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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2016

Wallanlagen

Visualisierung | Wallanlage

Visualisierung | Wallanlage

3. Preis

Preisgeld: 2.150 EUR

Kortemeier Brokmann Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Wallanlage Goslar: Stadtgeschichte zurückerobert

Abstract

Die Befestigungs- und Wallanlagen der Stadt Goslar dienten im Mittelalter der Stadtbegrenzung und dem Verteidigungszweck. Heute sind sie als historisches Zeugnis und Teil des UNESCO-Weltkulturerbes touristisches Besichtigungsgebiet, Naherholungsort für die Stadtbevölkerung, und Transitraum für Fahrradfahrer und Fußgänger. In ihrer Gesamtheit bilden sie den Grüngürtel um die Kernstadt und sollen in Zukunft wieder in Gänze erlebbar und erfahrbar sein.
Das vorliegende Gesamtkonzept ist in Anlehnung an die Geschichte Goslars als mittelalterliche Herrschaftsstadt auf metaphorisierende Weise formuliert. Es erzählt Geschichten aus vergangenen Zeiten; von Händlern, Eroberern und Verteidigern. Die Nutzer können sich Assoziationen bilden und somit gefühlt in die Geschichte des Ortes eintauchen. Alle Entscheidungen auf den unterschiedlichen Maßstabsebenen dienen der Erlebbarkeit dieses Konzepts. Es macht zudem das Angebot, einen Ausgleich zwischen den Zielen des Natur- und Artenschutzes, den Zielen des Tourismus, den Zielen der Naherholung und den Zielen der Denkmalpflege herbeizuführen. Es ist an drei Adressaten gerichtet: die UNESCO, die touristischen Besucher und die lokalen Akteure.
Die Basis des Konzepts liegt zunächst in der Sichtbarmachung der historischen Relikte, die so in ihrem geschichtlichen Wert konserviert werden und dem Ort wieder eine lesbare räumliche Struktur verleihen. Ehemals wichtige Sichtbeziehungen gewinnen so ebenfalls wieder an Bedeutung.
Unterstützt wird dieser Konzeptgedanke durch die Schaffung eines einheitlichen Wegenetzes, das in seiner Thematik die Geschichte des Ortes aufgreift. Auf den „Wegen der Händler“ und den „Pfaden der Wallwächter“ werden die unterschiedlichen Nutzergruppen auf voneinander getrennten Wegen durch den Ort geleitet. Somit reagiert das Konzept auf die bisweilen ungeordnete Wegeführung, die daraus resultierende Vermischung von Nutzungen sowie den teilweisen Mangel an Orientierung bei Ortsunkundigen.
In Anbindung an das Wegenetz und als Reaktion auf die derzeitige geringe Attraktivität des Gebietes entstehen punktuell „narrative Orte“ mit hoher Aufenthaltsqualität, die im Konzept als „Chancen der Eroberer“ metaphorisiert sind. Die gestalterische Konzeption dieser Orte thematisiert verschiedene Sitz- und Spielmöglichkeiten sowie Aussichtspunkte, die die Sichtbeziehungen innerhalb des Gebietes und zur Altstadt aufgreifen. Durch die Setzung dieser Orte profitieren auch die lokalen Akteure vom Denkmal.

Dem Konzept liegen fünf Planungsprämissen zugrunde:

Prämisse 1: Räumliche Erlebbarkeit der Befestigungsanlagen durch Entfernen von Vegetation

