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Dialogverfahren im selektiven Verfahren | 03/2023

Basel Nauentor (CH)

Teilnahme

DĂĽrig AG Architekten

Architektur

DPA Dominique Perrault Architecture

Architektur

TEN

Architektur

vetschpartner Landschaftsarchitekten AG

Landschaftsarchitektur

B+S AG

Verkehrsplanung

Basler & Hofmann AG

Tragwerksplanung, Brandschutzplanung

Amstein + Walthert AG

TGA-Fachplanung

Eawag

Nachhaltigkeitskonzept

Universität Luzern Soziologisches Institut

sonstige Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Die zentrale Figur des gesamten Entwurfs ist das Kreuz, welches zwei Verbindungsachsen in den grossen Baukörper schneiden. So soll aus einer bestehenden grossen Infrastruktur ein Stück Stadt werden. Und da, wo die Nord-Süd- und die Ost-Westverbindung aufeinandertreffen, ist so etwas wie das Zentrum der Anlage – und auch deren neuralgischer Punkt. Denn hier treffen die verschieden Stadtebenen aufeinander und werden über Treppen und Rampen miteinander verbunden. Die Ost-West-Verbindung liegt nämlich mehrere Meter über der Nord-Süd-Verbindung. Das heisst, die Kreuzung ist eigentlich nicht wirklich eine Kreuzung, sie ist vielmehr ein dreidimensional entflochtener Knoten, den es mit grossem Aufwand zusammenzuhalten gilt. So eingängig das Schema der zwei Achsen («urban axis and green axis») auf den Plänen ist, so wenig mag es schliesslich als typologisch räumliche Figur wirklich zu überzeugen. Die Räume wirken eng. Und die Überwindung der Höhendifferenz vom natürlichen Stadtboden auf die obere Ebene des grünen Boulevards erweist sich als räumlich architektonischer Kraftakt, den man sich im Alltag schlecht vorstellen kann (Rampen sind teilweise deutlich zu steil).

Viel überzeugender als im Schnitt ist die Kreuzfigur im Grundriss: da führt sie dazu, dass der grosse Gesamtkomplex aus Reiter- und Festlandteil in vier klar adressierbare Gebäude gegliedert wird. Das schafft Orientierung. Zusammen mit den drei Türmen formen die so entstandenen vier Häuser eine einfach verständliche Gruppe aus unterschiedlichen Gebäuden. Entsprechend sind die vier Häuser - anders als die Türme, die typologisch und architektonisch identisch behandelt sind - unterschiedlich ausgebildet; zumindest in Bezug auf die Proportion der Grundrisse und deren Programmierung. Jedem der vier Gebäude ist nämlich eine primäre Nutzung zugedacht: Wohnungen (was als Vorschlag an dieser Stelle vom Beurteilungsgremium geschätzt wird), Markthalle, Büros und Medical Center. Dieser idealtypischen Nutzungsausrichtung kommen an einigen Stellen weitere Nutzungen dazu, mit der Folge, dass die deutliche Haltung der vier Teile in der Realität verunklärt wird.

Ebenfalls wirken die auf den Plänen und Bildern gezeigten Fassaden der klaren Gliederung eher entgegen. Sämtliche Gebäude verfügen über durch grosse Rahmen strukturierte Rasterfassaden. Damit stellt sich ein spannungsvolles, in der Einschätzung des Beurteilungsgremiums aber auch problematisches Gesamtbild ein: es ist nicht klar nachvollziehbar, ob nun die Passagen (die Achsenräume und damit die Grossform) oder die einzelnen Gebäude für die Fassadengestaltung auschlaggebend sind. Es ist überall ein bisschen beides. Dieses etwas verschwommene Bild einer nicht klaren typologischen und tektonischen Ordnung verstärkt sich auf der Dachebene zusätzlich. Hier überspannen teilweise verglaste Holzkassetten den Zwischenraum und vermitteln so das Bild einer fragilen Verbindung, von der ebenfalls nicht ganz klar ist, ob sie nun architektonisch gewollt ist oder doch nur eher einen funktionalen Kompromiss darstellt.

Schliesslich wirbt das Projekt mit einer sehr dichten und üppigen Begrünung auf fast allen Ebenen. Besonders intensiv fällt diese auf dem Dach und im grossen Wohnhof aus. Von Fachseite wird allerdings stark bezweifelt, dass diese intensive Überwucherung überhaupt gelingen könnte. Auch empfindet das Beurteilungsgremium das vermittelte Bild als dem Ort nicht unbedingt angemessen.

