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Offener Wettbewerb | 11/2016

Urbane Freiräume für das Quartier Elbbrücken

2. Preis

Preisgeld: 17.000 EUR

Arriola & Fiol arquitectes

Architektur

EGKK Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Geschichte der Stadt Hamburg ist seit jeher eng mit dem Meer verbunden und insbesondere mit der Seeschifffahrt.
Tatsächlich war und ist Hamburg einer der wichtigsten Häfen weltweit; ihren Wohlstand und ihre Identität verdankt die Stadt zum Großteil diesem Umstand.
Das historische Bild der HafenCity ist das eines Hafengebietes, welches mit Werk- und Lagerhallen und unzähligen Lastkränen überzogen ist und von mit Waren beladenen Frachtschiffen umringt wird. Ein Hafengebiet in dem eine intensive Betriebsamkeit herrscht und welches den wirtschaftlichen Motor der Stadt repräsentiert.
Die zeitgenössische Stadt Hamburg muss sich den neuen Bedürfnissen anpassen ohne seine Vergangenheit zu vergessen. Erst dieses ermöglicht, dass seine Gegenwart die Antworten darauf geben kann was von der Metropole erwartet wird.
HafenCity ist das spannende und ambitionierte Projekt einen geografischen Teil der Stadt durch die Schaffung eines neuen Raums wiederherzustellen, modern, und immer unter Berücksichtigung seiner Essenz und historischen Geschichte.
Der Standort der uns beschäftigt, die Elbbrücken, ist praktisch das Ende einer Kette urbanistischer Bauprojekte, dazu bestimmt einen aktuell ungenutzten Teil der Hafenstadt in eine großstädtische und zeitgenössische Erweiterung umzuwandeln.
Es handelt sich darum, eine unwirtliche Fläche für Infrastruktur in ein neues, radikal anderes, urbanes Zentrum von großer Qualität zu transformieren. In eine Erweiterung einer modernen Stadt, die durch Schaffung öffentlicher Räume, Freizeitmöglichkeiten, Kultur und Gewerbe, weiterhin zutiefst mit dem Meer verbunden ist. Neue Grünanlagen, zur Integration der Natur in die Stadt. Ein neuer Schauplatz der Biodiversität, der die Wahrnehmung des Ortes nachdrücklich verändern wird.
Im Mittelpunkt dieses letzten Prozesses, welcher das Projekt HafenCity abschließt, steht ein neuer, zentraler Raum, der Amerigo-Vespucci–Platz, der einer völlig neuen Identität entspricht. Ein neuralgisches Zentrum, das weitere kleinere Plätze, wie den Liselotte-von-Rantzau-Platz und den Gretchen-Wohlwill-Platz beeinflussen und bevölkern wird.
Eine sichere Wahl zur Schaffung eines reichen und gemischten, urbanen und demokratischen Raumes ist die Verbindung der Leere mit der Fülle. Ein mutiges Vorhaben, aber gleichzeitig auch sehr sensibel unter Berücksichtigung der interessanten Historie des Ortes. Die Umwandlung einer historischen Kadenz in einen modernen Raum, der sich nicht mehr mit Industrietätigkeiten befasst, sondern mit Wohnraum, geschäftlichen Tätigkeiten, Warentausch und Freizeitangeboten. Urbane Aktivitäten, die von den Bürgern bestimmt und geplant werden.
Ein Schiff nähert sich dem Hafen an.
Einige Schiffe legen am Kai an, ketten sich aneinander und bilden einen urbanen Landungssteg im Wasser. Man spaziert direkt am Wasser und beobachtet einen Platz der sich am Horizont erhebt.
Die Bewegung der Schiffe, die manövrierend aus dem Hafen auslaufen, stellt den Mechanismus dar, der die verschiedenen Stufen dieses neuen zeitgenössischen Forums formalisiert und miteinander verbindet.
Eine Situation die sich unzählige Male im Laufe der Geschichte der Elbbrücken wiederholt hat, Schiffe kommen im Hafen an, verwandeln sich in etwas weniger greifbares und konzeptionelles; die Bewegung ergibt eine Form und die Form beschließt die Topographie des Ortes, der Schlüssel des Projektes.
Das letzte Schiff bildet einen Aussichtspunkt.
In Horizontal die Triebfeder des Transportes, die Schiffe. In Vertikal Lastkräne in ständiger Bewegung, die in Form eines öffentlichen Beleuchtungssystems metaphorisch zurückgewonnen werden und zugleich Identitätszeichen des Ortes darstellen.
Das Quartier Elbbrücken, Vollendung der HafenCity, neues urbanes Zentrum.