Die historischen, aus Erdwall und Mauern bestehenden Befestigungsanlagen der Stadt Goslar sind in ihrer Struktur linear aufgebaut. Die seit den 1930er Jahren aufgekommene Vegetation verwischt jedoch sowohl diese klaren linearen Strukturen wie auch die artifizielle Topographie, indem sie mithilfe von Sträuchern und Bäumen förmlich alles in Grün taucht.
In einem ersten Schritt werden daher die Relikte „Wallkörper“, „Feldmauer“ und „Dicker Zwinger“ vollständig von Strauchaufwuchs befreit. Stattdessen erhalten Sie zum Schutz vor Bodenerosion eine pflegeextensive Initialpflanzung aus niedrigen heimischen schattenverträglichen Waldhumus-Stauden und Gehölzen, wie z.B. Lungenkraut, Wald-Hainsimsen oder Efeu. Alternativ kann eine Ansaat mit artenreicher Rasenmischung erfolgen. Großflächig ausgebrachte Geophyten wie z.B. Elfen-Krokusse, Schnee-glöckchen oder Buschwindröschen setzen farbige Akzente im Frühjahr und heben den Wall als zusammenhängende Raumeinheit hervor.
In einem zweiten Schritt wird die Feldmauer im Bereich der Judenteiche von sie beiderseits begleitenden Großgehölzen freigestellt; sowohl von der Reihe Kastanien im Süden, deren Wurzelwerk bereits die Mauer bedrängt, als auch dem Aufwuchs im Norden. Lediglich die Kastanienreihe entlang des Zwingerwalls bleibt erhalten.
In einem dritten Schritt werden wichtige Sichtbeziehungen durch die Entnahme von Einzelbäumen wiederhergestellt. Dies sind sowohl die Blicke vom Straßenraum der St. Annenhöhe über die Judenteiche auf den „Dicken Zwinger“ wie auch die diversen Blicke vom Zwingerwall z.B. auf den „Dicken Zwinger“ oder die Kirchtürme der Altstadt. Diese Sichtbezüge bieten Ortsfremden Orientierung und der einheimischen Bevölkerung Identität. Sämtliche Freistellungen sollten entsprechend der naturschutzrechtlichen Anforderungen sukzessive erfolgen.

Prämisse 2: Verdeutlichung des schützenden Elements „Wasser“ durch neue Teiche

Das Element „Wasser“ bildete ein weiteres, z.T. ebenfalls linear gestaltetes, Element der historischen Befestigungsanlage. Aufgrund der räumlichen Trennung des Kahnteiches von den Judenteichen ist diese Verbindung heute nicht mehr wahrnehmbar. Die Neuanlage von fünf, wie auf einer Perlenschnur aufgereiht liegenden, im Gefälle kaskadenartig angeordneten Teichen stellt diese Verbindung wieder her. In ihrer Ausformulierung im zeitgenössischen Stil sowie ihrer Materialität stehen sie als etwas Neues in deutlichem Kontrast zu den historischen Teichen.

Prämisse 3: Erleichterung der Orientierung und Erschließung durch neue Wege

Das Wegesystem orientiert sich an der Linearität der historischen Strukturen und besteht aus zwei Wegetypen unterschiedlicher Charaktere, Nutzungen und Geschwindigkeiten: den „Wegen der Händler“ und den „Pfaden der Wallwächter“.
Die „Wege der Händler“ verlaufen außen vor der Befestigungsanlage in unmittelbarer Nähe zum angrenzenden Straßenraum. Mit einer großzügigen Gesamtbreite von 4,00 m, einer dauerhaften Befestigung aus (Farb-)Asphalt sowie einer großformatigen Einfassung aus Betonstein, sind sie für Fahrradfahrer und Fußgänger, die den Weg im Alltag vorwiegend als Transitraum nutzen, ausgelegt. Entlang dieser Wege finden sich daher bewusst keine Sitzmöbel.
Im Bereich des eigentlichen Wallkörpers hingegen verlaufen die „Pfade der Wallwächter“ sowohl auf, als auch vor dem Wall, um an die Patrouillengänge der kontrollierenden Wallwächter zu erinnern. Diese Wege sind zwischen 2,00 und 2,50 m breit, mit einer wassergebundenen Wegedecke befestigt und beidseitig mit einer Stahlkante eingefasst. Diese hat auf der einen Seite eine Breite von 0,5 cm, auf der anderen jedoch eine Breite von ca. 20 cm. Dies erhöht zum einen die Wahrnehmbarkeit dieses wichtigen Weges im Stadtraum, zum anderen können hier über Gravuren textliche Hinweise zur Geschichte der jeweils an den Weg angrenzenden Orte gegeben werden. Die „Pfade der Wallwächter“ dienen vorwiegend dem ruhigen Flanieren oder auch dem Aufenthalt auf wegbegleitenden Bänken. In steilen Wegabschnitten wird statt einer wassergebundenen Wegedecke ein Asphalt eingebaut, der mit einer identischen Absplittung versehen ist.
Durch die deutliche Differenzierung in der Gestaltung trennt das Wegesystem lesbar Funktionen und Nutzungen voneinander, verleiht dem Gesamtbereich eine einheitliche Struktur und gibt auch ortsfremden Besuchern Orientierung. Es ist problemlos auf weitere Wallabschnitte übertragbar.

