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Offener Wettbewerb (nur für Studenten) | 10/2016

Messeakademie denkmal 2016 - "DenkMal Nutzung!“

Modellfoto

Modellfoto

Finalist

Anna Haun

Student*in Architektur

Clara Marie Landwehr

Student*in Architektur

Erläuterungstext

Die Gutsanlage wurde 1913/14 unter Einbeziehung des um 1730 erbauten sogenannten „Alten Schlosses“ errichtet. Das Gesamtensemble gliedert sich in zwei Teile, die Wohn¬anlage und den Wirtschaftshof, die durch eine Kastanienallee voneinander getrennt sind.

Der Architekt des umfangreichen Anwesens ist Paul Schultze-Naumburg, der aufgrund seiner Wandlung vom Kultur- und Lebensreformer zum Rassenideologen als einer der umstrittensten deutschen Architektenpersönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt.

Das Alte Schloss wurde in den 1950er Jahren aufgrund seines schlechten baulichen Zustands bis zur Kellerdecke hin abgetragen, wodurch der ansonsten weitgehend authentisch erhaltenen Anlage heute seine historische und bauliche Mitte fehlt.
Aktuell befindet sich die Gesamtanlage im Besitz unterschiedlicher Eigentümer. Der Wirtschaftshof wird größtenteils für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Die im Entwurf schwerpunktmäßig betrachtete Wohnanlage auf der gegenüberliegenden Straßenseite beherbergt momentan einen familiär geführten Ferienbetrieb. Das ursprüngliche Konzept schloss den Wirtschaftshof mit ein und sollte nach dem Prinzip „Ferien auf dem Bau¬ernhof“ funktionieren. Durch die unterschiedlichen Besitzverhältnisse konnte dies jedoch nicht realisiert werden, wodurch das ländlich gelegene Marienthal für Touristen derzeit nur wenig attraktiv ist.

Die Gutsanlage stellt eine eigenständige Anlage dar, um welche nur wenige Einfamilienhäuser und kleinere landwirtschaftliche Betriebe gewachsen sind. Die vier Kilometer entfernte Gemeinde Eckartsberga sichert die Nahversorgung der Bewohner des Wettbewerbsstandorts und der umliegenden Dörfer.
Die Gutsanlage ist nur knapp acht Kilometer von der sachsen-anhaltinisch-thüringischen Gren¬ze, nördlich der Anlage, entfernt. Nächstgelegene Zentren sind die 23 Kilometer entfernte Kreisstadt Naumburg (Saale), sowie die ca. 31 Kilometer entfernte Kulturstadt Weimar in Thüringen. Aber auch Erfurt, die Hauptstadt Thüringens, mit einer Entfernung von 57 Kilometern, und Halle, als weiteres sachsen-anhaltinisches Zentrum, mit 85 Kilometern, sind von Marienthal aus mit dem Auto gut erreichbar.
Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist durch eine Buslinie zwar vorhanden, jedoch umständlich. Zuganbindungen sind lediglich in Reisdorf (knapp 7km von Marienthal und 3km von Eckartsberga), Bad Sulza (ca. 13km) und Bad Kösen (ca. 7km) vorhanden.

Betrachtet man den Standort Marienthal bis ins Detail, so kommt man zu dem Schluss, dass das neue Nutzungskonzept ein in sich funktionierendes System darstellen muss, welches sich auch städtebaulich in der kompakten, in sich geschlossenen Gutsanlage widerspiegelt. Zudem muss es für zukünftige Besucher einen Grund geben, der zum Aufenthalt in Marienthal einlädt. Die abgeschiedene, ländliche Lage sollte dabei als positives Charakteristikum verstanden werden. Zum Beispiel liegen in der Nähe zur Natur und der dortigen Ruhe Potential. Sie bieten eine konzentrationsfördernde Atmosphäre mit wenig Ablenkung.

Dieser Entwurf schlägt daher als zukünftige Nutzung ein Tagungshotel vor. Das Raumprogramm des bestehenden Ferienbetriebs wird dabei neu strukturiert und optimiert, sowie um Seminar- und Tagungsflächen erweitert.
Dieses Konzept ermöglicht es, bauzeitliche Raumnutzungen, insbesondere die der Aufenthaltsräume und der Bibliothek, wieder aufzugreifen.

Die städtebauliche Lösung des Entwurfes sieht einen Ergänzungsbau als Abschluss des Ensembles nach Westen in Form eines zweigeschossigen Riegels vor. Seminar- und Hotelbereich stellen jeweils abgeschlossene Einheiten dar, die unabhängig voneinander funktionieren können . Im bestehenden Südflügel ist, wie bisher, der Hotelbereich untergebracht, im Ergänzungsbau werden die Seminare stattfinden.

Um eine optimale Auslastung des Tagungshotels zu gewährleisten, werden sowohl Tages- als auch Langzeitgäste erwartet. Dies erfordert eine Neupositionierung des Haupteingangs, der Anlaufpunkt für alle Besucher bildet und sich nun in der Schnittstelle beider Funktionsbereiche befindet. Das Eingangsfoyer dient als verbindendes und verteilendes Element, linkerhand ist die Rezeption angeordnet, rechterhand schließt sich der Seminarbereich an.

