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Einladungswettbewerb | 11/2015

Fassadengestaltung Geschäftshaus Lange Straße

Ansicht Lange Straße

Ansicht Lange Straße

1. Rang

Preisgeld: 3.000 EUR

ANGELIS & PARTNER Architekten mbB

Architektur

Erläuterungstext

Die Neugestaltung des ehemaligen Kaufhauses Hertie in der Langen Straße 91 ist ein wichtiger Baustein in dem Erneuerungsprozess der Delmenhorster Innenstadt. Der heutige Zustand stellt eine schwere Hypothek für die Umgebung dar: Das große wenig gegliederte Volumen sprengt sowohl in der Funktion als auch gestalterisch die Dimension einer gesunden Innenstadtstruktur. Wenn ein Baustein dieser Größenordnung an so zentraler Stelle zudem leer steht und verfällt, zieht er seine ganze Umgebung mit sich, und es wird unmöglich für kleine Geschäfte hier noch zu exis-tieren. Ziel einer Neugestaltung dieses Komplexes muss es also sein, zum einen eine attraktive Adresse für neue Nutzungen zu schaffen und zum anderen das Gebäudevolumen stadtverträglich in die kleinteilige Innenstadtumgebung einzugliedern.
Die Grundaufgabe bei der Gestaltung eines so großen Gebäudevolumens in einer historischen Stadtstruktur ist dabei immer gleich: Anders als in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, als der kleinteiligen historischen Parzellenstruktur der historischen Städte wenig Bedeutung beigemessen wurde und Kaufhäuser als autarke Komplexe allein nach inneren Notwendigkeiten geplant wurden, geht es heute darum, die großen Volumina der Kaufhäuser der 1950er-70er Jahre wieder in die Innenstadtgefüge zu integrieren, so neue Qualitäten zu generieren und die Schwellen vom Kaufhaus zur Stadt und umgekehrt abzubauen. Das Kaufhaus muss der Kleinteiligkeit der Umgebung Rechnung tragen und - anders als in den postmodernen Bemühungen der 80er-/90er Jahren - dennoch als zusammenhängendes Ganzes erkennbar sein. Aus diesem Grunde und um an dieser zentralen Stelle der Innenstadt einen starken Anziehungspunkt zu schaffen, muss es das Ziel sein, den Komplex zwar kleinteilig, aber dennoch als ein Gebäude zu präsentieren, das seine Existenz und seine Größe nicht versteckt, sondern sich in selbstbewusster Selbstverständlichkeit in das Stadtbild einfügt. Der Entwurf sieht demnach für die gesamten Fassadenflächen eine zusammen-bindende Gestaltung vor, anstatt über völlig autark gestaltete Module eine echte Parzellierung vorzutäuschen.


Das Kaufhaus in der historischen Stadt – die Großform in der kleinteiligen Parzellenstruktur

Die geplante funktionale Umgestaltung des ehemaligen Hertie-Gebäudes sieht heute flexible Verkaufsflächen mit mehreren Mieteinheiten vor. Zunächst sollen dabei zwei Gewerbeflächen für Einzelhandel im EG und 1. OG bzw. auch im KG entstehen, während im 2. OG ein Fitnessstudio einziehen soll. Insbesondere die Einzelhandelsflächen benötigen eine deutliche Adresse und eine individuelle jeweils eigene Ablesbarkeit zur Langen Straße. Gleichzeitig muss die Gestaltung spätere Umnutzungen mit möglichen Verschiebungen der Flächen ermöglichen.

Das vorliegende Konzept gliedert das bestehende Gebäude neu und setzt das Haus in einen intensiven Dialog mit seinem Umfeld. Das große Volumen des Hauses wird in der Fassadenebene kleinteilig aber zusammen wirkend in einzelne Baukörper gegliedert und orientiert sich dabei an der Körnigkeit einer auf Einzelparzellen gewachsenen historischen Stadt.
Aufgrund der vorgesehenen Teilung in zwei Hauptverkaufsbereiche, werden zwei getrennte repräsentative Eingangsbereiche geschaffen, die zentral angeordnet als eigene Bausteine das gesamte Volumen in gleichmäßige Module teilen. So entstehen zur Langen Straße drei Hauptbaukörper mit Schaufensterflächen und zwei schmalere Eingangsbaukörper, die durch ihre unterschiedliche Breite und Materialität eine kleinteilige Gliederung analog zur umgebenden Bebauung entstehen lassen.
Die Baukörper sind mittels durchlaufender Baufugen getrennt und stehen als „Stadthäuser“ jeweils eigenständig solide auf dem Boden. Sie gliedern sich dabei städtebaulich in die klassische mit Schaufenstern belegte Sockelzone und den zweigeschossigen Hauptkörper des 1. und 2. Obergeschosses.
Die tiefen Schaufenster des Erdgeschosses werden von einer plastischen Stützenreihe eingefasst, so dass der Straßenraum eine massive Führung bekommt und die Häuser geerdet werden.
Das 1. Obergeschoss ist ebenfalls transparent gestaltet und greift das Motiv des Schaukastens auf, der sich zur Stadt öffnet und mir ihr interagiert. Die Fassade des 2. Obergeschosses bleibt in der grundsätzlichen Materialität gleich, ist aber analog zum Wechsel in der Funktion kleinteiliger gegliedert. IhreTransparenz kann mittels geschlossener Fassaden-Elemente reduziert werden.
Das 3. Obergeschoss springt stark gegenüber den Hauptbaukörpern zurück, so dass es sich stadträumlich zurückhaltend einfügt.