Prämisse 4: Verknüpfung mit der Altstadt über Platzsituationen

Die Straßenräume der Kötherstraße und der St. Annenhöhe spielen sowohl für die räumliche Erlebbarkeit, als auch für die Verknüpfung des Gebietes mit der Altstadt eine bedeutende Rolle. Sie brechen den linearen Charakter aus historischen Elementen, parallel verlaufendem Wegenetz und Vegetationsstrukturen bewusst auf. Zwischen den einzelnen Abschnitten des Gebietes entstehen Gelenke: vollständig barrierefrei gestaltete Platzsituationen, die sowohl als einladende Eingänge zur Altstadt, als auch Verteiler innerhalb des Fuß- und Radwegenetzes, oder als Aufenthaltsbereiche fungieren.
Auch diese Orte erzählen Geschichten: Geschichten von Händlern, die mit ihren Fuhrwerken vor den Toren oder Pforten der Stadt auf Einlass warteten. Ihre Fahrspuren sind heute noch sichtbar: in Form in den Belag eingelassener Cortenstahl-Bänder. Die historischen Bordanlagen können am Ort verbleiben. Flächenbündig, bzw. zu Entwässerungszwecken mit leichter Aufkantung (< 3 cm) eingebaut, markieren sie subtil die Fahrfläche für den Zwinger andienende Fahrzeuge.

