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Studienauftrag im selektiven Verfahren | 06/2021

Ersatzneubau Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) Thurgau (CH)

Monolithische Betonfigur

Monolithische Betonfigur

Engere Wahl

Penzel Valier AG

Architektur, Bauingenieurwesen

MAURUS SCHIFFERLI, LANDSCHAFTSARCHITEKT

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die gewünschte hohe Flexibilität für die Entwicklungsmöglichkeiten des Neubaus der KVA Thurgau erfordert eine klare städtebauliche Setzung des Baukörpers, die auch mit zukünftigen An- und Umbauten klar erkennbar bleibt. Hierzu wird der lineare Prozess der Kehrichtverwertung, anders als in der Vorstudie vorgeschlagen, um 180 Grad gedreht. Eine markante monolithische Betonfigur, die Bunker, Verwaltung und Werkstätten umfasst, bildet so als fixes Element den gestalterischen und funktionalen Auftakt des Ensembles. Die Stahlbetonfigur setzt sich in Richtung Westen im massiven Sockel fort, auf dem das ruhige Volumen der Prozesshalle steht und bildet mit dem Kamin einen markanten Abschluss. Die eigentliche Prozesshalle ist von einer leichten Hülle aus Holzlamellen umgeben. Ein verglaster Erschliessungsgang verbindet den Bunker mit der Prozesshalle und markiert die Schnittstelle zwischen Sockel und Aufbau. Die Prozesshalle bildet dabei das erste und grösste einer Reihe von aufeinander abgestimmten, funktionalen Modulen, die sich an die vorgesehenen Stellen der massiven Grundstruktur an- und eingliedern.

Projektbeteiligte: Christian Penzel, Martin Valier, Constantin Kirberger, Conrad Bach, Daniel Epprecht, Michel Hunziker, Magnus Lidman, Daniel Mertke, Lukasz Pawlicki, Adrian Pöllinger, Karol Wojtas

Beurteilung durch das Preisgericht

Bei diesem Projekt ist die grosse Erfahrung im Umgang mit der gestellten Aufgabe und die intensive Auseinandersetzung mit den spezifischen Themen spürbar. Die Menschen als Mitarbeitende und Besuchende wurden in der Planung gut berücksichtigt. Die Arbeitsplätze und Aufenthaltsräume für die Mitarbeitenden erhalten mit den Innen- und Aussenbereichen eine hohe Aufenthaltsqualität. Der Besucherrundgang durch die Anlage ist schlüssig gelöst und bietet aufschlussreiche Einblicke in den Betrieb. Die einzelnen Gebäudeteile werden mit den Fassaden-Materialien Beton und Holz gegliedert. Durch die flächige Fassadengestaltung treten so die grossen Baukörper dominant hervor. Die enormen Proportionen der feingliederigen Holzboxen und die unterschiedlichen Formate der Fensteröffnungen erschweren in dieser Dimension die Ablesbarkeit eines Massstabs. Dadurch erscheint die Fernwirkung des gesamten Volumens im Vergleich mit den anderen Projekten sehr gross, in der Landschaft der Thurebene beinahe monumental. Filigran aufgelöste Strukturen bleiben unsichtbar und werden konsequent mit den Modulbauteilen verkleidet. Der bauliche Aufwand dafür ist verhältnismässig gross. Zudem kann diese Verflechtung der Nutzungen zu Einschränkungen bei der Realisierung der Ersatzbauten und Erweiterungen an der Südostseite führen. Das Setting sieht die Platzierung der KVA in der Mitte der Parzelle vor und die Erweiterungsbausteine im südöstlichen Bereich. Damit ergeben sich sehr beengte Verhältnisse und kaum Flexibilität für die Anordnung und Etappierung sowie für die Bauphasen der Erweiterungsbauten. Erschwerend kommt hinzu, dass während dem Bau der Erweiterungen die KVA und deren LUKO in Betrieb sind und keinerlei Störungen erfahren dürfen. Der LUKO darf nicht durch Baustaub gestört werden und das Bauen unter dem LUKO, somit ohne Zugang von oben, ist für Krananlagen nur mit grossen Einschränkungen möglich, was schlussendlich aufwändig und teuer ist. 


Die Volumenangaben für die einzelnen Gebäudeteile wurden gut eingehalten. Mit der vorgeschlagenen Drehung der gesamten Anlage wird die Anlieferung an die Westseite verlegt. Daraus ergeben sich zwei gewichtige Nachteile. Der eine ist die asymmetrische Anordnung des Bunkers. Dieser funktioniert für einen effizienten Betrieb nicht. Die ungleiche Verteilung führt zu eingeschränkter Bunkerbewirtschaftung und -nutzung oder erfordert einen grösseren Personalaufwand. Die andere Schwierigkeit ist die Verkehrsführung für die Anlieferung. Durch die starke Massierung des Verkehrs im Durchgangsbereich des Gebäudes ist die erwünschte Entflechtung und räumliche Trennung der verschiedenen Verkehrsströme nicht möglich. Insbesondere entsteht ein Engpass bei Gegenverkehr. Bei Vollausbau reicht die Kapazität dieser Durchfahrt kaum aus. Eine zusätzliche Umfahrung (aussen herum) wird dann nötig werden. Generell sind die Platzverhältnisse beim HHKW, beim Betriebsmittel-, Reststoff- und Schlackenumschlag sehr eng. Auch die Staustrecken zwischen Waage und Abfallablad sind sehr knapp bemessen. Für die optionale Erweiterung des HHKW sind die Erschliessungs- und Rangierflächen zu knapp. Hierfür wäre die Anlieferung von Osten besser. Diese Anpassung im Layout hätte allerdings Auswirkungen auf die gesamte Arealnutzung.


