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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2017

Umfeld Hauptbahnhof Nord

Anerkennung

Preisgeld: 5.500 EUR

Gerber Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept
Dortmund / Umfeld Hauptbahnhof Nord 091286

Leit-/Entwurfsidee, städtebauliche Überlegung
Für den Bereich des nördlichen Ausgangs aus dem Hauptbahnhof und den Übergang in das anschließende Wohngebiet wird ein städtebauliches Konzept erstellt, welches sowohl dem Manko des fehlenden Aushängeschilds in Form eines Bahnhofsgebäudes an dieser Stelle als auch einer besseren Anbindung der Nordstadt mit ihren ca. 60.000 Bewohnern aus etwa 170 Kulturen an die Innenstadt Rechnung trägt.
Neben den unmittelbar an den nördlichen Ausgang des Hauptbahnhofs anschließenden Flächen, wird ein ca. 25,4 ha großer ergänzender Stadtteil entwickelt, der sich ca. 1,5 km von Ost nach West entlang der Gleisharfe sowie 190 m in Nord-Süd-Richtung erstreckt.

Der Dreiklang aus „Kohle, Stahl und Bier“ machte Dortmund nach der Industrialisierung zu einer Arbeiter- und Großstadt. Zuwanderung und die Mischung der Kulturen und verschiedensten Länder fand in Dortmunds größtem zusammenhängendem Gründerzeitviertel ideale Bedingungen, es „entstand“ die heutige Nordstadt.
Mit dem Niedergang dieses Dreiklangs und den notwendigen Umstrukturierungen zeigten sich die dazugehörigen Probleme in Dortmund und vermehrt in der Nordstadt.

Mit der jetzt möglichen Entwicklung der aufgegebenen Bahn- und Güterflächen kommt nun eine großflächige Stadtentwicklung in Gang, für die der vorgelegte Entwurf ein mögliches Szenario aufzeigen möchte.

Durch eine Neustrukturierung der heutigen unwirtlichen Situation auf der Bahnhofsrückseite – auch hervorgerufen durch den ca. 7 m hohen Versprung vom Niveau der Nordstadt bis zu den Gleisen, soll eine Aufwertung des gesamten Gebietes bis in die weitere Nordstadt (Hafenbereich, Nordmarkt, Borsigplatz) in Gang gesetzt werden.
Die Gleisanlagen bleiben gem. Vorgaben der Auslobung erhalten bzw. werden für den RRX angepasst, wodurch der Bahndamm und die Gleisharfe weiterhin als eine funktionale Trennung zwischen Nordstadt und City bestehen bleiben. Diese Barriere kann partiell (z. B. am Burgtor, im Bereich des neuen Nordausgangs mit Verbindung zum ZOB) durchbrochen und zu Bereichen von hoher Aufenthaltsqualität und Sicherheit entwickelt werden.

