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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2016

Klinikum Mutterhaus – Erweiterung der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Neuinterpretation der Bestandsfassade in der Krahnenstraße

Neuinterpretation der Bestandsfassade in der Krahnenstraße

1. Preis

Heinrich Lessing Architekten

Architektur

Erläuterungstext

ORIENTIERUNG,
BELICHTUNG, TYPOLOGIE
Bei der Entwicklung des Projektes wurde besonderen Wert auf ein Erschließungssystem gelegt, das den Blick mal in den Gemeinschaftshof, mal in den Skulpturenhof ermöglicht. Ein Haus, in dem psychische Erkrankungen behandelt werden sollen, stellt besondere Anforderungen an die Orientierung und natürliche Belichtung und Belüftung. Die Wege im Haus sind alle mit natürlichem Licht versorgt. Die Erschließungswege sind den Höfen zugeordnet, die Lern, Behandlungs- und Stationsräume dagegen liegen auf der ruhigeren Süd-Ostseite des Gebäudes.

BEZUG AUF DEN BESTAND
Mit dem Neubau greifen wir die strukturellen Qualitäten des Bestandes der Krahnenstraße 8 auf, interpretieren Sie im Sinne der Aufgabenstellung und setzen Sie in der Sprache der Gegenwart um. Die Fassaden des Neubaus stellen damit eine Ableitung von Proportion und Taktung der historischen Fassade dar.

AUSSENRÄUME
Der Baukörper des Neubaus bildet zusammen mit dem Bestand einen Gemeinschaftshof. Die Typologie der Erschließungshöfe findet sich vielfach in der Nachbarschaft wieder. Der Gemeinschaftshof ist Empfangs-, Orientierungs-, und Spielhof. Ein Baum spendet Schatten, stiftet Atmosphäre. Der neue Baukörper bildet auf der Ostseite einen zweiten, kleinen Skulpturenhof für den wir neben der steinernen Hoffläche ein Wasserbecken vorschlagen. Dieser Außenraum kann Rückzugsraum sein und dient gleichermaßen der Belichtung und Orientierung im Gebäude. Das Wasserbecken trennt den intimen Hof von dem Ruhegarten, der im Erdgeschoß den Lernräumen zugeordnet ist und im Sommer der Erweiterung der Lernräume dient.

TRAGWERK
Die Tragstruktur des Gebäudes entsteht als Stahlbetonkonstruktion mit tragenden Außenwänden und Flachdecken.

FASSADE KRAHNENSTRASSE
Die Werksteingewände, Sturz und Brüstung werden beim Neubau der Fassade wiederverwendet. Struktur, Proportionen und Materialität der Fassade der Krahnenstraße werden übernommen und an die Höhen und Raumbedürfnisse des Neubaus angepasst. Das Erscheinungsbild der neuen Fassade entspricht dem historischen Vorbild, wenn auch mit verschobener Anordnung der Elemente. Dabei steht die Ensemblewirkung der Krahnenstraße im Vordergrund.

FASSADE NEUBAU
Für die Gebäudehülle des Neubaus schlagen wir eine Fassade in Stahlbetonfertigteilen mit einem aus Natursteinzuschlag vor. Die Konstruktion des Wandaufbaus ist als Stahlbetonsandwichelement vorgesehen. Holzfenster ergänzen das Materialkonzept der Fassade. Aluminium Jalousien gewährleisten den außenliegenden Sonnenschutz. Mit schmalen, motorisch gesteuerten Lüftungsflügeln kann eine Nachtabkühlung hergestellt werden.

NEUBAU NUTZUNGSVERTEILUNG
Im Erdgeschoß befindet sich die Schule, die damit separat vom Gemeinschaftshof her erschlossen werden kann. Die Lernräume erhalten Zugang zum Außenraum im Südosten des Gebäudes. In den Obergeschossen sind die zusätzliche Station und Behandlungsräume angeordnet.

FASSADENSYSTEM ALS HOFABSCHLUSS
Die Fortsetzung des Fassadenthemas bildet den Hofabschluss. Ein durchlässiger Filter, der den Hof zum geschützten Außenraum werden lässt. Der gemeinsame Rhythmus von Altbau, Hofabschluss und Neubau bindet die Gebäude um den Gemeinschaftshof zusammen und erzeugt einen selbstverständlich wirkenden Hofraum.

