Nichtoffener Wettbewerb | 03/2016
ETH Zürich, Areal Zentrum Sanierung Gebäude MM
©ETH Zürich / ernst niklaus fausch architekten
4. Rang
Preisgeld: 7.000 CHF
Ernst Niklaus Fausch Partner AG
Architektur
Projektsteuerung
Müller Illien Landschaftsarchitekten
Landschaftsarchitektur
Bauingenieurwesen
Verkehrsplanung
TGA-Fachplanung
Erläuterungstext
Die Gesamtanlage besteht aus unterschiedlichen historischen Schichten, die auf der Integration des Neuen in das Alte basieren.
Respektvoll gegenüber diesem Gebäudekonglomerat wird diese architektonische Grundhaltung bei der Sanierung MM weitergeführt. Mit entschiedenen Eingriffen werden Schwachpunkte selbstbewusst korrigiert und die architektonischen Stärken geschärft.
Die bestehenden Haupttreppenhäuser werden mit wettergeschützten Aufgängen auf die Polyterrasse weitergeführt. Sie nehmen die straffe Haltung des Semper- Gullbaus mit der Betonung der Symmetrie auf und führen sie bis zur Balustrade weiter. Die unter Geisendorf von der Sockelzone verschobenen Stufen und die mittigen Aufbauten werden zurückgebaut. Die Mittelachse wird freigespielt und der Bezug zur Sockelmauer des Semper/-Gull Baus geklärt. Eine zusammenhängende frei nutzbare Fläche entsteht.
Der Frage der heute unklaren Adressierung wird mit zwei Massnahmen begegnet: Das Dach des Gebäudes wird zum Stadtbalkon, zu einer öffentlichen Adresse des Hauptgebäudes, die beiden Aufgänge adressieren die Hauptnutzungen (Verpflegung und Sport) an und auf den Stadtbalkon.
Die innere Organisation ist aus der Logik der bestehenden Gebäudestruktur entwickelt. Die bestehenden Treppenhäuser werden zu einer einfachen Erschliessungsstruktur verdichtet., die auch die Fluchtwege bereitstellt und die Betriebsabläufe klärt.
Die ebene C wird neu organisiert. Die heute störende räumliche Trennung zum Hauptgebäude wird aufgehoben. Ein offener Raum mit Panoramablick zur Stadt entsteht. Verpflegung und Retail bilden einen Marktplatz mit fliessenden Übergängen zu den Terrassen und zu einem überdachten Ankunftsort für Gäste und den ETH-Link.
Durch die Öffnung der Sporthallen zu umlaufenden Galerien entsteht ein grosszügiger lichter Raum, der die bestehenden Orientierungsdefizite behebt.
Beurteilung durch das Preisgericht
Herzstück des Projektes PIÙ MOSSO bildet die bestehende Polyterrasse, die als repräsentativer Teil des im «Masterplan Hochschulgebiet» genannten «Stadtbalkons» gestärkt werden soll. Dazu wird der Bereich über der Strassendurchfahrt niedriger gesetzt und die platztrennende Stufenanlage zu Gunsten einer grosszügigen Platzfläche eliminiert. Dies beeinträchtigt allerdings den Sockelbereich des denkmalgeschützten ETH Hauptgebäudes. Zudem stellt sich die Frage, ob sich die daraus ergebenden aufwändigen Anpassungen wirklich gerechtfertigt sind. Den neu gestalteten Platz flankieren hinzugefügte Glaskuben über den bestehenden Treppenanlagen, die als Adressen der darunterliegenden Geschosse dienen. Diese Treppenaufgänge sind aus der inneren Organisation abgeleitet und funktional verständlich. In der räumlichen Gestaltung sind sie jedoch zu wenig grosszügig, um als attraktive Verbindung zwischen Polyterrasse und neuer «Markthalle » zu wirken. Die symmetrische Setzung baut vordergründig einen Bezug zum ETH Hauptgebäude auf, der zu technisch geprägte Ausdruck vermag aber im architektonischen Umfeld von Semper und Geisendorf nicht zu überzeugen. In diesem Sinne ist auch der neue Pavillon der Bar «bQm» in Frage gestellt, zumal die Anordnung nahe am Polysteig die denkmalpflegerisch schützenswerte Station der Polybahn bedrängt. Die Überschreitung der privatrechtlich beschränkten Maximalhöhe kann hier mit einer städtebaulichen und architektonischen Aufwertung nicht gerechtfertigt werden.