Innerhalb des Areals finden eine starke Vernetzung und gute sozialräumliche Durchmischung statt. Damit zusammenhängend ist die Verteilung und Verortung der Nutzflächen jedoch teilweise weit auseinanderliegend, was die Adressierung sowie eine zielgerichtete Kundenbündelung erschwert. Die Funktion und Art der Nutzung der Postpassage Ost-West vermag nicht zu überzeugen und scheint überdimensioniert. Im Festlandteil ist die Retailfläche im 1. Untergeschoss übergross und von anspruchsvollem Zuschnitt. Die Büroflächen hingegen sind gut dimensioniert. Leider entstehen durch viele Durchdringungen (Treppen/Lifte) jedoch schwer nutz- oder vermietbare Restflächen. Die Anordnung der «Medical City», welche sich ab Ebene 0 über drei Geschosse und mit zwei Satelliten im Postreiter erstreckt, entspricht nicht den gestellten Anforderungen. Die konsequente Zuordnung von Nebennutzungen im gesamten Bereich der Ebene 1 im Postreiter vermag genauso wenig zu überzeugen, wie die Verortung der Kultur-, Quartier- und Wohnnutzung (Experimente) in den oberen Geschossen. Die beiden Wohntürme mit zwei unterschiedlichen Erschliessungskernen und Qualitäten bieten hingegen das Potenzial, dass verschiedene Wohnprodukte zielgruppengerecht und unabhängig von der Struktur umgesetzt werden können.

Das Projekt zeigt eine funktionale und offene Verbindung Nord–Süd auf, welches den Anschluss der Quartiere und damit auch des Baubereichs der SBB sucht (und findet). Zwar liegen unterschiedliche Nutzungen teilweise weit auseinander, fördern über die gebündelten Verkehrsachsen jedoch die soziale Durchmischung. Durch die grosszügigen Freiräume in den Innenhöfen wird die geforderte Fläche an Arbeitsnutzungen nicht erreicht, die üppige Begrünung scheint unmassstäblich und gezwungen. Die Nutzungen für Büro und Gewerbe sind zweckmässig in den unteren Geschossen des Teilbereichs SBB angeordnet. Die Erschliessung der Büros und der Dachgarten sind sehr grosszügig dimensioniert. Hinweise zur Verortung von Lagerflächen für die Gastronomie sowie für FM-Infrastrukturen wie Entsorgung und Reinigung bleiben in den Plänen verborgen. Die Anlieferung für den Teilbereich SBB ist ungenügend gelöst. Die Mindestanforderungen von Wohnnutzungen mit gewisser Flexibilität sind zweckmässig erfüllt. Das Hochhaus SBB funktioniert jedoch nicht eigenständig und es ist nicht erkennbar, wie dieses Gebäude autonom betrieben werden kann.

Das Team schlägt ein auf die Förderung des Fussverkehrs ausgerichtetes Erschliessungskonzept vor, das im Hinblick auf die übrigen Verkehrsträger jedoch nicht gänzlich zu überzeugen vermag. Für den Fussverkehr bestehen vielfältige und attraktive Zugangspunkte in alle resp. aus allen Richtungen. Für den Veloverkehr sieht der Projektvorschlag ein Angebot vor, welches dem Status Quo entsprich.

Während in Ost-West-Richtung die Verbindung analog zur heutigen Situation ebenerdig erfolgt, ist eine direkte und attraktive Nord-Süd-Verbindung nicht vorgesehen. Über die Veloparkierungsanlagen im Postreitergebäude ist eine gedeckte «Schlecht-Wetter-Verbindung» zwar vorhanden. Diese ist jedoch aufgrund der beengten Verhältnisse in der Ost-West-Passage nicht als Alternative zur Peter-Merian Brücke zu betrachten. Der motorisierte Individualverkehr erreicht die vorgesehenen 350 Parkplätze in den Untergeschoss 2 und 3 über eine Spindelrampe ab der Gartenstrasse. Die Anlieferung erfolgt über eine Drehscheibe im Erdgeschoss. Die Umsetzung dieser platzsparenden Massnahme ist mit grossen Unsicherheiten behaftet und eine alternative Lösung zieht einen deutlich höheren Platzbedarf mit weitreichenden Auswirkungen auf die Erdgeschossnutzung nach sich.

Die Angaben zum Brandschutz sind ausbaufähig. Der brandschutztechnische Beschrieb, vor allem in Bezug auf die (holz-)bautechnischen Angaben und die technischen Brandschutzmassnahmen, deuten auf eine noch zu vertiefenden Berücksichtigung der Brandschutzthematik hin. Horizontale Fluchtweglängen (z.B. im Zentrum im Bereich der Haustechnik/Veloparking im 1. Obergeschoss und in den Geschossen unter Terrain) zwischen 35 und 50 m Länge reduzieren zwar die Anzahl Treppenhäuser, schränken aber die langfristige Nutzungsflexibilität.

