Aufgabe |
Im Rahmen der IBA’27 besteht die große Chance, das Areal auf dem Weissenhof als Gesamtheit zu würdigen und sich mit der Geschichte und Zukunft der Weissenhofsiedlung und ihres näheren baulichen Umfelds auseinanderzusetzen. Die IBA’27 ist als regionale Großveranstaltung angelegt und viele ihrer Besucher*innen werden den Weissenhof im Rahmen ihres Ausstellungsbesuches sehen wollen. Die IBA’27 möchte diese Ausgangslage nutzen, um eine lokale sowie internationale Diskussion über dieses Quartier, seine Architekturgeschichte und mögliche Zukunftsstrategien zu führen und gleichzeitig im Jubiläums- und Ausstellungsjahr 2027 den Besuchenden ein gehaltvolles Erlebnis zu ermöglichen.
Die Gegebenheiten am Weißenhof – für die berühmte Siedlung, wie auch ihr nächstes Umfeld – sind komplex: schwierige Zugangsorientierung, Parkierung, Denkmalschutz, fehlende Infrastruktur und ein nicht menschenfreundlicher öffentlicher Raum. Eine mögliche Neugestaltung der Eingangssituation könnte gemeinsam mit einer Weiterentwicklung der Brenzkirche einen adäquaten Empfang für Besucher*innen im Jahr 2027 bieten. Allerdings ist der Brenzkirche diese Gelenkfunktion, die sie städtebaulich schon immer hatte, zum Verhängnis geworden.
Die nahe der Weissenhofsiedlung errichtete Brenzkirche zählt zu den Kirchengebäuden, deren Architekten um 1930 neue Wege im Kirchenbau suchten und sich der Moderne zuwandten. Für die 1939 geplante Reichsgartenschau stand sie direkt gegenüber des Eingangs und wäre in ihrer ursprünglichen Gestalt ein Vorposten einer internationalistischen und liberalistischen Haltung gewesen. Der bereits fünf Jahre nach ihrer Einweihung erfolgte Umbau von Rudolf Lempp entfernte nicht nur alle modernistischen, architektonischen Elemente, sondern neutralisierte und schottete das Gebäude ab: Es heißt nicht mehr willkommen, leitet nicht mehr in die Landenbergerstraße ein und verschließt sich auf allen Seiten. Die fortschrittliche Idee des Architekten Alfred Daiber, den Kirchenraum ins Obergeschoss zu legen, ihn mit einer hellen Treppe und einem Fenster zur Stadt zu erschließen und das Erdgeschoss als Veranstaltungs- und Empfangsfläche zu nutzen, ist eng und dumpf verbaut.
Die Brenzkirche ist Zeugnis der Mentalitäts- und Kirchengeschichte in Württemberg. Sie ist in ihrer aktuellen Form ein Symbol für eine angepasste, lieblose und lustfeindliche Kirche, die sich der autogerechten Stadt unterordnet. Sie ist ein verhülltes Erbstück der Moderne – progressiv gedacht, reaktionär entstellt, kaputtgespart. Das Weiterbauen der Brenzkirche könnte somit exemplarisches Beispiel für den Umgang unserer Gesellschaft mit den baulichen Zeitzeugnissen des zwanzigsten Jahrhunderts werden.
Der Weissenhof ist eines der bedeutendsten Monumente einer Moderne, die sich als Nichtstil verstand und die aus den menschlichen Bedürfnissen und technischen Möglichkeiten komfortable Räume für die Entfaltung der Menschen schaffen wollte. Die IBA’27 ist nicht ein Festival der Moderne, das verklärend den Weissenhof feiert und Originalzustände wieder herzustellen versucht, sondern die Chance, kritisch über das Verhältnis von Gesellschaft, städtebaulicher Organisation und formalem Ausdruck zu diskutieren, Prozesse und Denkweisen in Fragen zu stellen mit dem Ziel, nachhaltige und zukunftsfähige Gebäude und Infrastrukturen im Maßstab 1:1 zu präsentieren.
Die IBA’27 möchte das Weissenhof-Areal als Referenz für eine breite internationale Diskussion über Architektur und Moderne nutzen. Architekten sollen mit ihren Entwürfen Thesen für die Zukunft der Brenzkirche verräumlichen und eine weitere bauliche Schicht soll Widersprüche der Vergangenheit nicht übertünchen aber in ein erzählerisches und lebensfreundlicheres Stück Stadt weiterentwickeln.
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Gesetzte Teilnehmer |
(1) Aag LoebnerSchäferWeber, Heidelberg
(2) BeL Sozietät für Architektur Bernhardt und Leeser, Köln
(3) Bottega + Ehrhardt Architekten, Stuttgart
(4) Brückner & Brückner, Tirschenreuth/Würzburg
(5) Florian Nagler Architekten, München
(6) Kamm Architekten, Stuttgart
(7) Arge Klumpp + Klumpp Architekten, Stuttgart
und Von M Architekten, Stuttgart
(8) Königs Architekten, Köln
(9) LRO, Stuttgart
(10) Oxid Architektur, Zürich (CH)
(11) prinzmetal, Stuttgart/ Köln
(12) ruggero tropeano architekten, Zürich (CH)
(13) Schleicher Ragaller, Stuttgart
(14) Schulz und Schulz Architekten, Berlin
(15) STUDIO CROSS SCALE, Stuttgart
(16) Wandel Lorch Götze Wach, Frankfurt am Main
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