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Generalplanerauftrag | 12/2016

Wohnanlage "Wien 02., Obere Augartenstraße; Wien 22., Mühlgrundgasse"

ein 1. Preis / Gewinner / Mühlgrundgasse

Pichler & Traupmann Architekten

Architektur

AUFBAU Gemeinnützige Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft

Private Bauherren

Erläuterungstext

WB MÜHLGRUNDGASSE / Text

LEITBILD
„Richtungsweisend“ an der Mühlgrundgasse

Begriff „richtungsweisend“ als thematischer Überbau für ein exponiertes Baugrundstück
Qualitätsanforderung an eine wachsende Stadt = Herausforderung einer ausgeprägten Infrastruktur:
Wohnen direkt an der U-Bahn-Trasse.

Wohnen an der U-Bahn als eine gewissermaßen prototypische urbane Behausung - Herausforderung und Potential

Respektvolles Zusammenleben und Vernetzen vielfältiger Haushaltsformen – in einer zugegebenerweise „harten“ urbanen Umgebung mit differenzierten Bezügen
Ruhe und Privatheit, als auch zwanglose Begegnung und Kommunikation soll hier realisiert werden

Die zentralen Qualitätsbausteine:
► Architektur als Spannungsfeld von richtungsbezogener Offenheit zu individuellem Rückzug
► Kostengünstige, smarte Wohnungen für jedes Alter
► Zielgruppenorientierte Angebote für neue Wohnformen
► Vielfältige Nutzeroberflächen auf der Erdgeschoßebene für soziale Interaktion
► Unerwartete gemeinschaftsbildende Blickbezüge


1. ARCHITEKTUR | STÄDTEBAU
__Der Bauplatz: Der Einschnitt der U-Bahn-Trasse
Grundstück geprägt durch die markante Lage an der U-Bahn-Trasse der U2
abgekoppelte Position … damit in seiner AusRICHTUNG grundlegend eingeschränkt.

__Gebäudestruktur: Zwei im Dialog
Einzelobjekte in ihrer Beziehung und Ausrichtung zueinander als eine dialogische Struktur
Hof als Dreh- und Angelpunkt auch die soziale Mitte

__Erschließung und Freiraum: Richtungsbezogene Öffnung des Ensembles
Hof öffnet sich in wohldosierter Weise zum Straßenraum, als auch zu jenem Anteil des Grundstücks, der unterhalb der U-Bahn-Trasse liegt.
Erschließungsbereich von der Mühlgrundgasse her
Der zweite Anknüpfungspunkt des Hofes orientiert sich zum Jugendspielplatz

__ Die hängenden Gärten: Südausrichtung schafft Gemeinschaft
Der scheinbare Nachteil des Grundstückes – nämlich die Südausrichtung der Objekte direkt auf die U-Bahn-Trasse - wird zu einem maßgeblichen positiven Faktor. Richtung Süden werden für beide Baukörper in den oberen Geschoßen offene, allgemein zugängliche Gemeinschaftsflächen als Sonnen- und Ausblickterrassen mit „hängenden Gärten“ vorgesehen. Der Genuss der Südausrichtung wird somit zu einem gemeinschaftsbildenden Generator dieses Ensembles.

__ Die Wohnungen: Nutzer- und bedarfsorientiert
Die Wohnungstypologie ist vielfältig angelegt, wobei ein ausgeprägtes Smart-Wohnungskonzept ausgearbeitet wurde. Die sich neigenden Hoffassaden bewirken eine graduelle Stufung der Wohnungsgrößen und Zuschnitte, sodass trotz der Kompaktheit der Geometrie einem gewissen Spiel der Flächen und Anordnungen Vorschub geleistet wird. Die Möglichkeiten sind in einem größeren Maßstab ausgearbeitet.
Die Wohnungen weisen damit in ihrer Vielfalt ein breites Angebot für unterschiedliche Nutzergruppen auf. Auch innerhalb der jeweiligen Typen sind Varianten für diverse Funktionsanordnungen ausgewiesen. Es werden auch i.S. des generationenübergreifenden Zusammenlebens z.B. Wohngemeinschaften für alleinstehende bzw. ältere Personen angeboten, die sich dadurch auszeichnen, dass individuelle Einzelzimmer mit Wohn-/Schlaf- und Sanitär¬bereich ausgebildet sind und an einen Gemeinschaftsteil von Eingangszone/Kochen/Essen angeschlossen sind.

__ SMART Wohnen: Vielfalt trotz Kompaktheit
In ähnlicher Weise wie die Grundtypen funktionieren auch die SMART-Typen entsprechend ihrer Anordnung und Ausrichtung und ermöglichen trotz der Kompaktheit der Funktionen eine Vielfalt an unterschiedlichen Möglichkeiten.