Funktionalität
Grundlegend bauen die Verfasser auf Altbewährtem auf und beheben wo nötig Schwachstellen. Mit gezielten Eingriffen stärken sie innere Abläufe und organisieren bestehende Räume oder Raumfolgen neu. Die eindeutige Trennung von Sport- und Gastronomieerschliessung dient sich im Gebäude zu orientieren. Die Ebene C wird im Sinne eines «Markplatzes» mit offenem Grundriss vorgeschlagen. Der Bezug zur Leonhardstrasse und zum Durchgang ins ETH Hauptgebäude wird mit einer grosszügig geöffneten Verglasung gestärkt. Da die bestehenden Oberlichter zu Gunsten der Platzfläche rückgebaut werden, übernimmt eine sich dem Tageslicht anpassende Lichtdecke die Belichtung des «Marktplatzes ». Die Ebene C überzeugt durch die räumliche Grosszügigkeit und die flexiblen Nutzungsmöglichkeiten, die unter anderem mit der Auslagerung der Bar «bQm» erreicht wird. Einschneidend wird die vertikale Abtrennung des ETH Stores sein. Dessen Metallvorhang wird die Qualität der räumlichen Wirkung wie auch die Wegführung im Raum einschränken. Die offene, umlaufende Galerie der Turnhalle wird sowohl betrieblich als auch räumlich sehr geschätzt. Eine Verbesserung des Sportbetriebes kann aber nur mit der optionalen Raumerweiterung erreicht werden. Die Platzierung der Geräteräume an der Fassade zum öffentlichen Fussweg hin ist unvorteilhaft. Der Mensabereich bleibt praktisch unverändert. Der Mehrbedarf an Sitzplätzen wird nicht ausgewiesen. Verkehr Die Wegverbindungen sind durchwegs plausibel und intuitiv gelöst, das trifft auch auf die Vertikalerschliessung zu. Die Dimensionen der sich verjüngenden Rampe auf die Polyterrasse werden dem Fussgängerfluss von der Polybahn bis zum Hauptgebäude nicht gerecht. Der Kreuzungsbereich von Fussgängern und PKW auf dem C-Geschoss ist grosszügig bemessen. Der Logistikbereich ist sehr eng ausgelegt und führt zur problematischen Überlagerungen von Funktionen wie Ent- und Versorgung und zu sichtbehindernden Manövern auf der Fahrbahn. Demgegenüber wurde dem inhäusigen Warenverkehr grosse Aufmerksamkeit zugewendet. Die Nutzbarkeit der Veloabstellplätze unter der Rampe wird in Frage gestellt. Die Verkehrsführung von ÖV und Individualverkehr bleibt unverändert. Die Flucht- und Rettungswege sind sehr gut gelöst.
Statik
Das statische Konzept ist mehrheitlich plausibel. Die Eingriffstiefe in das statische System liegt im mittleren Bereich. Im Bauteil I (Mensa) entfallen in Geschoss A und B wichtige stabilisierende Wände. Das neue Stabilitätskonzept ist aber nur teilweise ablesbar. Die Tragstruktur der neuen, vorgespannten Plattenbalkendecke über der Anlieferung mit Anschluss an das historische Gebäude ist planlich nur im Ansatz ersichtlich.
Gebäudetechnik
Das Konzept der Gebäudetechnik ist plausibel. Einzelne Konzepte können noch optimiert werden. Die horizontalen und vertikalen Erschliessungswege der verschiedenen Medien sind nicht umfassend ersichtlich. Die Integrationsmöglichkeit des Bestandes müsste vertieft werden.
Nachhaltigkeit
Sowohl die ökologische Qualität mit dem vorgeschlagenen Energiekonzept und dem hohen Anteil an Wärmerückgewinnung als auch die soziokulturelle Qualität mit einem attraktiven Aussen- und Innenbereich mit Begegnungszonen und einer weitgehenden Barrierefreiheit sind als positiv zu bewerten. Insgesamt erreicht das Projekt mit einer mittleren Flächeneffizienz und mittleren Lebenszykluskosten wie auch mit der hohen Nutzungsflexibilität und Anpassbarkeit eine ausgeglichene Qualität in der Nachhaltigkeit.
Projektwürdigung
Insgesamt handelt es sich bei diesem Projekt um eine sehr engagierte Arbeit, die sich vor allem mit funktionalen und betrieblichen Abläufen auseinandersetzt und in dieser Hinsicht einen guten pragmatischen Umgang mit den Themen aufzeigt. Städtebaulich und architektonisch vermag das Projekt jedoch nicht zu überzeugen, da es an Sensibilität gegenüber den bestehenden historischen Gebäuden fehlt.
©ETH Zürich / ernst niklaus fausch architekten
Visualisierung Polyterrasse
©ETH Zürich / ernst niklaus fausch architekten
Visualisierung Alumniterrasse
©ETH Zürich / ernst niklaus fausch architekten
Visualisierung Marktplatz
©ETH Zürich / ernst niklaus fausch architekten
Grundriss 1D
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Grundriss 2C
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Grundriss 3B
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Grundriss 4A
©ETH Zürich / ernst niklaus fausch architekten
Grundriss 5Z
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Längsschnitt
©ETH Zürich / ernst niklaus fausch architekten
Querschnitt
©ETH Zürich / ernst niklaus fausch architekten
Detailschnitt Treppenhaus
©ETH Zürich / ernst niklaus fausch architekten
Detailschnitt Sporthalle