Der Erschließungsflur des Seminartraktes folgt dem Prinzip des Südflügels und orientiert sich zur Hofseite. Entsprechend sind die Seminarräume mit Blick auf die Waldterrassen ausgerichtet. Im Erdgeschoss befinden sich ein großer Veranstaltungssaal, der 160m² fasst, sowie eine Bar als Aufenthaltsbereich. Das Obergeschoss erreicht man über die einläufige Holztreppe aus dem Foyerbereich. Kleinere, zusammenschaltbare Seminarräume, ermöglichen das Arbeiten in größeren und kleineren Gruppen. Insgesamt bietet das Tagungshotel 490m² Seminarraumfläche. Dies ist vergleichbar mit dem Flächenangebot von Tagungshotels mit ähnlicher Belegungsgröße.

Die Hotelzimmer befinden sich im ersten und zweiten Obergeschoss des Südflügels. Die Belegungskapazität beträgt 50 Betten in Einzel- und Zweibettzimmern mit jeweils eigenem Badezimmer mit Dusche. Die Zimmer sind, soweit möglich, so aufgebaut, dass durch die Nasszellen im Eingangsbereich des Zimmers eine Pufferzone entsteht, die ein angenehmeres Ankommen ermöglicht. In Räumen, in denen es bauzeitliche Einbauschränke gibt, werden diese in die neuen Hotelzimmer integriert. Von Hotelgästen kann zukünftig der Gobelinsaal als Ankommens- und Aufenthaltsbereich genutzt werden, ebenso wie die wieder rekonstruierte Bibliothek im ersten Obergeschoss.

Die Fassade des Neubaus hebt sich klar vom Bestand ab. Analog zu den drei Arkadenbögen im Gobelinsaal, markieren drei rechteckige Öffnungen den neuen Haupteingang. Die Eingangsebene ist dabei ein Stück zurückgesetzt, wodurch ein überdachter Vorbereich entsteht.
Um schon beim Ankommen Blickbeziehungen in den Innenraum des Bestandes herzustellen, werden die Arkadenbögen des Gobelinsaals geöffnet. Die Fassade des Ergänzungsbaus wird durch ein klares Raster bestimmt, welches in Fertigbetonteilen ausgeführt wird. Fensteröffnungen wechseln sich mit Fassadenvertiefungen ab, welche mit geschlemmten Mauerwerk ausgefacht sind. Durch das Raster kann der Eingangsbereich zurückgesetzt werden, ohne dass der Baukörper seine klare Linie verliert und so weiterhin als Riegel wahrgenommen wird.

Durch ihre Regelmäßigkeit und Gleichförmigkeit entwickelt die Fassade eine Klarheit, die sich dem Südflügel gegenüber nicht in den Vordergrund drängt. Auf der Gartenseite wiederholt sich das Motiv.

Die Eingangsbereiche der Seminarräume im Obergeschoss werden mit Sitzmöbeln kombiniert, die sich auf das Fassadenraster beziehen. Sie befinden sich dabei jeweils gegenüber einer Fensteröffnung, sodass Ausblicke in den Innenhof entstehen. In besonderen Bereichen, wie Foyer, Bar, Lounge und dem Veranstaltungssaal sind beide Fassaden spürbar und eröffnen sowohl zum Hof als auch in den Garten Blickbeziehungen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsbeitrag schlägt für die Nutzung des Areals am Standort Marienthal ein Tagungshotel vor. Die Abgeschiedenheit des Ortes, mit einer fast schon klösterlichen Anmutung des Gesamtensembles, unterstützt diesen Ansatz und wird als realistische Nutzungsantwor für die Anlage angesehen.

Die Verfasserinnen schlagen vor, den Bereich des abgebrochenen "Alten Schlosses" durch einen zweigeschossigen Neubau zu besetzten, der die Traufhöhe des Südflügels aufnimmt und die Anlage nach Westen abschließt. Das damit entstehende Gebäudeensemble gruppiert sich um einen zentralen Hof und definiert dabei einen Ort, der sich als Antwort auf die verlorengegangene historische Bebauung versteht, Brüche aufzeigt und die Entwicklung des Ortes aufzeigt.

Der Neubau formuliert dabei eine eigene Gestaltungsqualität, die sich bewusst in Materialwahl und Architektursprache vom Bestand weg, zu einer zeitgemäßen Ausformulierung hin wendet und das Gestaltungelement der Fensterachsen neuinterpretiert. Es entsteht eine streng gerasterte Fassade, die dem Hofensemble die gebotene und gewünschte Ruhe vermittelt. Öffnungen und geschlossene Flächen wechseln sich ab und erzeugen in deren Ausformulierung eine Tiefenwirkung, die im Eingangsbereich noch gesteigert und damit zu einer wichtigen Orientierungshilfe wird.

Der Entwurf zeichnet sich durch eine klare Zonierung und Nutzungszuweisung der einzelnen Funktionsbereiche innerhalb des Gebäudeensembles aus. Richtigerweise befindet sich an deren Schnittstellen der neue Hauptzugang mit Foyer. Dabei wird jedoch der Eingang zum Südflügel zu einem Nebeneingang degradiert. Kritisch wird zudem der Umgang mit dem Bestand, in Bezug auf die größeren Eingriffe im Südflügel sowie die fehlende Verbindung zwischen Neubau- und Bestandsflügel im Obergeschoss gesehen.

Die Qualitäten des Beitrags veranlassten die Jury, ihn mit einer Anerkennung bei der Messeakademie 2016 zu würdigen.
Lageplan

Lageplan

Aussenraumperspektive

Aussenraumperspektive

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Foyerbereich

Foyerbereich

Ansicht Neubau

Ansicht Neubau

Längsschnitt Neubau

Längsschnitt Neubau

Fassadenschnitt

Fassadenschnitt