WIRTSCHAFTLICHKEIT UND ERSTELLUNG
Der kompakte Baukörper mit einem einfachen Tragsystem (tragende Außenwände und Flachdecken) und Struktur wirkt sich günstig auf die Herstellungskosten aus. Dort wo der Gebrauch es zulässt, schlagen wir vor einfache und strapazierfähige Materialien zu verwenden. Dort wo es der Anspruch der Nachhaltigkeit gebietet empfehlen wir hochwertige Materialien zu verwenden (Gebäudehülle Stahlbetonfertigteile)

WIRTSCHAFTLICHKEIT UND NACHHALTIGKEIT
Bezüglich der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit stellt das Bestandsgebäude der Krahnenstraße 8, Baujahr 1901 ein gutes Beispiel dar. Durch den Einsatz des Materials, der strapazierfähigen Grundrissstruktur des Gebäudes und den daraus entwickelten Fassaden stellt es auch heute noch eine hervorragend nutzbare Gebäudesubstanz dar. Ursprünglich als Schulbau geplant stellt es alle Erweiterungen der 70er und 80er Jahre in den Schatten. Wir beziehen uns auf diese grundsätzlichen strukturellen Qualitäten. Dort wo es strapazierfähige Materialien braucht, verwenden wir gutes Material und verzichten gleichzeitig auf zu aufwändige Details. Wichtig erscheint uns für den Neubau der stützenfreie Grundriss, sowie die Fassadenstruktur, die Nutzungsanpassungen innerhalb der nächsten hundert Jahre möglich macht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit entwickelt zwei Häuser – eins in der Baulücke und ein frei in den hinteren Freiraum gestelltes, welches mit dem vorhandenen Gebäudeensemble der KJP einen Hofraum bildet. Zum Krankenhaus entsteht ein dreigeschossiger Baukörper, der mit der bestehenden Bausubstanz einen attraktiven, der Kinder- und Jugendpsychiatrie zugeordneten Freiraum bildet. Der neue Baukörper zeigt dabei eine sorgfältig durchgestaltete, moderne Fassade. Zum Nachbargrundstück wird der erforderliche Grenzabstand durch einen etwa drei Meter breiten längs orientierten Ruhegarten sichergestellt, der als lichter Einbund große Funktionalität und Dialogfähigkeit zum neuen Innenhof zeigt. Der Krahnenstraße begegnet ein gut proportioniertes Gebäude, das sich in First- und Traufhöhe sowie in der Materialwahl gelungen in den Straßenraum einfügt. Wenige Dachaufbauten bleiben zurückhaltend. Die hierhin ausgebildete Fassade vermittelt den Neubau zur Denkmalzone und orientiert sich hierfür stark an den überwiegend historischen Nachbargebäuden, sodass eine auf den ersten Blick hin historisierende Ansicht entsteht. Es ist jedoch hier der intellektuelle Ansatz der zu überzeugen vermag. Das Preisgericht erwartet, dass die Fassade in der Durcharbeitung in zurückhaltender Weise ihre Neuzeitlichkeit ablesen lässt.
Die organisatorischen Belange der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Inneren des Gebäudes sind insgesamt sehr gut gelöst. Die einhüftig erschlossenen Lehrsäle liegen im Erdgeschoss nahe beieinander. Ihre Erschließung ist hell und freundlich und erlaubt Ausblicke in den bereits erwähnten Freiraum. Gleiches gilt für die Erschließung der Obergeschosse. Nicht zuletzt die Einhüftigkeit und Offenheit führt jedoch zu einem vergleichsweise großen Bauvolumen. Dieses erfordert Wachsamkeit in der weiteren Durcharbeitung der Arbeit um die vom Auslober geforderte Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. Kleinere funktionale Mängel (z.B. die Erschließung des Speiseraumes durch einen Gruppenraum oder die Übersicht vom Schwesternraum in die Station) scheinen lösbar. Positiv erwähnt wurde die unmittelbare unterirdische Verbindung des Bestandsgebäudes mit dem Aufzug im Untergeschoss des Neubaus, die dessen Versorgung wesentlich erleichtert.

Das Preisgericht sieht insgesamt eine hochwertige und einfühlsam gestaltete
Auseinandersetzung mit der Aufgabe mit bemerkenswertem Durcharbeitungsgrad schon in der Wettbewerbsphase.
Schwarzplan

Schwarzplan

Piktogramme

Piktogramme

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Piktogramm Fassade Krahnenstraße

Piktogramm Fassade Krahnenstraße

Ansicht Krahnenstraße

Ansicht Krahnenstraße

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Ansicht West

Ansicht West

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Herleitung und Schnitt-Ansicht Fassade Innenhof

Herleitung und Schnitt-Ansicht Fassade Innenhof