Prämisse 5: „Narrative Orte“ erzählen Geschichten von den Eroberern

Entlang des gesamten Walles, sowohl im Ideen- als auch Realisierungsbereich werden „narrative Orte“, die ebenfalls subtil mit der Geschichte der Befestigungsanlage spielen, bzw. Geschichten von dieser erzählen, platziert.
Die „Chance der Eroberer“ bildet ein durchgehendes, unter Berücksichtigung des schützenswerten Großbaumbestandes, der jeweiligen räumlichen Qualitäten und dem ortsbezogenen Thema flexibel einsetzbares, und mit verschiedenen Nutzungen programmierbares Gestaltungselement. Als Material schlagen wir mit Cortenstahl ein „raues“, mattes, sich von der Farbigkeit zurücknehmendes Material vor.
Im Bereich der Feldmauer an den Judenteichen erzählt eine als „Spähposten“ gestaltete, barrierefrei erreichbare Plattform, von welcher aus man die von den Kirchtürmen geprägte Stadtsilhouette der Altstadt im Blick hat, von der Ungeduld der Eroberer oder vom Stolz der Bürger auf die Schönheit ihrer Stadt.
Ebenfalls an den Judenteichen legt sich mit einer treppenartigen Konstruktion ein „Instrument der Eroberung“, auf den Wallkörper. Hier kann der Besucher aus der Warte der Eroberer die räumliche Dimension der Befestigungsanlage physisch erfahren, oder im Alltag mit Blick auf die Teiche, bzw. den Rammelsberg verweilen. Die Treppenanlage mit ihren Sitzstufen kann hier auch zum temporären Bespielen der Befestigungsanlage genutzt werden: Open-Air-Kino oder Klassikkonzert an den Judenteichen. Die Anlage ist – unter Berücksichtigung geschützten Großbaumbestandes – sowohl flexibel zu verorten als auch zu dimensionieren. Sie lagert auf wenigen Streifenfundamenten und schwebt förmlich über dem Wall. In die Kontur des Walls muss nicht eingegriffen werden. Unter den Stufen eingelassene Leuchten sorgen auch in der Dunkelheit für eine spannende Illumination.
Am Kahnteich wird das „Instrument der Eroberung“ als Spielplatz ausgestaltet. Über Klettergriffe und Seilvorrichtungen kann der Wall von der Außenseite spielerisch erobert werden, während man nach erfolgreicher Eroberung auf der Innenseite über Treppenstufen und Rutschen in die Stadt gelangen kann. Das „Lager der Eroberer“ kann dabei als Sandkasten am Fuße der stadtnahen Seite ausformuliert sein.
Weitere „narrative Orte“ können entlang des gesamten Walls errichtet werden. Am Wasser gelegene Steganlagen können auf den Versuch der Eroberung über aus der Stadt kommende Wasserläufe anspielen. „Zäune“ aus schlanken Stahlstangen können die in Teilbereichen nicht mehr wahrnehmbaren Wallkonturen subtil nachzeichnen. Je nach Einfallswinkel des Blickes ändert sich hier die Perspektive. Im direkten Durchblick verschmilzt der Bestand mit der Wallkontur. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie der Ort früher mit Wall ausgesehen hat. Bei schrägem Betrachtungswinkel verschwindet die Durchlässigkeit und die Wehrhaftigkeit des Bauwerks wird sichtbar.
Die Setzung des Themas gibt lediglich den Rahmen vor. Dieser kann in Zukunft vielfältig, auch unter kreativer Mithilfe der Bevölkerung verschiedentlich gefüllt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit greift die historische Bedeutung des Wassers zur Schutzfunktion in Form der Gräben und Teiche auf und macht dieses Thema zu einer entwurfsleitenden Idee. Dieser Ansatz ist gut geeignet, die historische Situation angemessen zu reprofilieren. Dazu werden zwischen Kahnteich und oberem Judenteich - wie auf einer Perlenschnur aufgereiht - fünf neue Teiche vorgesehen, die in einer Kaskade mit jeweils gut 2 m Höhendifferenz hintereinander geschaltet werden. Die geplanten Teiche können die historische Abfolge der Wasseranlagen in den Wallanlagen anschaulich sichtbar machen und den Abschnitt um den Zwinger mit dem Bereich um die Judenteiche gut verknüpfen.
Die großzügige Aufweitung und Aufpflasterung der Kötherstraße in diesem Bereich folgt dem Ziel, die historische Blickbeziehung der in die Stadt einfahrenden Fuhrwerke wieder erlebbar zu machen. In ihrer Dimension allerdings ist sie zu groß angelegt, die Querung wirkt hier sehr hart und stellt damit die gewünschte Verknüpfung der beiden Wallabschnitte durch die Abfolge der neuen Teiche in Frage. Das Umfeld des Zwingers orientiert sich nah am Bestand und ist dem Ort angemessen.
Die Neuanlage der Straße St. Annenhöhe am östlichen Ende der Judenteiche mit der neugeordneten Erschließung zu Teichen und Wallanlagen erscheint in Gestalt und Funktion angemessen und gut gelöst.
Die markanten Elemente zur Nutzung und Erlebbarmachung ausgewählter Orte sind grundsätzlich gut geeignet, die Wallanlegen und Teiche zeitgemäß zu inszenieren. Es wird aber bezweifelt, ob sie in ihrer Dimension und Materialwahl dem historisch geprägten Ort angemessen sind.
Die Feldmauer wird durch den Wegfall einer Reihe der Kastanienallee und Entnahme der Strauchschicht freigestellt. Die Sichtbarmachung der Mauer wird positiv gesehen, allerdings erscheint die Entnahme von zahlreichen Gehölzen unter Aspekten des behutsamen Umgangs mit dem Bestand und Artenschutzgründen überzogen.
Die Arbeit kann einen guten Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe leisten. Allerdings sind die Entwurfsansätze in Teilen überzogen und dem Ort nicht angemessen. Es wird bezweifelt, ob der Entwurf mit dem vorgegebenen Budget umgesetzt werden kann. Durch die Anlage der neuen Teiche und der aufwendigen Interventionen entstehen darüber hinaus dauerhaft erhöhte Unterhaltungskosten.
Visualisierung | Kötherstaße

Visualisierung | Kötherstaße

Gestaltungsplan | Realisierungsbereich

Gestaltungsplan | Realisierungsbereich

Detail + Schnitt | Wallanlage

Detail + Schnitt | Wallanlage

Detail | Kötherstraße

Detail | Kötherstraße

Piktogramm | Entwurfsstrategie + Module

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