FREIRAUMKONZEPT
Der zentrale Kern, das Herzstück des Stadtviertels Elbbrücken und der HafenCity ist der Hafen, es ist das Wasser.
Aus diesem Grund wird ein System an Freiräumen vorgeschlagen, die sich aus dem Wasser generieren, wo der Hafen das Epizentrum ist und sich über das ganze Quartier ausbreitet, gleich der Wellen, die sich in einem Teich ausbreiten, nachdem ein Stein geworfen wird.
Die Atmosphäre und die Materialität der Freiräume im Quartier Elbbrücken werden vom Hafenbecken und dem Wasser aus in abgestufter Intensität bis an die äußeren Grenzen des Stadtviertels getragen. Auf diese Weise ergibt sich am Amerigo Vespucci-Platz das gestalterische Klimax des Projektes: hier treffen Bewegungs- & Verweilplattformen, Freitreppen und Böschungen auf Hafenkante und Kaimauern. In der Folge breitet sich die Gestaltung in abnehmender Intensität auf die Quartiersterrassen / -plätze, Nachbarschaftspassagen, Quartiersstraßen und die Bewohnerhöfe aus.
MATERIALITÄT
Für die Plätze, Wege und Bewegungsflächen wird ein integrales Großformatplatten-System vorgeschlagen, das dem oben beschriebenen Konzept folgt. Es bildet sich eine Kalligraphie an Pflasterflächen aus, basierend auf der Form von Schiffen, die in der Vergangenheit an den Kaimauern verankert waren, mit der größten Dichte und Intensität in den Bereichen nahe dem Wasser. Von hier aus erstrecken sich die Pflasterflächen auf alle Quartiers-Zwischenräume in abnehmender Dichte und Präsenz je weiter man sich vom Hafenbecken wegbewegt. Die Präsenz der Kalligraphie als einheitliches Element und Gestaltungslinie der Landschaftsarchitektur wird jedenfalls beibehalten.
Um ein harmonisches Gesamtbild zu erhalten, werden für die Pflasterfelder Beton-Großformatplatten in drei Beigetönen mit einer konstanten Dimensionierung in eine Richtung (400 mm) und variabler Dimensionierung in die andere Richtung (400mm, 600mm, 800mm) in ungebundener Verlegung vorgeschlagen. Die Verlegerichtung wechselt für jedes Pflasterfeld, je nach Bezug zur Ausrichtung von Bug und Heck des virtuellen ‘Schiffes’, welches das Pflasterfeld definiert. Die Kontur des ‘Schiffes’ wird von einem Breitflachstahl beschrieben.
Die gleiche Einfassung (Breitflachstahl) wird für die Grünflächen verwendet. Für Rasenflächen mit Feuerwehr(aufstell)flächen ist die Ausführung in Rasenfugensteinen vorgesehen.
Dem gestalterischen Duktus folgend wird im Bereich der nördlichen Kailinie eine optionale, wassernahe Bewegungs- & Verweillinie vorgeschlagen. Die stilisierten Schiffe sind hier als schwimmende Holzdecks (‘Pontons’) ausgeführt. Ihre optionale Anordnung nimmt Rücksicht auf die notwendige Befahrbarkeit des Hafenbeckens und den 40m Wendekreis für Barkassen.
BEPFLANZUNG
Mit Bezug zum Baummasterplan Hafencity und dem Freiraumprojekt vom Atelier Loidl wird eine auf den Standort abgestimmte Bepflanzung vorgeschlagen, die pflegeextensiv, robust und stadterprobt ist.
Folgende Baumarten kommen zum Einsatz: Alnus incana 'Aurea' (Gold-Erle), Gleditsia triacanthos 'Skyline' (Lederhülsenbaum), Quercus palustris (Sumpfeiche), Robinia pseudoacacia 'Semperflorens' (vielblütige Robinie), Salix alba 'Tristis' (Hänge-Weide), Sophora japonica 'Regent' (japanischer Schnurbaum).
In ruhigeren Platzbereichen sind Ziergräser- und Blühstaudenfelder (Carex pendula, Hosta Hybride, Pennisetum alopecuroides 'Hameln', Solidago Hybride, Gaura lindheimeri, Sporobolus) angedacht. Außerdem sieht die Gestaltung begrünte Sitzstufen und Rasenflächen zum Sitzen und Liegen im Grünen vor.
LICHT
Dem generellen Konzept folgend ist eine Ausleuchtung von variabler Stärke mit dem Epizentrum im Bereich des Hafenbeckens und der Kailinie vorgesehen.
Die Beleuchtung ist angedacht in LED und kann verschiedene Lichtstärken, Farben sowie dynamische Effekte aufnehmen. Die Struktur der Beleuchtungskörper ist inspiriert von der Form der alten Hafenkräne. Die Form wird nachgezeichnet von einem U-Profil in Cortenstahl, mit einseitiger Öffnung, an der sich, entlang der gesamten Länge, Lichtquellen anordnen, die durch ein Glaslaminat mit hoher Bruchsicherheit geschützt sind.
MÖBLIERUNG
Das beste städtische Mobiliar ist jenes, das keine Instandhaltung benötigt.
Die vielseitige Topographie des Projektes sieht es vor, dass der Stadtboden an sich als Bank oder chaise-longue genutzt werden kann, welche in die höhenausgleichenden Niveausprünge und Stufen des Projektes integriert sind.
Die ausgearbeitete Topographie löst nicht nur die Höhenunterschiede im neuen Quartiersfreiraum, sondern sie propagiert den städtischen Boden als Ort des Aufenthalts und Verweilens.
Punktuell werden die Sitzstufen mit Rücken- / Armlehnen sowie Holzsitzauflagen ausgestattet. In Bereichen ohne Niveausprünge und Topographie kommen ergänzend klassische Bänke zum Einsatz.
Das gleiche Prinzip wird im Bereich der Spielflächen angewendet, die ebenfalls durch konventielle Spielgeräte ergänzt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf greift das Motiv der Schuten auf und übersetzt es als entwurfsbestimmende Gestaltungsidee in das Quartier. Durch diesen konzeptionellen Ansatz erhält der öffentliche Raum eine durchgehende, ablesbare Qualität, die die Härte der für Hamburg einzigartigen städtebaulichen Dichte deutlich kontrastiert und ein menschliches Maß vermittelt. Der öffentliche Raum beginnt direkt vor der eigenen Haustür. Damit gelingt es die Räume in ihrer Gesamtheit zu gliedern und maßstäblich zur Quartiersbildung beizutragen.

