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Verhandlungsverfahren | 02/2017

Gebäudeplanungsleistungen (HOAI § 33 ff.), Erweiterungsbau Rathaus Weil am Rhein

Zuschlag

blocher partners GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Einführung

Ausgangssituation und Herangehensweise

Ein Rathaus ist funktional wie ästhetisch seit Jahrhunderten ein komplexer Schlüsselpunkt der Stadt und erfüllt mannigfaltige Funktionen. Der repräsentative Charakter und die Signalwirkung der historischen Rathäuser in der Geschichte Deutschlands und Europas sind daher ästhetisch als Referenzgrundlage zu verstehen. Gestalterisch soll eine dialogische Konstellation zum Bestandsbau sowie der umliegenden Architektur entstehen. Funktional sollte das Gebäude maximale Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und Zweckmäßigkeit vereinen und zudem eine Plattform für Bürger und Mitarbeiter bieten, statt lediglich Verwaltungsbau zu sein.


Städtebauliches Konzept, Flächennutzung und Kubatur

Verschiedene Fließrichtungen innerhalb der Kubatur gliedern die Fassade und lassen sie kleinteiliger erscheinen. Dadurch fügt sich das Erscheinungsbild in die umgebende, heterogene Architektur. Zudem gewährleisten die nach innen greifenden Richtungswechsel einen maximalen Abstand zur Bestandsbebauung und evozieren eine Aufweitung für den neu geschaffenen Eingang des Neubaus.

Der Entwurf verzichtet bewusst auf einen sechsgeschossigen Baukörper und präferiert stattdessen ein viergeschossiges Modell. Auf diese Art und Weise werden harmonische Übergänge zum Höhenniveau der umliegenden Wohnbebauung geschaffen, Brüche in der Proportionalität vermieden und ein zusammenhängendes, klares Erscheinungsbild der beiden Rathaus-Bauten erzeugt. Durch die harmonische Integration in das heterogene Umfeld nimmt sich gleichsam der gesamte Baukörper zurück und stärkt die Verbindungsachse des Rathausplatzes in den urbanen Raum. Der unwesentliche Höhenunterschied zwischen Alt- und Neubau generiert zudem die Voraussetzung für die moderne Übersetzung eines historischen Gestaltprinzips von Rathäusern: Die Schaffung eines Rathausturms als optischen Höhepunkt. Der zweigeschossige Turm bietet nicht nur einen visuellen Anker im architek-tonischen Gefüge, sondern schafft auch einen aus größerer Entfernung identifizierbaren Hochpunkt. Dieser hilft bei der Orientierung und verleiht dem Rathauskomplex Charakter.

Der südliche Gebäudekopf fungiert als Kommunikationszone zwischen Alt und Neu: Mittels gläsernem Verbindungskorridor zwischen Bestand und Neubau (auf allen Etagen) sind die Gebäude als Einheit wahrnehmbar und bewahren sich gleichzeitig Eigenständigkeit.


Freiraumkonzept und Erschließung

Die räumliche Qualität der Rathausstraße soll erhalten bleiben. Gestärkt wird diese durch eine mittelhohe Bepflanzung in angemessenem Abstand zum Büroriegel (bei gleichzeitig maximalem Abstand zur gegenüberliegenden Wohnbebauung). Dies verschafft dem Gebäudekomplex Privatsphäre. Florale Gräserfelder und Solitärbäume werten zudem den Blick der Mitarbeiter vom Gebäudeinneren nach außen auf.

Im Bereich des gläsernen Verbindungskorridors erhält der Neubau einen eigenen Eingang und erhöht so die Zugänglichkeit des Gesamtkomplexes. Durch den zweiten Eingang ist der Neubau zudem eigenständig nutzbar. Eine platzartige Ausweitung erzeugt einen kleinen „Rathaushof“. Dieser bietet Besuchern die Möglichkeit zu kurzweiligem Aufenthalt, hält bauplanerischen Freiraum für barrierefreie Zuwegung bereit und ermöglicht die Installation von Fahrradständern. Begrünung verleiht der Fläche einen gartenartigen Charakter und setzt sich dadurch optisch gezielt vom Rathausplatz und dem Haupteingang am Altbau ab.

Die Wegeverbindung zwischen Rathausplatz und Humboldtstraße wird im Rahmen der Bautätigkeit an die Eingangshöhen angepasst, mit Besucherstellplätzen ergänzt und als Rettungsweg wieder hergestellt.


