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Offener Wettbewerb (nur für Studenten) | 09/2015

Münster 2030 Wohnort: Stadt ─ Ideenwettbewerb für die Qualifizierung von Raumreserven im Wohnort Münster

2. Rundgang

Julian Hoffschlag

Student*in Architektur

Erläuterungstext

Schembeis - Ein Leben an der Mauer

Ein neues Viertel Namens Schembeis
(Gefängnis = schembeis, münsteraner Soziolekt)

Zwischen der innerstädtischen Promenade und dem äußeren Stadtring erstreckt sich das Gelände der heutigen JVA Münster von der Gartenstraße bis zur Goldstraße. Das Gefängnis, das nach englischem, neugotischem Vorbild im 19. Jh. erbaut wurde, nimmt mit seiner distinkten Sternform und der feinen Detailierung, seien es die Türmchen oder die gusseisernen Elemente im Innenbereich, eine gesonderte Stellung im gesamten Stadtteil dar. Ursprünglich außerhalb der Stadt liegend, ist Münster um das Gebäude herum gewachsen und einzig von der Gefängnismauer abgegrenzt. Die Mauer ist der dominanteste Aspekt der gesamten Erscheinung der JVA im Straßen- und Stadtbild. Um das Gefängnis, nach dem Umzug der JVA, in das Gebiet und in Münster zu integrieren, bedeutet es die abgrenzende Eigenschaft der Mauer in Frage zu stellen. Darin liegt das große Potential, dem gesamten Quartier eine neue Identität zu geben und einen Kontext für eine sorgfältige, gesonderte Auseinandersetzung mit dem Umgang des den- kmalgeschützten Gebäudes zu schaffen. Die Mauer dient als Katalysator für ein ganzheitliches und integratives Konzept für ein neues Stadtquartier, das sich deutlich stärker auf die Stadt Münster bezieht. An dieser Stelle soll das Schembeis-Viertel entstehen, dessen Name sich aus dem Wort für „Gefängnis“ aus dem lokalem münsteraner Soziolekt Masematte herleitet.


Umnutzung JVA – Orte

Das Gefängnisgebäude richtet sich mit seinem sternförmigen Aufbau an verschiedene Richtungen. Entsprechend sieht das Konzept, für die Umnutzung des Gefängnisses, eine autonome Betrachtung der einzelnen Gefängnistrakte vor. Beginnend mit dem Torbau und den peripheren Bauten, soll an dieser Stelle ein kulturelles und öffentliches Programm stattfinden. Ein Museum als Nutzer, an diesem Ort, könnte das Angebot an der Ansammlung von verschiedenen Raumformen verwenden. Die Toreinfahrt soll erhalten bleiben, die als neue Adresse für ein Hotel gelten soll. Das Hotel findet Platz im Panoptikum und dem Trakt, zur Promenade orientiert, nach ähnlichem Vorbild wie in der Innenstadt von Boston, USA. Der Trakt, der sich im Norden zur Gartenstraße orientiert, soll Büroflächen beherbergen. Zusammen mit einem Neubau (Verbraucherzentrum), der einen Teil der Mauer an der Gartenstraße integriert, entsteht ein kleiner Vorplatz. Durch die Adressenbildung an der Gartenstraße bieten sich dort unterschiedlich kommerzielle Programme für die Gefängnistrakte an. Währenddessen werden die Trakte, die sich nach Osten zur Goldstraße orientieren, für eine Wohnnutzung umgebaut. Im nördlichen Teil der JVA, soll die Werkstatthalle weitestgehend erhalten und sogar erweitert werden. Die Werkstätten werden zu einer überdachten Marktfläche umfunktioniert. Zusammen mit dem nördlichen Trakt entsteht dort ein neuer Treffpunkt in der Stadt, um im Viertel ein Freizeit- und kulturelles Angebot zu liefern, sei es für Flohmärkte oder informale Veranstaltungen. Dieser neue Treffpunkt soll besonders das neue Quartier mit den Bürgern der Stadt verknüpfen. Solche Orte verschwinden zunehmend in Münster, siehe Hafenviertel. Deshalb bietet sich dort eine Chance an, eine neue Identität und Atmosphäre für das neue Schembeis-Viertels enstehen zu lassen.