Neben der Möglichkeit, neue Bauflächen in unmittelbarer Nähe zur City und an städtebaulich prägnanter Stelle zu entwickeln, bedarf es vorab großräumlicher Ansätze für den Entwicklungsbereich, um die Neuentwicklung einerseits in die Nordstadt und letztlich in die Gesamtstadt zu integrieren.
Dazu setzt der Entwurfsverfasser folgende Leitideen um:
- „Das grüne U“
Beginnend am Fredenbaumpark, über Blücherpark, das grüne Dreieck an der Treibstraße, weiter entlang der Baumbewachsenen Auffahrtsrampe zum ZOB bzw. zwischen Kino und Bahngleisen bis hin zum Burgtor, von dort zum Brügmannplatz und letztlich zum Hoeschmuseum und der Westfalenhütte entsteht ein verbindender Grünzug aus bestehenden und neu anzulegenden qualitätvollen Grünanlagen. Grünbereiche in unmittelbarer Nähe wie der Bürgergarten am Dietrich-Keuning-Haus sowie der Nordmarkt sind an diese grüne Lunge der Nordstadt angebunden.
- Übergeordnetes Radwegenetz
Ausgehend von vorhandenen Wegebeziehungen z.B. entlang des Kanals, über Bereiche des Grüngürtels, durch ergänzend entwickelte Stadtgebiete auf brachliegenden Gleisflächen, neben dem neuen ZOB bis hin zur Westfalenhütte und Westfaliastrasse bietet sich eine alternative Fortbewegungsmöglichkeit. So wird auch eine Anbindung der Nordstadt an die Überlegungen für die IGA 2027 (dezentrales Großereignis mit fünf Zukunftsgärten, wobei einer davon evtl. auf den Flächen der HSP zu liegen kommen könnte) greifbar.
- Bestandsbauten/Restriktionen
Berücksichtigung der bestehenden Bebauung wie Postgebäude, Kinokomplex, Steinwache und Ärztehaus, sowie der Wohnbebauung an der Grüne Straße zwischen Blücher- und Schützenstraße, aber auch der Vorgaben der Deutschen Bahn bzgl. der Speiseleitung und den entsprechenden Abstandsflächen, sowie der vom Rat der Stadt Dortmund gewünschten Ausbildung aller Flachdächer als Gründächer und den Anforderungen der DIN 18040 nach Barrierefreiheit.
- Erlebnis Bahndamm
Durch Integrieren von Nutzungen (Ateliers im Bereich Burgwall), Treppen/Rampen/Freiräumen/Spielplätzen (Entwicklungsgebiet Gleisharfe) und Ergänzen von Nutzungen (Bahnhofsgebäude Nord, ZOB) wird der bisherige Bahndamm mit seinen 7 m Höhenunterschied erlebbar und verliert den Charakter der unüberwindlichen Barriere.
- Aufwertung Straßenraum
Mittels Baumreihen und breiten Gehwegen/Aufenthaltszonen wird in 3 Teilbereichen der Ost-West-Tangente (Treibstraße – Grüne Straße – Steinstraße) eine Querung der Verkehrsader erleichtert.
- Brückenschlag Burgtor
Von der Kulturmeile Dortmunds, über den Ausgehbereich des Brückstraßenviertels bis in die Münsterstraße mit ihren kulturell vielfältigen Restaurants, Bars und Kneipen zieht sich ein Band der Zerstreuung, u. a. hervorgehoben durch einheitliches Bodenmaterial.

Innerhalb der vorgenannten Maßnahmen werden drei Teilbereiche von West nach Ost entwickelt, die im Einzelnen wie folgt charakterisiert werden sollen:

1. Urbanes Gebiet entlang der Treibstraße
Hauptaspekt ist hier die Auseinandersetzung mit der Kante und die Anordnung einer Mischnutzung über diese hinweg. Basis für die neue Entwicklung ist die Blockrandbebauung des umgebenden Bestandes. Sie wird als komplett rechtwinklige Struktur konzipiert, die dann durch gegeneinander verdrehte Anordnung Frei- und Grünbereiche unterschiedlicher Größe und Ausbildung entstehen lässt. Die im Bereich der Bebauung durch Einschieben eines Parkgeschosses abgeschwächte Kante, bleibt hier weiter wahrnehmbar. Während in den neu entstehenden Außenbereichen durch Verschleifen der Höhen eine begeh- und benutzbare Topografie mit Aufenthaltsqualität entwickelt wird, die die bisher trennende Kante ins Gegenteil verkehrt. Innerhalb der Blockstruktur werden jeweils Hochpunkte mit max. 10 Geschossen ausgebildet. Der komplette Individualverkehr wird auf direktem Weg in die Parkbereiche des Sockelgeschosses abgeleitet, wodurch die Qualität im Umfeld nochmals angehoben wird.
Die Blockränder sind als flexibel nutzbare Bauten anzusehen – eine Mischnutzung ist an dieser Stelle durchaus gewünscht.
Zusätzlich kann hier das Digitale Stellwerk mit einer Größe von 800 bis 2500 m² BGF sowie ca. 50 Parkplätzen und 5 Stellplätzen für Instandhaltungsfahrzeuge untergebracht werden. Als alternativer Standort käme das mittlere Geschoss des Parkhauses mit dann ca. 800 m² und einem weiten Blick über die gesamten Gleisflächen des Dortmunder Bahnhofs in Frage.

Optional könnten auch anstelle eines Blockrandes das Nordbad oder z.B. eine 3-fach Sporthalle für die Damenhandballmannschaft des BVBs an diese Stelle verlegt werden.

Im Bereich Grüne Straße - Schützenstraße wird eine großzügige Treppenanlage, ähnlich der am Dortmunder U vorgeschlagen, die auf kurzem Weg die Verbindung zum ca. 7 m höher gelegenen ZOB herstellt. Gleichzeitig bietet diese Treppe einen schönen Ausblick auf die Dortmunder Nordstadt - entlang der Schützenstraße bis zum Fredenbaumpark.