Das konservative Energiekonzept mit PV-Anlagen, Fernwärme sowie konventionellen Kältemaschinen weist erhebliches Optimierungspotential auf. Die technischen Anlagen sowie Steigzonen sind prinzipiell dargestellt und plausibel. Die reine Abluftanlage im Hochhaus mit Nachströmung und Fensterlüftung wird kritisch hinterfragt. Die mehrheitlich optimierten Fensteranteile bilden eine gute Basis für Nachhaltigkeitslabels und den sommerlichen Wärmeschutz.

Im Quervergleich liegt das Projekt leicht unter dem Durchschnitt, was die Geschossfläche betrifft und leicht über dem Durchschnitt betreffend die Gebäudehüllfläche. Die daraus resultierende erhöhte Fassadenfläche führt zu verhältnismässig leicht erhöhten Kosten. Als ebenfalls kostenintensive Elemente wurde die Anzahl Erschliessungskerne, die Konstruktion der Eingangshallenüberdachung und der grosse Anteil Holzbau in der Konstruktion der Hochhäuser bewertet. Gesamthaft liegt das Projekt mit den Kosten, aufgrund der unterdurchschnittlichen Geschossfläche, leicht unter dem Durchschnitt. Die wirtschaftliche Tragbarkeit des Vorschlages könnten nur mit wesentlichen Umplanung und Kostenoptimierungen gesichert werden.

Die Konzeption der Tragstruktur wird stark von der Architektur diktiert. Das Tragwerkskonzept ist sorgfältig und stufengerecht dargestellt. Im Bereich des Reitergebäudes wird eine leichte Tragstruktur aus Stahl und Holz vorgesehen, welche die Spannweiten aus dem Bestand übernimmt. Die Tragstruktur der Hochhäuser ist mit einer effizienten Holzbetonverbundlösung vorgesehen. Versprünge im vertikalen Lastabtrag werden über Fachwerke wirtschaftlich gelöst. Die Stabilität ist technisch über Zug- und Druckstreben sowie Erschliessungskerne gut gelöst. Durch die Entkoppelung der Tragstrukturen des Reiter- und Festlandgebäudes werden Aussteifungselemente im Bereich des Gleisfeldes erforderlich. Die vorgesehenen Schrägstützen im Bereich des Gleisfeldes sind so wie dargestellt nicht möglich.

Das vorgelegte Grobkonzept zur Baulogistik sieht eine effiziente Gestaltung des Bauprozesses durch Vorfabrikationen und einem hohen Mass an wiederholenden Bauteilen vor. Die Trennung der vier «Blocks» um das Kreuz ermöglich ausserdem eine pragmatische und sinnvolle Etappierung der Entwicklung – wobei die separierte Errichtung des Südturms der SBB nicht überzeugend aufgezeigt wurde.

Das Projekt erfüllt die komplexen Nachhaltigkeitsanforderungen nur bedingt. Das liegt vor allem an der zu geringen Stromproduktion mit einer zu gering dimensionierten Photovoltaik-Anlage. Das Energiekonzept ist eher uninspiriert und basiert auf der primären Nutzung der Fernwärme. Die Anforderungen des DGNB sind allgemein erfüllt, durch DGNB-spezifisch hohe Gewichtung der ökonomischen Kriterien ist insbesondere auf die Flächeneffizienz zu achten. Insbesondere die Tageslichtversorgung in vielen Teilen des Gebäudes nicht ausreichend. Die Durchlüftung ist teils gegeben durch die Durchwegung des Reiters durch die Nord-Süd- und Ost-West-Achse. Der zentrale Hof kann aber nicht durchlüftet werden, was stark einschränkend für die Aufenthaltsqualität ist. Die in den Bildern dargestellte intensive Begrünung erscheint in der Umsetzung nicht realistisch.

Im Vergleich zu anderen Projekteingaben weist der vorliegende Entwurf in Bezug auf Ökologie, Nachhaltigkeit und Stadtklima sowie Wirtschaftlichkeit eher schlechtere Kennwerte auf oder es macht zu wesentlichen Aspekten keine Aussagen. Deshalb und aufgrund der festgestellten Defizite hinsichtlich räumlicher und architektonischer Ausformulierung kann die Projektstudie trotz der konzeptionell sehr robusten und im Grundsatz überzeugender Organisationsstruktur schliesslich nicht gänzlich zu überzeugen.