Baustein

Das Konzept sieht ein Baustein vor. Dieser Baustein entstand aus einer Grundfläche die häufig in dem heutigen Wohngebiet an der Goldstraße vorkommt (ca. 100qm - 115qm). Ziel war es nicht die Art des Wohnens in diesem Gebiet radikal neuzudenken, sondern im Kontext weiterzuentwickeln. Der Baustein basiert auf einem 1:2 Verhältnis (7,5m x 15m), um ein kompaktes Gefüge zu ermöglichen. Die Grundfläche, des Bausteines, ermöglicht unterschiedliche Wohntypen, ohne das Maß verlassen zu müssen. Wichtig war hier eine möglichst offene Grundrissstruktur zu etablieren, um die Gebäudetiefen nutzen zu können. Gedacht ist ein zweigeschossiger Typ für vier- bis fünfköpfige Familien (ca. 190qm), ein drei- bis viergeschossiger Typ mit Wohnungsgrößen (ca. 90qm) für Paare mit/ohne Kind und ein vier- bis fünfgeschossiger Typ mit Wohnungsgrößen (ca. 42qm) für Paare oder Singles. Dieser Baustein wird im additiven Prinzip zusammengesetzt, wodurch sich unterschiedliche Gebäudetypen Formen lassen. An der Mauer entlang, formt sich das Mauerquartier zu einer Wohnschlange. Auf die Goldstraße ausgerichtet werden die einzelnen Bausteine an die Mauer herangeschoben, wodurch sich die amorphe Form ergibt. Die Wohnungen sind in Ost- West Richtung ausgelegt und bieten einen kleinen Garten zur Ostseite. Zur Mauer hin ergibt sich ein kleiner Vorbereich der als Adresse und Eingang zu den einzelnen Einheiten dient. Die Mauer wird entsprechen mit Öffnungen versehen. Zum Norden hin entsteht aus dem gleichen Baustein ein geschlossener Block mit innenliegendem Laubengang. An den Schmalseiten im Erdgeschoss befinden sich Flächen für Kleingewerbe und Büros, wohingegen im Obergeschoss sich Wohnungen befinden. An der Goldstraße formt sich eine offene, hybride Blockstruktur. Durch die Orientierung an die Goldstraße entstehen saubere Straßenkanten die das gesamte Quartier einfassen. Durch den Versatz im hinteren und nördlichen Bereich, wird der große Maßstab der Formen gebrochen und gleichzeitig eine Intimität durch Nischenbildung geschaffen. Insgesamt ermöglicht der modulare Aufbau eine flexible Phasenentwicklung im Gebiet. Diese Flexibilität erlaubt es mit dem Bestand zu entwickeln und nicht dagegen.


Materialität – Gestaltung – Offenheit

Das Hauptmerkmal des Konzeptes, für das Schembeis-Viertel, ist die Öffnung der Gefängnismauer. Dass die Mauer zum Denkmal gehört ist bekannt. Deshalb gehört es zur Aufgabe die Mauer als Mauer erkennbar zu lassen, doch verliert die Mauer ihre ursprüngliche Aufgabe wenn die JVA umzieht. Zu Gartenstraße bleibt Sie erhalten und bildet dort weiterhin die Straßenkante aus. Nördlich, wo die Mauer abknickt, wird diese zur Adressenbildung mit Bögen geöffnet. Im Süden, des JVA-Geländes, wird zur Erschließung des Mauerquartiers eine neue Straße innenseitig an der Mauer entlang geführt. Entlang der Wohnbebauung an der Mauer wird diese durch Bögen geöffnet, um einen adä- quaten Eingangsbereich zu schaffen. Die Steine, die aus der Mauer entnommen werden und weitestgehend aus der Werkstatthalle, sollen eine neue Bestimmung in dem Wohnviertel erhalten. Zum Freiraumkonzept im Schembeis-Viertel gehört die Errichtung von Straßenmöbiliar und Landmarken, wie man es bespielsweise bereits von den
Backsteinkunstwerken Per Kirkebys in Münster kennt. Diese Objekte werden im gesamten Gebiet verteilt.
Alle verseigelten Flächen, Zugangswege und Straßen werden mit einem Material bespielt. Für die neuen Gebäude wird ein Gestaltungsplan formuliert. Die neuen Strukturen sollen sich vom Bestand, erweitert oder nicht, durch eine eigene Gestaltung unterscheiden. Für die gesamte Materialisierung für das Viertel soll sich an den Bestand und an die Tradition der Backsteinbauten in Münster orientieren. Da es sich bei dem Gefängnis, Mauer und Neubauten um profane Bauten handelt, kommt insbesondere das Material, Ziegelstein, zum Einsatz. Der Sockelbereich, der Neubauten wird in Beton ausgeführt, während die oberen Schichten in Ziegelsteinen oder Klinker ausgeführt werden. Das soll die Zusammengehörigkeit aller Strukturen innerhalb des Gebietes stärken und doch den Neubau vom Bestand unterscheiden und hervorheben. Durch eine Bodenpflasterung aus Backsteinen soll deutlich das neue Gebiet definiert werden, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Wagen. Die Verwendung einer Materialfamilie, die Öffnung der Mauer und sowie die Wiederverwendung von Abgebauten Material lässt ein einheitliches Quartier entstehen. Das denkmalgeschützte Gefängnis wird nicht mehr abgegrenzt sondern für seine zukünftigen Aufgaben integriert.