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Konkurrierendes Gutachterverfahren | 03/2014

Freiräumliche Aufwertung "Postblock"

Leipziger Strasse

Leipziger Strasse

3. Rang

100Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Der Postblock ist ein fast metaphorisches Abbild der charakteristischen Heterogenität Berlins. Am Ort zentraler Aufmerksamkeit treffen hier Dichte und Offenheit, präzise Gestaltung und Improvisation, Funktionalität und Bedeutung gebende Markierung zusammen. Bauliche Fragmente zeugen von der Parallelität unterschiedlicher zeitlicher Schichten – und Geschichten. Der Postblock spricht von historischer Substanz und Potential, damit aber auch von Unfertigkeit und Erwartung.

Der Entwurf für die temporäre Rauminstallationen Vor-Garten basiert auf Themen, die aus den bestehenden stadt- und freiräumlichen Elementen extrahiert wurden. Das Ziel ist, klare Raumzusammenhänge entlang des Blockrandes zu schaffen. Die in jeder Hinsicht sehr unterschiedlichen Situationen zu den drei angrenzenden Straßen werden entlang ihrer strukturellen Potentiale zu drei unterschiedlichen, aber jeweils verknüpfenden Freiraumtypen weiterentwickelt. Die vorhandenen, aber neu in Bezug gesetzten Grünflächen präsentieren sich nun als Vorgärten zur Straße. Das „Vor-“ als angerissene Geste des Kommenden soll aber auch als Geste des Vorübergehenden, Experimentellen und Vorbereitenden verstanden werden können. Damit bezieht sich die Installation auch auf die temporäre Zeitlichkeit des Ortes und formuliert ein Dazwischen.

Die grundlegende Maßnahme der vorgeschlagenen Installation ist die Zusammenfassung der vorhandenen Grünflächen zu „Vorbereichen“ entlang des Bürgersteigs. Mit der Rückversetzung der derzeit nur situativ positionierten Zäune – womöglich auf eine Linie – entstehen zusammenhängend lesbare Räume. Dadurch werden auch die unterschiedlichen Raumcharakteristiken entlang der drei angrenzenden Straßen deutlich: An der Leipzigerstraße erhalten die vorhandenen Rasenflächen mit der Öffnung und der Verbindung mit dem Baumbestand einen zusammenhängenden, parkartigen Charakter. Der schmale Grünstreifen entlang der Wilhelmstraße ist räumlich derzeit vor allem dem Parkplatz im Blockinneren zugeordnet. Durch die Neupositionierung des Zaunes kann der für den Passanten bisher überwiegend ausgegrenzte Raum sich als Vorgarten präsentieren. Die geschnittenen Pflanzungen können auch im Bezug zu den strengen Buchsparterres in den (auch von der Straße einsehbaren) Innenhöfen des Finanzministeriums gelesen werden. Der breite Vorbereich der Kleinbauten ist in sich schon eine Art Vorplatz. Er dient Besuchern mit mehreren touristischen Angeboten, vor allem aber der Information, der Vorbereitung und dem Warten auf verschiedene Touren und Ballonfahrten.

Entlang der Leipzigerstraße werden die drei großen vorhandenen Rasenflächen mit Erdpyramiden topographisch und thematisch zusammengefügt. Gartenkunstbezüge sind hierbei der modernistische, temporäre Ausstellungsgarten Garten des Poeten des Schweizer Landschaftsarchitekten Ernst Cramer für die Gartenausstellung G59 in Zürich, die bekannten (z.T. mit Wildem Wein bewachsenen) Erdpyramiden des Gartenkünstlers Fürst Pückler-Muskau in Branitz/Cottbus, aber auch eine Reihe von „Berliner“ Erdformen, so zum Beispiel auf dem nahe gelegenen Tilla-Durieux-Park, dem Henriette- Hertz-Park am Rande des Tiergartens, die temporäre Gestaltung der rheinlandpfälzischen Landesvertretung an den Ministergärten, oder auch die volumetrischen Interpretationen des neoklassizistischen Parterres im Lustgarten unter den Linden. An der Leipziger Straße überbrücken die (flachen) Pyramiden hierbei sowohl die trennende Topographie einer vorhandenen Stützmauer, sie bilden aber auch einen weithin sichtbaren Kontext über die Zaunlinie des verbleibenden Glaszauns hinweg und binden formal das Museum für Kommunikation mit seiner vor allem nachts auffällig blau leuchtenden pyramidalen Dachkuppel ein. Die Pyramiden ragen in den Baumbestand hinein und binden diesen so in den parkartigen Raumkontext ein.

Entlang der Wilhelmstrasse begleitet eine Serie von bepflanzten Grünstreifen den Bürgersteig. Die Bepflanzung besteht – neben den einzeln platzierten Bäumen - vor allem aus flächig wachsenden Bodendeckern (v.a. Rosen, Schneebeeren, Kriechender Wacholder) und einer niedrigen Hainbuchenhecke. Diese werden punktuell ergänzt und mit neuen Pflanzflächen nach Süden weitergeführt. Hierbei wird die vorhandene Pflanzenauswahl aufgenommen und durch Heckenkirsche und bodendeckenden Wilden Wein ergänzt. Durch seitlich vertikale Schnitte werden sie als ‚minimale Topiary’ in geometrischer Form gehalten. Die verschiedenen Wuchshöhen und Farbaspekte der Pflanzen unterstreichen den gestalterischen Kontext der Flächen auch über die Einschnitte der Einfahrten hinaus.