Innenraum des Neubaus

Auch im Innenraum spiegelt sich das städtebauliche Leitmotiv wider, Alt- und Neubau als einen zusammenhängenden Organismus zu konzipieren. Das große, zentrale Foyer bildet den gemeinsamen Mittelpunkt der Teilkörper und und bietet dem Besucher erste Orientierungs-möglichkeiten. Durch Faltelemente kann die Foyerfläche zu gegebenen Anlässen neu aufgeteilt werden.

Aufgrund der räumlichen Nähe der beiden Gebäudeteile entstehen kurze Wege, welche die Wirtschaftlichkeit des Gesamtkomplexes fördern. Ein eigenständiges Treppenhaus für den Neubau erhöht die Flexibilität der internen Gebäudenutzung.

In seinem Innenraum sieht der Neubau wirtschaftlich gestaltete Zellenbüros mit maximal flexibler Anordnungsfreiheit vor. Um den Arbeitsalltag aufzuwerten, können sich zwei Mitarbeiter in einem Büro stets gegenübersitzen. Durch die Länge des Gebäudes und zwei Erschließungskerne ergeben sich verschiedene Anordnungsszenarien der Abteilungen im Innenraum.


Materialität

Die Fassade wird durch Textilbeton gefertigt, welcher die Marmorplatten des Altbaus modern interpretiert. Eine großflächige, fugenlose Anwendung schafft Massivität. Im Kontaktbereich der Gebäudekörper werden Marmorplatten des Altbaus entfernt und im neu geschaffenen Foyer als Wandverkleidung genutzt. Dadurch entsteht ein optisches Ineinanderfließen aus Alt und Neu und ein Zitationskontext innerhalb der Kubaturen.


Erlebnisqualität und Medialität

Den Übergangsbereich zwischen Alt- und Neubau versieht der Entwurf mit räumlich geöffneten Zonen, die Kommunikation und Begegnung fördern und als lichtdurchflutete Aufenthaltsbereiche die Möglichkeit zur ungezwungenen Kontaktaufnahme bieten. Pro Etage sind zwei Aufweitungen vorgesehen, die als Teeküche oder Kopierraum gestaltet werden können.

Der Rathausturm verfügt über zwei Geschosse. Das untere beinhaltet einen großen Mehrzweckraum mit vorgelagertem „grünen Balkon“, der primär als Gemeinschaftsraum für Mitarbeiter gedacht ist und einen imposanten Blick auf die Weinberge bereithält. Das obere Turmgeschoss gleicht einer Empore, die als Trauraum genutzt werden kann. Ein Panoramafenster schafft eine wirkungsvolle Aussicht auf die Stadt, das Markttreiben und urbanes Leben. Zu Schließzeiten des Rathauses können die Turmgeschosse ganz oder teilweise vermietet werden, sodass ein lebendiger Ort öffentlichen Lebens für die Bürger Weils am Rhein entsteht.


Detailbeschreibungen signifikanter Konzeptbestandteile

Tragwerkskonzept

Der Rathausneubau ist in tragwerkstechnischer Sicht als Mischkonstruktion aus einer Ortbeton- und Halbfertigteilbauweise konzipiert. Das Tragwerk verbindet die Vorteile beider Bauweisen sinnvoll in wirtschaftlicher sowie gestalterischer Hinsicht. Aus dem Vorfertigungsgrad resultiert neben einer minimierten Bauzeit gleichzeitig eine maximale Wirtschaftlichkeit der gesamten Baukonstruktion.

Die Geschossdecken und die Untergeschosswände werden in Halbfertigteilbauweise erstellt. Die wirtschaftliche Deckenspannweite zwischen 6 und 7 m erlaubt eine nur 25 cm starke, punktgestützte Flachdecke. Der aufgesetzte Baukörper im 4. und 5. OG wird mit einer leichten Stahlkonstruktion überspannt, um das über ca. 13 m freispannende Dach stützenfrei zu gestalten.