2. SOZIALE NACHHALTIGKEIT
__Kompakte Bauweise mit differenziertem Wohnungsangebot
SMART-Typen in mehreren Varianten
unterschiedliche Wohn¬kulturen und Wohnformen: Wohngemeinschaften für ältere Menschen oder sonstige „Shared-Space-Communities“.

__Alltagstauglichkeit als offene Begegnungszonen
Kinderwagen- und Fahrradabstellplätze auf der Erdgeschoßebene
„Boxen“ in den Erschließungs- und Stiegenhausbereichen
Stiegenhaus- und Aufzugskerne effizient und natürlich belichtet
an Gemeinschaftsflächen angebunden

__Wohnen in Gemeinschaft – eine Vielfalt an sozialen Kristallisationspunkten
An markanten Punkten im Netzwerk der Erschließung: soziale Kristallisationspunkte als Orte der Begegnung Wesentlicher Aspekt dieses gemeinschaftlichen Miteinander liegt – im Gegensatz zur individuellen Südausrichtung von Wohnungen - in der gemeinschaftlichen Nutzung der Südausrichtung der Objekte. Diese standortspezifische Besonderheit macht quasi aus der Not eine Tugend und generiert aus der scheinbaren Defizienz des Bauplatzes einen unerwarteten sozialen Faktor.


3. FREIRAUMGESTALTUNG – ÖKOLOGIE
__ Freiraumkonzept
Freiraumkonzept wie ein Teppich über das gesamte
Baukörper definieren einen Platz – eine Mitte, die zum Verweilen einlädt
Inseln mit vielfältigen Vegetationstypologien
In eine Insel eingebettet befindet sich der Kleinkinderspielplatz und unter den Bahngleisen ist der Kinder- und Jugendspielplatz (500 m2) situiert. Die Kombination der unterschiedlichen Materialien, der verschiedenen Bodenbeläge und der facettenreichen Vegetation stärkt den Freiraum in seiner Identität. Die Leitidee zum Freiraum ist am ganzen Areal spürbar und verknüpft Städtebau und U-Bahn-Trasse mit dem Wohnbau.

__ Ökologie
Die kompakte Bauweise garantiert von vorne herein Niedrigstenergiestandard, dessen Werte bereits dem Passiv¬hausstandard nahekommen bzw. diesen erreichen. Der notwendige Wärmeenergiebedarf wird über Fernwärme abgedeckt. Eine Sammlung der Niederschlagswässer auf den Hauptdachflächen zur Brauchwassernutzung ist vorge¬sehen ebenso wie eine umweltschonende Baustellenabwicklung.

Zur Qualitätssicherung in Planung und Bauausführung ist vorgesehen, das Gesamtprojekt mittels Building Information Modelling (BIM) auf Revit-Basis zu entwickeln. Neben den vielen qualitätssichernden und Lebenszykluskosten sparenden Eigenschaften dieses zukunftsweisenden Instruments kann es auch zur thermischen Gebäudesimulation herangezogen werden, um eine hohe Behaglichkeit der Wohnungen in der Planung sicher zu stellen.


4. ÖKONOMIE
__ Kompaktheit und Effizienz
Günstiger und leistbarer Wohnraum durch flächeneffiziente Wohnungsgrundrisse und die daraus resultierende Kompaktheit.
Prinzip einer einfachen, durch alle Geschoße durchgehenden Tragkonstruktion
Effiziente Haustechnikplanung mit optimierter Schachtführung

__ Finanzierung
Ein Drittel der Wohnungen wird als Smart-Wohnungen mit Superförderung angeboten. Hier beträgt der Finanzie¬rungsbeitrag € 60,--/m², die monatlichen Kosten liegen bei € 7,50 pro m² und Monat.
Die restlichen Wohnungen haben bei einem Finanzierungsbeitrag von € 433,00/m² monatliche Kosten von € 6,78/m². Der Grundkostenbeitrag für die Betreuungseinrichtung der MA 11 für Jugendliche beträgt € 298,00, es wird kein Baukostenbeitrag eingehoben. Die Bruttomiete beläuft sich auf € 9,93/m².
Hervorzuheben ist, dass der Baukosten-Finanzierungsbeitrag zur Hälfte erst vier Wochen vor Übergabe der Wohnun¬gen eingehoben wird.
Das Hypothekardarlehen wurde mit steigenden Annuitäten angesetzt, daher können günstige Anfangskonditionen gewährleistet werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

ARCHITEKTUR
Das Projekt hat die Qualitäten der ersten Stufe bewahrt und vertieft. Sowohl aus städtebaulicher als auch aus architektonischer Sicht ist es eine ausgezeichnete Antwort auf die Herausforderungen des Grundstückes.
Die Materialität der Fassaden im Zusammenspiel von weißem Putz und flächig eingesetztem perforiertem Wellblech stellt eine standortadäquate Antwort und damit ein wesentliches Qualitätsmerkmal dar.
Die Grundrisse sind sehr gut proportioniert, von hoher Qualität und mit Standardmöbeln ausstattbar.
Die großzügige Sockelzone wird begrüßt. Das Projekt ist jedenfalls innerhalb der Bebauungsbestimmungen ohne Inanspruchnahme des § 69 der BO für Wien zu realisieren.