Ausgehend vom Amerigo-Vespucci-Platz mit Pavillon und offener Platzfläche führen geschwungene Rampen und Treppen zum Kopf des Hafenbeckens, wobei die Orientierung durch die vorgeschlagene Wegeführung nicht ganz eingängig ist. Die abfallende Platzfläche wird dezent durch grüne „Schuten“ gegliedert, diese sind allerdings noch etwas spärlich mit Bäumen besetzt.

Formensprache und Beläge erstrecken sich von hier aus auch in die anliegenden Straßenzüge bis hin zu den einzelnen Grundstücken: Eine Umsetzung erfordert hier sicher eine enge Abstimmung mit dem jeweiligen Bauherrn, insbesondere im Bereich der Tiefgaragen, Zufahrten und Nebenflächen. Sie eröffnet aber auch die dafür notwendigen Spielräume.

Der Entwurf setzt sich als einziger über die Vorgabe einer fixierten Kailinie hinweg. Dadurch erzeugt er, die geschwungenen Abstufungen von Treppen und Rampen aufgreifend, einen selbstverständlichen Zugang zum Wasser. Die Orientierung in den gegenläufigen Bewegungsrichtungen sollte dabei noch erleichtert werden. In der Diskussion wird sehr kontrovers diskutiert, ob die Motive und die Art von Materialität und Farbgebung in der weiteren Durcharbeitung tragen können, zumal der Entwurf stark grafisch geprägt ist und eingepflegte Sehgewohnheiten herausfordert, andererseits aber auch neue Perspektiven eröffnet.

Insgesamt besticht der Entwurf durch einen ungewöhnlichen gestalterischen und konzeptionellen Ansatz, der zugleich die bislang realisierten Freiräume der HafenCity zu einem schlüssigen Ganzen führt. Die Qualität der Freiflächen (v. a. auf dem Amerigo-Vespucci-Platz) könnte durch einen höheren Grünanteil noch gewinnen.