Die Fassade als ausstrahlender Schaukasten

Die einzelnen Baukörper der Primärfassade werden durch massive Bauteile aus hochwertigen gesäuerten Betonfertigteilen gerahmt. Die hochgradig transparenten Flächen werden durch ein gleichmäßiges Raster einer tiefen Elementfassade aus Glas und Aluminiumprofilen gegliedert. Die Typologie der Elementfassade nimmt das Thema des Schaufensters auch im Detail auf und bietet eine große Flexibilität in der Nutzung des jeweiligen Elementes: Jedes einzelne Feld kann als nach hinten geschlossener Schaukasten oder aber auch als tatsächliches Fenster genutzt und gestaltet werden. So ergibt sich ein in seiner homogenen Grundgestaltung sehr variables und lebendiges Spiel der Fassade und es entstehen attraktive Präsentationsflächen für die zukünftigen Mieter. Bei Tag präsentiert sich das Haus so als eleganter und zurückhaltender homogener Körper, während es in der Dunkelheit in die Umgebung ausstrahlt.

Die beiden schmaleren Baukörper, die im Erdgeschoss die Eingänge einfassen, setzten sich in ihrer Materialität dadurch ab, dass sie keine Betonrahmung aufweisen. Sie sind als homogene geschossweise gegliederte Metallrahmen mit einem hohen Verglasungsanteil gestaltet, so dass eine große Transparenz und moderne Leichtigkeit entsteht. Feststehende geschosshohe vertikale Sonnenschutzlamellen aus Lochblech bzw. Streckmetall geben diesem Bauteil trotz der Transparenz eine massive und körperhafte Anmutung.

Die Materialität beider Fassadentypen ist trotz ihrer unterschiedlichen Ausformulierung mit Ausnahme der Betonteile im Sockel und Rahmen gleich: die Metallelemente sind eloxierte bzw. pulverbeschichtete Aluminiumprofile. Die Felder werden durch einzelne opake Felder mit Öffnungsflügeln aus gedämmten Aluminiumpaneelen weiter gegliedert. In die Elementfassade ist in den Oberge-schossen, entsprechend bauphysikalischem Erfordernis, ein textiler außenliegender Screen als Sonnenschutz integriert.
Die tiefe Fassade mit den opaken Feldern vor den abgehängten Geschossdecken wird für die Integration von Beleuchtung und Werbung im Bereich der Blenden genutzt.

Die rückwärtigen Fassaden entlang der Kirchstraße und August-Bebel-Straße werden mit dem Ziel der Einheitlichkeit des Gebäudes nach den gleichen Prinzipien gestaltet und das große Bauvolumen in einzelne Baukörper gegliedert, und entsprich damit der vorherrschenden Kleinteiligkeit der umgebenden Bebauung. Dabei hebt sich der Baustein der Erschließung auch hier in seiner Gestaltung ab. Die Gliederung und Materialität dieser Baukörper entspricht ebenfalls der Schaufassade, jedoch ist der Glasanteil deutlich reduziert und beschränkt sich auf die Hauptnutzflächen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser gliedern das Bauvolumen durch die neue Fassade in fünf Teile, die sich in Dimension und Material unterscheiden. Durch die neue Gliederung wird die städtebauliche Körnung der Umgebung sehr gut aufgenommen. Trotz der neuen Kleinteiligkeit gelingt es den Verfassern überzeugend, eine unruhige Wirkung des gesamten Ensembles zu vermeiden.

Die einzelnen Fassadenabschnitte sind in Struktur, Proportion und Material außerordentlich gut durchdacht und durchgearbeitet. Innerhalb eines klaren von unten nach oben differenziert. Durch einen Materialwechsel von Beton und bronzefarbig eloxiertem Aluminium unterscheiden sich die fünf Fassadenabschnitte.
Durch die klare Struktur sind vielfältige Teilungen und Nutzungen des Grundrisses unkompliziert realisierbar. Lediglich die Position der Eingänge, die im jetzigen Bearbeitungsstand sehr festgelegt ist, könnte eventuell etwas flexibler gestaltet werden.
Die Jury beurteilt die Arbeit als eine für den Ort sehr angemessene, zeitlose und flexible Lösung, die für Delmenhorst an dieser Stelle eine deutliche Aufwertung bedeuten würde.