Transit wie Sport, angeboten.
Ökologie
Der „Grüne Loop“ ist Kernelement der ökologischen Auseinandersetzung mit dem Gebiet und sorgt für die not-wendige Durchlüftung sowie den Kaltluftaustausch für die benachbarten Quartiere. Durch die aufgelockerte Bauweise werden eine bioklimatische Entlastung und Verbesserung der Durchlüftungsverhältnisse erreicht. Auch innerhalb der einzelnen Quartiere sorgen großzügige Baumpflanzungen auf den Plätzen, Flanierbereichen und in den Wohnstraßen für eine ausreichende Verschattung und tragen so zur Verbesserung des Mikroklimas bei. Die Begrünung der Innenhöfe, eine umfangreiche Fassadenbegrünung sowie die Begrünung der Dachflächen sorgen für größtmögliche Kühlungs- und Verdunstungseffekte.
Teil des Loops ist auch die kleine Steinhalde bei der sämtliche Bestandsgehölze erhalten bleiben und mit Birken und anderen bodenreinigenden Gehölzen ergänzt werden, um den kontaminierten Boden langfristig zu sanieren. Bestandsbäume werden achtsam behandelt und mit hoher Anzahl an Neupflanzungen ergänzt. Darüber hinaus sind auch die Tiere in der Stadt mit Bienen- und Insektenwiese bedacht. Die einzelnen bereits vorhandenen Lebensräume werden im Sinne der Stadtnatur durch Anreicherung von zusätzlichen Grünräumen miteinander verknüpft. Mensch und Tier werden durch multikodierte Freiräume gleichsam zum Akteur in der Stadt.
Der Entwurf zielt auf eine wasserneutrale Stadt ab, der ein ganzheitliches Regenwassermanagement forciert um nicht nur die Vorfluter zu entlasten, sondern schonend mit der Ressource Wasser umzugehen. Niederschlag wird auf Gründächern, Retentionsflächen und in Straßenzügen in Form des Schwammstadtprinzips gespeichert und „gedrosselt“ an die Umwelt abgegeben. Allerdings bildet ein besonderer Teil der Retentionsflächen eine permanente Wasserfläche im Bereich des Campus am "Vestplatz", die durch anfallendes Regenwasser gespeist wird und durch Verdunstungskühle einen positiven Effekt auf die angrenzenden und größer dimensionierten Bau-körper hat. Des Wei-teren wird durch einen niedrigen Versieglungsgrad die Sickerleistung des Projektgebietes erhöht. Beim Einsatz von Trinkwasser in Form von Nebeldüsen und Fontänenfeldern wird eine Doppelnutzung im Sinne der weiteren Bewässerung von Grünflächen angestrebt. Die Kombination an Maßnahmen bilden künftig eine resiliente Grundstruktur für die Stadt Gladbeck und haben eine außerordentlich positive Wirkung auf die Umwelt und das Wohlbefinden der Bewohner:innen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Unter dem Titel „Get back together” schlägt die Arbeit entlang der neuen Stadtstraße für die Abschnitte Nord, Mitte und Süd unterschiedliche Nutzungsstrukturen mit eigenständigen Adressbildungen vor. Die damit verbundenen stadtgestalterischen Ausprägungen mit eigenständigen Schwerpunktthemen werden gewürdigt und als Grundgerüst für eine spätere Entwicklungsmöglichkeit gewürdigt.
Die Mischung und Körnigkeit des nördlichen Abschnitts als urbanes Quartier ist angemessen und berücksichtigt die bestehende Bebauung mit baulich sinnvollen Ergänzungen zu den vorgeschlagenen Blockstrukturen gleichermaßen. Südlich der Stadtstraße ist mit Aufnahme der Blockstruktur eine räumliche Verbindung über die Straße hinweg gewährleistet, im Wechsel in eine Wohnnutzung entstehen interessante Wohnangebote. Die Verbindung vom Bürgerpark durch das Quartier zu den Grünflächen der kleinen Steinhalde wird positiv hervorgehoben. Die Quartiersgarage im Anknüpfungspunkt zum Kreisverkehr als Quartierseingang ist jedoch nicht überzeugend.
Das Quartier am Mühlteich als baulicher Abschluss der Wohnbebauung an der Harsewinkelstraße ist angemessen und überzeugend mit dem vorgelagerten, aufgestauten Mühlenbach als markantes Freiraummerkmal.
Im südlichen Abschnitt wird der Nutzungsbaustein „Zukunftscampus“ als Standort für Sport und Technologienutzungen positiv hervorgehoben. Der Platz über der Straße in der Verbindung zum bestehenden Freibad lässt hohe stadtgestalterische Qualitäten zwischen Bestand und Neuplanung erwarten.
Kontrovers diskutiert und letztlich nicht überzeugend ist allerdings das daran südlich angrenzende Wohnquartier im Scholl-Anger. Unter Aufnahme der vorhandenen diagonalen Straßenachse bleibt die Bebauungsstruktur eher fremd im zukünftigen Siedlungsgefüge und wirkt in der inneren Organisation der Baufelder eher beliebig.
Die Gestaltung der Freiräume und Grünbereiche bleibt in Darstellung und Aussagen eher schablonenhaft und unscharf. Dies betrifft auch die Gestaltung und Begrünung der Stadtstraße. Eine räumliche Ausprägung und gestalterische Übersetzung der Begrifflichkeiten „Klima-Boulevard“ und Klima-Straße“ erfolgt leider nicht. Die baulichen Dichten und Flächenausweisungen liegen im eher unteren Bereich und lassen eine insgesamt durchschnittliche Ausnutzung erwarten.
Insgesamt liefert die Arbeit vielfältige Ansätze, in der Ausprägung und Detailbetrachtung verbleiben jedoch deutliche Unschärfen.