2. ZOB in Verbindung mit einem Bahnhofsgebäude und Bahnhofsvorplatz
Basis für die Neugestaltung des nördlichen Bahnhofsausgangs bildet der Rückbau sämtlicher derzeit an dieser Stelle existierender Straßen. Um den entstehenden Platz besser fassen zu können, wird parallel vor die Stützmauer ein langgestreckter Baukörper positioniert, der dann vor dem Ausgang der U-Bahnen fast rechtwinklig in Richtung Steinstraße abknickt und sich dort zu einem Hochpunkt entwickelt. Ein Hochhaus an dieser Stelle könnte Platz für ein technisches Rathaus bieten und wäre ideal erschlossen, sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch durch den Individualverkehr. Die Durchlässigkeit zum Kino, Fitnessstudio, U-Bahn Bereich sowie zur Steinwache wird durch einen großzügigen Unterschnitt hergestellt. Hier können weitere kleine Shops, aber auch Fahrräder „untergestellt“ werden.
Auf Platzniveau bietet das Gebäude Möglichkeiten für Gastronomie, die zur Belebung der Freiflächen beiträgt und ein derzeit vor allem für Reisende nicht vorhandenes Angebot im unmittelbaren Bahnhofsumfeld darstellt.
Der neu geschaffene Bahnhofsvorplatz in Verbindung mit dem Hochhaus stellt eine angemessene Willkommensgeste im Dortmunder Norden dar.
Eine zentrale Erschließungshalle, die abweichend von den Vorüberlegungen der Auslobung positioniert wird, verbindet mit Treppen, Rolltreppen und Aufzügen in angenehmer offener Atmosphäre den Platz mit der Ebene der Bahnhofshalle und im Weiteren mit dem auf Gleisniveau gelegenen neuen ZOB. Dieser wird an der vorgegebenen Stelle des ehemaligen Güterbahnhofs verortet. Die Zuwegung der Busse erfolgt über die Zufahrt Königshof, die Abfahrt über die Treibstraße. Oberhalb des ZOB wird ein 3-geschossiges Parkhaus angeordnet, das ebenfalls direkt an die zentrale Erschließung angebunden ist. Mit bis zu 858 Stellplätzen inkl. möglicher Car-Sharing-Plätze, wird das Parken als offene Großgarage konzipiert und von einer Fassade aus Metallgewebe umschlossen. Die Dachfläche des Parkhauses kann mit Solarzellen zur Energiegewinnung genutzt oder auch tlw. begrünt werden.
Das Gebäude der heutigen Hauptpost bleibt erhalten. Für die Zukunft gesehen, kann das Erdgeschoss als Einkaufszentrum mit bis zu 1.600 m² Fläche genutzt werden und den entstehenden Platz weiter beleben.
Ergänzt wird der nördliche Ausgang mit 12 Taxistellplätzen, 7 Bushaltemöglichkeiten sowie Kurzparker bzw. Kiss & Ride Plätzen.
Für die DHL-Flächen wird ein Abriss vorgeschlagen und im Weiteren die Ergänzung durch zwei Wohnblöcke samt darunterliegender Parkmöglichkeiten. Ähnlich dem urbanen Gebiet an der Treibstraße.

3. Aufwertung des Kreuzungsbereichs Burgwall
Für die Grundstücksinsel ist ein Hochhaus, bestehend aus drei Gebäuden, die in den unteren Etagen zu einem Ringblock verbunden sind, vorgesehen. Als mögliche Nutzungen könnten ein Hotel, Büros und Wohnen sowie Gastronomie und Kultur in Betracht kommen. Alternativ könnte in diesem Komplex das technische Rathaus der Stadt Dortmund untergebracht werden.
Entlang des Bahndamms sind im Norden kleinere Galerien und Ateliers oder Büronutzungen/Co-Working-Spaces denkbar.
Südlich des Bahndamms wird begleitend zum Burgwall der Blockrand mit Wohnbebauung geschlossen und so das bestehende Bürogebäude sowie das gerade entstehende Hotel eingebunden. Entlang der Innenhöfe sowie parallel zum Bahndamm werden Studentenwohnungen vorgeschlagen. Um einen Lärmpuffer auszubilden, werden die Erschließungsflure zu den Bahngleisen orientiert. Im Untergeschoss wird jeweils eine zusammenhängende Garage konzipiert, deren begrünte Dachfläche einen grünen Innenhof für die darüber befindliche Wohnnutzung ausbildet.
Eine Verbindung bis zum Burgwall soll über den aus der Münsterstraße kommenden Bodenbelag hergestellt werden - mit Hilfe des roten Kopfsteinpflasters das über die Fahrbahn gezogen wird, entsteht ein homogenes Bild, obwohl die Fahrbahn vom Gehweg getrennt bleibt.
Weitere Bars und Dienstleistungen können im Erdgeschoss angesiedelt werden und schaffen so die Verbindung zwischen Brückstraßenviertel und Münsterstraße.