Eine raumhaltige Betonstruktur trägt und integriert die eingeschobenen Holzboxen. Die Baukörper sind in einer modularen und erweiterbaren Bauweise angedacht. Die einfache Konstruktion mit klarer Struktur und funktionaler Aufteilung ermöglicht eine rationelle Bauweise mit hoher Vorfabrikation. Die Rückbaufähigkeit wird mit einer möglichst durchgehenden Bauteiltrennung eingehalten. In den Fassaden wird die konsequente Trennung von geschlossenen und luftdurchströmten Bauvolumen gut ablesbar. Die Prozesshalle verfügt so über eine ausreichende natürliche Belüftung zur Wärmeabfuhr. Das Funktionsprinzip wurde sehr gut verstanden. Die eingelegten Dachelemente mit der vollintegrierte PV-Anlage bilden gleichzeitig die abnehmbaren Revisionsöffnungen über der Prozesshalle. Diese beweglichen Bauteile mit dem hohen Installationsgrad sind für die vorgesehene Funktion aber problematisch. Sie erfordern bei jeder Revision eine elektrische Trennung der PV-Anlage. Das vertikale Fassadentragwerk aus Holz benötigt zudem eine zusätzliche horizontale Stabilisierung in der Dachebene. Insgesamt kann die Konstruktion die Anforderungen in punkto Robustheit, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität erfüllen. Die Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit über 60 Jahre ist gewährleistet. Das umbaute Volumen über und unter Terrain liegt im Vergleich mit den anderen Projekten über dem Durchschnitt. Die Erweiterungsbauten wirken räumlich kompakt. Die Verkleidung und räumliche Verschachtelung sämtlicher Nutzungsbereiche erfordert PROJEKTE Team Penzel Valier Architektur Penzel Valier AG Bauingenieurwesen Penzel Valier AG Landschaftsarchitektur Maurus Schifferli Landschaftsarchitekt 40 aber Vorinvestitionen. So muss der massive Betonkörper des Kamins von Beginn weg gross genug dimensioniert werden, dass die später zu erstellenden Kaminzüge vom HHKW und GuD integriert werden können. Die Gesamtkosten fallen entsprechend höher aus.


Die Gletscher der Würm-Kaltzeit formten das weite Tal und hinterliessen grosse Kiesvolumen. Der Abbau dieser natürlichen Ressource wurden zum Motor der landschaftlichen Transformation der Ebene, deren Spuren in der heutigen Kulturlandschaft allgegenwärtig sind. Der pragmatische Umgang mit der Landschaft schuf eine künstliche Topographie, aufgeforstete Wälder, industriell genutzte Flächen ebenso wie neue wertvolle Biotope. Im Zusammengehen von menschgemachten neuen Landschaften und darin entstehenden Naturwerten liegt die Herangehensweise der Freiraumgestaltung.


Übergeordnet gliedert sich die Megastruktur in ein aufgeforstetes «Baum-Geviert», das die Anlage in den landschaftlichen Massstab der Umgebung verankert und räumlich in das unmittelbare Umfeld einbindet. Die Durchsetzung der Waldstruktur mit einer Reihe von Tümpeln, die durch das südlich anfallende Dachwasser der Anlage gespiesen werden, trägt zur ökologischen Vernetzung des Gebietes bei. Diese Art der Kammerung der Landschaft durch Forstbänder liesse sich auch auf die Nachbarstandorte übertragen, was dem Industriestandort mit wenig Aufwand zu einer klaren Struktur verhelfen würde.


Die Anlage selbst liest sich, der Tradition der topographischen Verformung der Ebene folgend, als eine Abfolge von unterschiedlichen horizontalen Plateaus, deren Höhe und Positionierung funktionalen Notwendigkeiten geschuldet ist. Innerhalb dieser rationalen Grundordnung entsteht gemäss Verfasser ein «Kaleidoskop von Räumen, die systematisch miteinander verknüpft sind». 


Das zentrale Element bildet eine dauerhaft wasserbestandene Fläche, die das anfallende Dach- und Regenwasser sammelt, reinigt und zwischenspeichert. Sie bildet den Endpunkt einer «kaskadierten Retention», die sich über die gesamte KVA erstreckt. Die Wasserfläche wird überzogen von einem lichten Bruchwald, der, innerhalb eines klar menschgemachten Umfeldes, wiederum auf die Ursprünglichkeit der ehemaligen Auenwälder verweist.


Fragen bleiben hier bezüglich der Zeitlichkeit der Wasser-Anlage, so ist die bestehende Anlage ja noch vor Ort, wenn das Wasser der neuen Anlage schon anfällt, was eine Zwischenlösung erfordern würde. Den Gegenpart zur vertieften Wasserfläche spielt eine pappelbestandene runde Erdskulptur, deren mesophile Trockenrasengesellschaften im Untergrund als Trittsteine im Naturverbund wirken. Die Anlage schafft auf einer sehr rationalen Grundlage atmosphärische Räume mit hoher Aufenthaltsqualität und ebenso hoher ökologischen Qualität. Die ausgreifenden räumlichen Gesten gehen etwas zu Lasten von möglichen gewünschten Zwischennutzungen auf dem Areal.


Einbettung über Materialisierung und massstäbliche Gliederung

Einbettung über Materialisierung und massstäbliche Gliederung

Gefasster Garten auf dem Dach der Verwaltung

Gefasster Garten auf dem Dach der Verwaltung