Jedes zehnte Haus in Deutschland hat zwischen 2002 und 2021 Schäden durch Starkregen davongetragen. Das geht aus Daten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft hervor. Insgesamt verursachte alleine dieses Unwetterphänomen Schäden in Höhe von 12,6 Mrd. Euro – nur an Wohngebäuden. Gemessen an der Anzahl der betroffenen Gebäude war in dem Zeitraum kein anderes Bundesland so stark betroffen wie Berlin.

Fast jedes siebte Haus in der Hauptstadt, nämlich 148 von 1.000 Wohngebäuden, habe einen Schaden durch besonders starke Regenfälle davongetragen. Am kostspieligsten waren hingegen die Schäden, die in Rheinland-Pfalz entstanden. Sie schlugen im Schnitt mit 11.000 Euro zu Buche. Einen Spezialfall in der Statistik stellt laut Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands die Stadt Euskirchen in Nordrhein-Westfalen dar. Sie kommt auf 590 Schäden je 1.000 Wohngebäude und Kosten zur Beseitigung in Höhe von durchschnittlich mehr als 45.000 Euro. "Euskirchen ist ein Sonderfall, da hier die Schäden durch die Sturzflut Bernd im Jahr 2021 besonders zu Buche schlagen." Stark betroffen seien auch der Eifelkreis Bitburg-Prüm, die Stadt Köln und der Landkreis Ahrweiler gewesen. 

Asmussen geht davon aus, dass die Zahl der Schäden in Zukunft noch zunehmen wird. "Klimawandel bedeutet: mehr Hitze, mehr Dürre, aber auch mehr Stürme und Starkregen", sagt Asmussen. Bundesweit seien 52 Prozent der Hausbesitzer mit einer Elementarschadenversicherung gegen Schäden versichert. "So gut wie jedes Haus ist gegen Sturm und Hagel abgesichert, doch den Schutz gegen extreme Regenfälle haben viele Hausbesitzer bislang vernachlässigt", sagt der Verbandschef, der die Politik in der Verantwortung sieht, mehr für Prävention und die Klimafolgenanpassung zu tun. "Ansonsten könnten sich allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre die Prämien für Wohngebäudeversicherungen verdoppeln", warnt Asmussen. Wichtig seien klimaangepasstes Planen, Bauen und Sanieren, ein Baustopp in Überschwemmungsgebieten und eine Verringerung der Flächenversiegelung. "Gesetzesvorhaben des Bundes können hier wichtige Weichen stellen, etwa die laufende Baurechtsreform und die diskutierten Änderungen der Musterbauordnung."

In den Kommunen gibt es gute Ansätze

Tatsächlich arbeiten bereits viele Kommunen an Stadtentwicklungskonzepten, die grüne und blaue Infrastrukturprojekte in den Blick nehmen, also eine zielgerichtete Regenwasserbewirtschaftung beinhalten, die eine Überforderung der Abwassernetze bei Starkregen vermeiden soll. Eine Vorreiterrolle haben dabei Forschungsanlagen etwa am Institut für Unterirdische Infrastruktur in Gelsenkirchen oder in Dresden unter Führung des Sächsischen Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie eingenommen. Dabei spielten Versuche mit Baumrigolen, also einer Kombination aus Versickerungsflächen und unterirdischen Pufferspeichern, eine Rolle. Das Projekt in Gelsenkirchen wird unterstützt durch Drees & Sommer. In einer Halle werden unterschiedliche Oberflächenmaterialien eingebaut, um zu untersuchen, wie diese die Folgen von Starkregen vermindern können.

Campus Lichtwiese der TU Darmstadt: Zusätzlich zu den bestehenden Regenrückhaltebecken wurden zwei weitere dezentrale Versickerungsanlagen sowie eine Flutmulde als zusätzliches Speichervolumen bei Starkregenereignissen errichtet.

Campus Lichtwiese der TU Darmstadt: Zusätzlich zu den bestehenden Regenrückhaltebecken wurden zwei weitere dezentrale Versickerungsanlagen sowie eine Flutmulde als zusätzliches Speichervolumen bei Starkregenereignissen errichtet.

Als Vorzeigeprojekt zur Verknüpfung grüner und blauer Infrastruktur gilt die Konzeption des Campus Lichtwiese der TU Darmstadt. Die Planung gewann in diesem Jahr die Auszeichnung Vorbildliche Bauten im Land Hessen. "Bereits heute gelingt es mit einem intelligenten Regenwasserbewirtschaftungskonzept, das gesamte anfallende Niederschlagswasser auf dem Campus zurückzuhalten, Brauchwasser zu generieren, den Trinkwasserbedarf bedeutend zu reduzieren und durch Versickerung des überschüssigen Niederschlagswassers die Grundwasserneubildung zu fördern", heißt es in der Jurybegründung. Zudem diene das Areal als Naherholungsgebiet für die Bevölkerung.

Dass eine solche nachhaltige und Schäden minimierende Planung auch mit einem Wohnquartier funktioniert, soll das Löwitz-Quartier in Leipzig zeigen. Noch ist der 13 ha große Standort eine Baustelle, doch nach Fertigstellung soll das Niederschlagswasser von den Baufeldern nicht in die Kanalisation abgeleitet, sondern über Versickerungsflächen und einen Regenrückhaltekanal wieder in den natürlichen Wasserkreislauf eingebracht werden. Regenwasserspeicher auf Dächern und Tiefgaragendecken sowie kleine Parkanlagen dienen als Pufferflächen.

Quartiersplatz des Löwitz-Quartiers in Leipzig: Über Versickerungsflächen und einen Regenrückhaltekanal soll das Niederschlagswasser in den Kreislauf zurückgeführt werden.

Quartiersplatz des Löwitz-Quartiers in Leipzig: Über Versickerungsflächen und einen Regenrückhaltekanal soll das Niederschlagswasser in den Kreislauf zurückgeführt werden.

An innovativen Ansätzen, die Schäden durch Starkregenereignisse in Grenzen zu halten, mangelt es also nicht. In der Breite ist bei insgesamt mehr als 19 Mio. Wohngebäuden allerdings noch viel Arbeit zu tun.

Der Artikel erschien erstmals am 3. August 2023 (Lizenz 226-OL112024) in der Immobilien Zeitung.