Weil am Rhein befindet sich in der Erdbebenzone 3, deshalb wurde im Tragwerksentwurf ein besonderes Augenmerk auf ein sinnvolles Aussteifungssystem mit symmetrischer Anordnung von Massen- und Steifigkeitszentrum geworfen. Die Horizontalaussteifung erfolgt über die Scheibenwirkung der Geschossdecke sowie die vertikalen Erschließungskerne und deren Einspannung in den Kellerkasten. Zwischen Neubau und Bestand wird eine mindestens 4 cm starke Fuge angeordnet, um ein Zusammenprall der beiden Gebäude im Erdbebenfall zu vermeiden.


Gebäudetechnik

Versorgung
Das Gebäude wird an die öffentliche Gas- und Wasserversorgung sowie Abwasserentsorgung angebunden.


Sanitär

Im Untergeschoss befindet sich die zentrale Sanitärverteilung.
Im Gebäude werden folgende Wasserarten zur Verfügung gestellt:
- TW-kalt an Waschbecken, Duschen, Teeküchen, Putzräumen
- TW-warm nur an den Duschen im UG, Behinderten-WC, sowie an Teeküchen
- Regenwassernutzung an WC und Urinalen

Die TWW-Bereitung erfolgt dezentral über elektrische Durchlauferhitzer.

Das Regenwasser der Dachflächen wird in einer Zisterne gesammelt und anschließend an eine unterirdische Versickerungsanlage weitergeleitet. Regenwasser der Außenflächen wird über Flächenversickerung in angrenzende Grünbereiche entwässert und versickert.

Schmutzwasser, welches unterhalb der Rückstauebene anfällt, wird über eine Hebeanlage dem Kanal zugeführt. Schmutzwasser oberhalb der Rückstauebene wird in freiem Gefälle entwässert.


Heizung

Das Gebäude wird an die bauseitig gestellte Heizungsversorgung angebunden.
Es werden drei Regelgruppen vorgesehen:
- Stat. Heizung West
- Stat. Heizung Ost
- RLT-Anlage

Die Heizungsverteilung erfolgt in vertikalen Erschließungsschachten und geschossweise im Hohlraumboden.
In allen Bereichen werden statische Heizelemente mit Thermostatventil vorgesehen. Es wird in den Aufenthaltsräumen (Büro, Besprechung, etc.) auf einen hohen Strahlungsanteil der Heizflächen geachtet. (Da eine Brüstung vorhanden ist, könnten auch große, plane Heizflächen eingesetzt werden)
Die zentrale RLT-Anlage erhält zur Nachwärmmöglichkeit ein kleines Heizregister.


Lüftung

Für die innenliegenden Untergeschossräume, als auch für die Besprechungsräume wird eine zentrale Zu- und Abluftanlage vorgesehen. Die Außenluft wird über einen Erdkanal angesaugt und somit vorkonditioniert.

Im RLT-Gerät ist ein Hocheffizienzplattentauscher mit hoher WRG-Zahl, als auch EC-Ventilatoren vorgesehen.

Die innenliegenden Räume erhalten einen konstanten Volumenstrom für eine Mindestlüftung. Die Besprechungsräume werden mit Präsenz- und CO2-Fühlern ausgestattet, zur individuellen Regelbarkeit.

WC-Bereiche erhalten Einzelraumentlüfter mit Präsenzschaltung und Nachlaufrelais.
Die Tiefgarage wird natürlich be- und entlüftet.


Kühlung

Für das Gebäude ist keine aktive Kühlungsmöglichkeit vorgesehen.

Über außenliegende Verschattungen, Vorsehung von freien Decken zur thermischen Massenaktivierung, als auch annähernd raumhoch zu öffnenden Fenstern (Schlagregen und einbruchsicher), kann das Gebäude in den Sommermonaten mit natürlicher Nachtlüftung konditioniert werden.

Kühlung für EDV-Räume erfolgt, falls überhaupt notwendig, über eine Splitanlage.


Gebäudeautomation

Das Gebäude erhält für die Anlagentechnik eine frei programmierbare DDC-Technik, abgestimmt auf das vorhandene Leitsystem.


Brandschutz

Das Brandschutzkonzept wird entsprechend den bauordnungsrechtlichen Anforderungen und Bestimmungen der Landesbauordnung (LBO) erstellt. Abweichende Ausführungen von der LBO können mit Kompensationsmaßnahmen als ausgleichende Maßnahmen realisiert werden. Besonderes Augenmerk wird auf die Rettungswege gerichtet. Weitere Schwerpunkte bilden Brandabschnitte sowie tragende und trennende Bauteile.