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Offener Wettbewerb | 06/2021

Witterungsschutz Römermauer mit Ideenteil zur Aufwertung des historisch geprägten Umfelds in Wiesbaden

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Anerkennung / Realisierungsteil

Preisgeld: 1.200 EUR

KISSLER EFFGEN + PARTNER Architekten BDA PartG mbB

Architektur, Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

„Römermauer“
Die in der ersten Phase entwickelte Leitidee den Witterungsschutz durch Errichtung einer Mauerkrone auf der historischen Substanz wird beibehalten. Kontur und Höhe der neuen Mauerkrone richtet sich nach der vorhandenen Substanz und zeigt im oberen Teil weitgehend die ursprünglichen Abmessungen der Mauer. Das Bauwerk wird dadurch im Stadtraum wieder präsent.
Im unteren Teil der Mauer wird jedoch eine Abtreppung vorgesehen, da dort bei Herstellung der ursprünglichen Kontur ein Missverhältnis von noch vorhandener Substanz und Ergänzung entstehen würde. Die vorhandenen der ursprünglichen Kontur der Mauer entsprechenden und später sichtbaren Teile der historischen Substanz werden saniert. Dabei wird auf das Konzept, das zurzeit im unteren Teil der Mauer umgesetzt wird, zurückgegriffen.
Die Mauerergänzungen werden nach weiterer Prüfung der technischen Möglichkeiten jedoch nicht in Naturstein ausgeführt, da insbesondere in den überhängenden Bereichen zu viele Zusatzmaßnahmen (Stützkonstruktionen / Verankerungen der neuen Teile ) notwendig werden würden, die einen erheblichen Eingriff in die historische Substanz darstellen würden. Stattdessen wird eine Mauerkrone in Betonbauweise vorgeschlagen. Dabei ist folgendes Vorgehen vorstellbar:
- Sanierung der historischen Substanz, die später sichtbar bleiben wird
- Trenn – und Schutzlage auf den sonstigen Mauerteilen als Mörtelschicht (Auch um Fehlbetonagen ohne Verlust an historischer Substanz wieder entfernen zu können).
- Stellung von einhäuptigen Schalungen beidseitig der Mauer. (Die Schalungen werden mit Matrizen belegt, die eine abstrakte, maßstäbliche Textur der späteren Ansichtsflächen erzeugt).
- Die Unterkante der Schalung reagiert dabei auf den Bestand. Es gilt so wenig wie möglich der historischen Substanz zu verdecken und gleichzeitig so viel Schutz wie notwendig zu erzeugen. Durch eine deutliche Fuge (Überstand) wird die Ablesbarkeit zwischen Alt – und Neu akzentuiert.
- Einlegen der erforderlichen Bewehrung
- Betonage bis ca. 40 cm unterhalb der geplanten Endhöhe mit Kalksteinbeton
- Einsetzen von individuell gefertigten Beton - Fertigteilen als Mauerkrone mit angeformten Entwässerungselementen (kontrollierte Wasserableitung der Mauerkrone)..
- Verguss der Hohlräume
- Ausschalung und Verschließen der Vergussöffnungen in den Fertigteilen.
- Endbehandlung des Betons (fein gestockt) zur Herstellung der endgültigen Optik.
- Verschluss der Fugen zwischen den Fertigteilen.
Im Bereich des Heidenturmes wird die offensichtlich nicht aus der Entstehungszeit stammende Schließung der Mauer wieder geöffnet und der Heidenturm als Aussichtspunkt aktiviert. Die Herstellung der Schutzabdeckungen des Turmes erfolgt in gleicher Technik wie bei der übrigen Mauer.
Die Treppenanlagen entlang der Heidenmauer werden in ihrer grundsätzlichen Lage erhalten, jedoch im Detail in Ihrer Höhenlage soweit angepasst, dass Stützmauern weitgehend entbehrlich werden. Die nicht unter Denkmalschutz stehenden Stufenanlagen und Geländer, sowie die Wegeflächen werden in einheitlicher moderner Material- und Formensprache komplett erneuert. In die Geländerkonstruktion integriert werden Bronzetafeln, die grafisch und textlich die Historie der Mauer erläutern.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept einer Mauerkrone als Witterungsschutz wird im Preisgericht äußerst kontrovers diskutiert. Dem äußerst sympathischen Bild einer möglichst homogenen baulichen Schutzschicht ohne zusätzliche Konstruktionen und der quasi zeitlosen Praxis des Weiterbauens eines historischen Bestandes stehen im konkreten Fall gewichtige Bedenken der Denkmalpflege entgegen:
Von der Römermauer ist im Wesentlichen nur noch der Kern vorhanden, dieser würde durch die vorgeschlagene ´Krone´ weitestgehend verdeckt. Erlebbar wäre überwiegend die Schale, nicht mehr der authentische, historische Kern.
Sowohl die entstehende Kontur der ergänzten Mauer als auch die Schalungsmatrizen erzeugte Oberfläche werden letztlich als freie Interpretation gesehen. Neben einer visuellen ´Verunklärung´ erzeugt die dargestellte Überformung in Beton zahlreiche konstruktive und bauphysikalische Probleme. Die Eingriffe sind kaum reversibel und der seitliche Witterungsschutz nur bedingt gegeben.
Positiv, im Gegensatz zu geäußerten Bedenken, werden der skulpturale Ansatz und die Idee der architektonischen Kontinuität hervorgehoben, die das Projekt von den eher technisch akzentuierten, gestalterisch kontrastierenden Lösungsvorschlägen deutlich unterscheidet.
Auch die subtile, erst auf den zweiten Blick erkennbare Differenzierung zwischen dem historischen Bestand und der neuen Überformung könnte im Sinne eines didaktischen Konzepts zur intensiveren Auseinandersetzung mit dem Ort beitragen.
Die tendenziell ruhige und lakonisch geprägte Haltung findet sich auch im Städtebau und der Freiraumgestaltung wieder, hier in einer unaufgeregten Setzung weiterer Elemente wie des Atelierhauses, des Freilichtmuseums in der Kontur des Mithräums, der orthogonalen Wege- und Treppenführung entlang der Mauer sowie letztlich auch der Gestaltung des Hangs als Weinberg.
Der Rückbau der Verkehrsfläche Coulinstraße wird begrüßt, die damit gewonnenen Freiräume müssten jedoch klarer definiert werden und sollten nicht in Konkurrenz zur Mauer treten.
In der Zusammenschau präsentieren die Verfasser einen Entwurf mit einem im Vergleich der Arbeiten überraschenden architektonischen Vorschlag, der jedoch unter denkmalpflegerischen Aspekten nicht nur Fragen offen lässt sondern sehr kritisch bewertet wird.
Ansicht Nord

Ansicht Nord

Konstruktiver Schnitt

Konstruktiver Schnitt

Grundriss Römermauer

Grundriss Römermauer