ÖKONOMIE
Das Projekt umfasst mit insgesamt 103 geförderte Wohnungen, davon 38 SMART-Wohnungen, eine förderbare Nutzfläche von 7.283,53 m².
Die Vorgaben der SMART-Wohnungen werden ökonomisch (Finanzierungsbeitrag
€ 60,--/m² Nfl., Bruttomiete € 7,50/m² Nfl., Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag € 0,25/m² Nfl., Betriebskosten und Verwaltungskostenzuschlag € 1,20/m² Nfl.) genau erfüllt, der Anzahl nach (37 %) übererfüllt. Die Betriebskosten mit € 1,20/m² Nfl. erscheinen sehr niedrig, dementsprechend wird die Betriebsführung zu optimieren sein.
Für die SMART-Wohnungen wird Superförderung beansprucht.
Bei den sonstigen Mietwohnungen liegen der Eigenmittelanteil mit € 367,--/m² Nfl. (Baukostenbeitrag € 94,--/m² Nfl., Grundkostenbeitrag € 273,--/m² Nfl.) und die monatliche Mietbelastung mit einer Bruttomiete von € 6,90/m² Nfl. (Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag € 0,25/m² Nfl., Betriebskosten und Verwaltungskostenzuschlag € 1,20/m² Nfl.) im günstigen Bereich.
Die niedrigen Finanzierungskosten für das Grundstück werden besonders gewürdigt. Die
Vertragserrichtungskosten sind, da diese vom wohnfonds_wien getragen werden, zu hoch
angesetzt.
Die Gesamtbaukosten mit € 1.780, --/m² Nfl. werden durchschnittlich bewertet, wobei die Nebenkostenstruktur mit 18 % als günstig bewertet wird.
Die Kostenrelevanz der Bauausstattung mit Holz-Alu-Fenstern und Laminatboden wird durchschnittlich bewertet. Das Angebot von Ausstattungspaketen wird gewürdigt.
Die Garagenkonditionen mit € 50,--/Monat ohne Finanzierungsbeitrag werden sehr positiv
bewertet.
Der Nutzervertrag wird mit 3-4 Sternen beurteilt.

SOZIALE NACHHALTIGKEIT
Die Verteilung der SMART-Wohnungen in der Gesamtanlage wird begrüßt. Die Einbindung von wohnbund:consult in den weiteren Projektverlauf im Rahmen der Sozialen Nachhaltigkeit wird positiv bewertet. Im Zuge dieser Projektschärfung wird angeregt, die Schnittstelle der Erdgeschoßzone zum Außenraum weiter in Richtung einer kommunikativen Begegnungszone auszubauen sowie für die diversen gemeinschaftlichen Raumangebote praktikable und aneignungsfreundliche Lösungen und Ausstattungspakete zu erarbeiten.
Kritisch wird die, zum Fußweg orientierte eingeschoßige Abgrenzungsmauer gesehen, da sie die fußläufige Aufenthaltsqualität der öffentlichen Erschließung mindert. Eine weitgehende Öffnung dieser Zone wird daher angeregt.

ÖKOLOGIE
Die Qualitäten der 1. Stufe, wie das zur U-Bahn gelegene, über alle Stockwerke belichtete Stiegenhaus und die zweiseitige Belichtung von ca. 50 % der Wohnungen sind erhalten geblieben.
An bauökologischen Maßnahmen werden umweltfreundliche Baustellenabwicklung, Einsatz von Recyclingmaterialien und Qualitätssicherung durch Chemikalienmanagement positiv hervorgehoben.
Die Jury regt an, die Mauer im Sinne einer offenen Geste zu den nördlichen Nachbarn zu überdenken und den, den Fußweg begleitenden Grünstreifen stärker in die Gesamtgestaltung zu integrieren.
Die Einbeziehung der Jugendlichen in die Gestaltung des Hartplatzes im Rahmen der Partizipation wird begrüßt.
Die Anregung der MD BD Gruppe Hochbau Alltags- und Gendergerechtigkeit aus dem Dienststellengespräch vom 21. November 2016, den Spielplatz auf Grund der Lage unter der U-Bahn-Trasse zu beleuchten, wird unterstützt.