Die Serialität der Pflanzflächen wird entlang Zimmerstraße als Reihung von Möbeln fortgesetzt. Die verschiedenen Nutzungen vor Ort, aber auch die stadträumliche Lage zwischen weiteren Besucherattraktionen (Checkpoint Charlie, Topographie des Terrors, Martin Gropius Bau, etc.) machen die Flächen zu einem potentiellen Zwischenstopp, Pausen und Aufenthaltsort. Eine rhythmisch gruppierte Linie von Sitz-, Tisch und Bankelementen schafft hier einen öffentlich nutzbaren Wartesaal. Die formal einfachen Holzkonstruktionen bilden hierbei zum einen Rahmen, der die Vielzahl der vorhandenen Kleinbauten zu einem Ort fasst. Variationen der Konstruktion bilden jedoch auch die funktionalen Angebote ab, sodass Bank und Tischkombinationen auch gastronomisch genutzt werden können, zu Sitzwinkeln kombinierte Elemente bieten loungeartige Sitz- und Kommunikationsmöglichkeiten auch für auf Touren wartende Gruppen. Die vorhandenen Betonquader werden um hüllt als Holzplattformen spielerisch in die Möbelserie einbezogen.

Wesentlicher, vorbereitender Teil der Gestaltung für alle drei Bereiche ist neben der Neuordnung der Zaunlinie der ordnende Rückbau von Einzelelementen, die zur Zeit ein Hauptgrund des improvisierten und fragmentarischen Charakter des Ortes sind. Hierzu gehört eine grundsätzliche Revision der Notwendigkeit von Hinweis- und Werbeschildern, und von Absperrungen und Anfahrtsperren, sowie der Rückbau von Fundamentresten und Belagseinbauten vor allem im Zufahrtbereich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee „Vor-Garten“ basiert auf dem Konzeptgedanken, straßenbegleitend deutlich ablesbare Raumzusammenhänge mit drei unterschiedlichen Raumtypen zu schaffen. Diese neuen „Vorgärten“ entlang der Gehwege werden an der Wilhelmstraße und Leipziger Straße durch ein Rückversetzen der Zäune ermöglicht. Die Freifläche an der Leipziger Straße wird durch eine Rasenpyramide neu akzentuiert und durch zwei weitere Pyramiden auf der Freifläche vor dem Ministerium für Finanzen mit dem Museum für Kommunikation in einen räumlichen Kontext gesetzt. Der neu geordnete Grünstreifen entlang der Wilhelmstraße erhält durch ergänzende Bepflanzungen einen durchgehenden Vorgarten-Charakter. Im Bereich Wilhelm-/Ecke Zimmerstraße („Wartesaal“) bleibt die Gestalt eines Vorplatzes erhalten und wird durch die Installation von Holzbänken und -tischen in seiner Aufenthaltsqualität verstärkt.

Der Entwurf zeichnet sich durch eine den Teilbereichen angemessene Eleganz, Seriosität und Umsetzungsbezogenheit aus. Er ordnet die einzelnen Orte und stattet sie mit attraktiven wie kostengünstigen Elementen aus. Diese Unaufgeregtheit auf der einen Seite in Kombination mit dem besonderen Element der Rasenpyramiden wird gewürdigt.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob die Leitidee der „Vor-Gärten“ trägt. Das Fehlen kontextueller Bezüge zum Ort und einer thematischen Auseinandersetzung mit der Geschichte oder der Zukunft des Blocks wird bemängelt. Durch die thematisch getrennte Behandlung der Teilbereiche fehlt eine durchgehende, gestalterische Leitidee, die der Heterogenität der Umgebung gut getan hätte. In diesem Zusammenhang wird auch die fehlende Markierung des Buchhändlerweges im Bereich der Wilhelmstraße gesehen.

Verschiedene weitere Konzeptbausteine wurden kontrovers diskutiert. So wird die unklare gestalterische Haltung der Verfasser zur Nutzung und Zugänglichkeit der Rasenpyramide im Bereich Leipziger-/Ecke Wilhelmstraße kritisch gesehen. Die Potentiale als Aufenthalts-Ort, mit der Möglichkeit zur Anordnung von Sitzgelegenheiten oder die Erfordernisse als Transfer-Ort mit einer verbindenden Wegeführung, sind nicht eindeutig ausgearbeitet.

Gleichwohl handelt es sich bei der Arbeit um eine schnell und im Kostenrahmen umzusetzende Variante, die für jeden der drei Teilbereiche einen in sich stimmigen Konzeptansatz aufzeigt.
Wilhelmstrasse

Wilhelmstrasse

Zimmerstrasse

Zimmerstrasse