Durch die Hochpunkte am Bahnhofsvorplatz und Burgwall werden visuelle Verbindungen zu bestehenden Hochpunkten am Cityring geschaffen und der Versuch unternommen, mit der Stadt über die Gleise zu „springen“.

Grünvernetzung und Freiraum
Die Qualität und Dimensionierung sowie die Anforderungen an gesunde und sozial verträgliche Lebensverhältnisse werden mit dem radial-konzentrischen Freiraummodell der Stadt Dortmund als Leitbild untersucht. Mit diesen Werten und Ideen wird in dem Umfeld des neuen Städtebaus ein zusammenhängender Frei- und Grünraum geschaffen.
Dabei setzt sich der Freiraum auseinander mit dem Kontext des Neubaus in dem Bestandsumfeld.
Sichtachsen werden dabei neben der Architektur mit Baumpflanzung gestärkt.

Das zuvor im Text beschriebene „grüne U“ wird neben den baulichen Elementen mit Baumpflanzungen gestärkt. Bei der Auswahl der Bäume wird mit einer starken Artenvielfalt auf die Veränderungen des Klimawandels Rücksicht genommen. Neben vielen heimischen Arten kommen zunehmend Baumarten zur Verwendung die im Stadtklima besser zurechtkommen. Neben dem deutlich ökologischen Mehrwert wird auch der Wandel der Jahreszeiten in der Stadt besser ablesbar und bringt eine hohe Aufenthaltsqualität mit sich.
Die Straßen Treibstraße, Grüne Straße und Steinstraße erhalten im Zuge der städtebaulichen Neuordnung eine zusammenhängende Begleitung durch Straßenbäume, um hier auch die Verbindung des „grünen U‘s“ zu unterstützen.

Die verbleibenden Brachflächen mit ihren Hochstaudenfluren werden behutsam in ein Gesamtkonzept integriert. Die Ruderalvegetation wird gärtnerisch gepflegt und mit den Vorgaben der Höhenbegrenzung in Bahntrassennähe/Speiseleitung zu einem langfristigen Grünraum entwickelt.

Die wertvollen Bestandsbäume auf dem nördlichen Bahnhofsvorplatz werden in die großzügige Platzgestaltung integriert.

Die Nutzungsangebote in den Freiräumen richten sich nach den städtebaulichen Themen: Ausreichend Kinderspielflächen für alle Alters- und Menschengruppen finden in dem Konzept Platz sowie Flächen für genrationsübergreifendes Miteinander.
Gastronomische Nutzungen haben in den Freiflächen angemessene Terrassen- und Freiflächen. Einladende Sitzmöglichkeiten laden zum Verweilen ein.
Die Integration von Fuß- und Radwegen beleben die Freiräume und machen eine Bewegung fern ab der Straßen möglich.
Ein Beleuchtungskonzept sorgt für ausreichende Sicherheit auf allen Wegen und Plätzen sowie für die Akzentuierung des Bahnhofsvorplatzes.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit der Fortsetzung der Blockstruktur gelingt der Arbeit eine überzeugende Verknüpfung mit der Nordstadt. Nicht nachvollziehbar ist jedoch deren – etwas gewollt erscheinende - Lage und Anordnung. Fragwürdig erscheint zudem die Anordnung des ruhenden Verkehrs im Sockel- bzw. Erdgeschoss.
Das dem Konzept zu Grunde liegende „grüne U“ als eine der entwurfsbestimmenden Leitideen lässt sich im Entwurf nicht in seiner gewünschten Prägnanz wiederfinden.
Gelungen ist die Auseinandersetzung mit dem Burgtor. Hier führt der vorgeschlagene Baukörper zu einer guten Wegeführung und Verknüpfung zwischen Brück- und Münsterstraße.
Nicht überzeugen kann der lang gestreckte Riegel aus ZOB und darüber liegendem Parkhaus, der von der Bahnseite das Erscheinungsbild des Bahnhofsbereichs prägen würde.
Durch die östliche Bebauung erhält der nördliche Bahnhofsvorplatz zwar eine angemessene Dimension, gleichzeitig rückt der Bereich um die Steinwache aber in eine nicht gewünschte Randlage.