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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2018

Sanierung des Mehrfamilienhauses in Lübeck

1. Preis

Preisgeld: 25.000 EUR

ppp architekten + stadtplaner

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

AWB Ingenieure

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Analyse
Die Gebäudehülle hat ihre energetischen Schwachpunkte eindeutig im Bereich der in den Baukörper eingeschnittenen Loggien, Laubengängen und auskragenden Balkone. Die ins Freie laufenden Betondecken führen hier zu erheblichen Energieverlusten und weisen bereits Schädigungen auf. Die massiven monolithisch gemauerten Fassaden lassen sich dagegen relativ problemlos dämmen.
Das statische System des Hochhauses wurde nach Sichtung der vorliegenden Studien und vor allem der Altstatik gemeinsam mit einem Ingenieurbüro für Tragwerksplanung und vorbeugenden Brandschutz untersucht. Massive nach unten mit zunehmend schwererem Mauerwerk errichtete tragende Wände und schlanke Betondecken zeichnen das Gebäude aus. Die Decken der Küchen und der Laubengänge sind gemäß Altstatik zweiachsig gespannt. D.h. der Laubengang ist Teil der Durchlauftragwirkung des Systems und "entlastet" damit die Küchendecke. Er kann daher nicht entfernt werden. Hingegen ist die Decke von Schlafzimmer und der Loggia einachsig parallel zur Fassade gespannt und kann entfernt werden.

Konzept
Der Entwurf hat die Revitalisierung des Hochhauses zum Ziel. Energetik und Tragwerk legen es nahe das Gebäude durch Hinzunahme der Loggien und Laubengänge in die beheizte Gebäudehülle zukünftig kompakter auszubilden. Eine Dämmung der angrenzenden Bauteile würde aufgrund ihrer heute schon knappen Abmessungen zu nicht vernünftig nutzbaren Restflächen mit einer nutzbaren Breite von ca. 1,20 m führen. Ein Rückbau der Laubengänge durch Abbruch und der Ersatz durch thermisch getrennte, z.B. in die entstandene Nische gestellte freitragende Konstruktionen, scheidet aus. Dies wird aus der Altstatik ersichtlich (Durchlauftragwirkung der Decke). Entscheidende Eingriffe in die horizontale Tragstruktur aus Decken und Treppen sind damit nicht nötig. Lediglich die bestehende gemauerte Laubengangfassade wird versetzt und damit die Küche vergrößert. Ähnliches geschieht auf der Südseite mit der Fassade der Loggia die als nichttragendes Bauteil ersatzlos entfernt werden kann. Damit erfahren Küche, Bad und Schlafraum der Wohnungen innerhalb des kompakten wärmegedämmten Körpers einen sinnvollen Flächenzuwachs. Die nichttragenden Wände von Küche und Bad können entfernt werden. Die Bäder können neu und erstmalig barrierefrei konzipiert werden.
Vor den thermisch optimierten kompakten Baukörper wird auf beiden Längsfassaden ein freistehendes "Regal" aus vorgefertigten Betonfertigteilen gestellt. Es nimmt im Norden die neue Laubengangerschließung, im Süden neue Balkone und Wintergärten auf. Die geschoßhohen Betontische, aus denen das Regal besteht, dienen geschossweise eingekrant als Arbeitsgerüst für Herstellung und spätere Unterhaltung der mineralischen Fassade und der Fenster. Auf der Südseite wirkt der 2,50 m tiefe Balkon zudem als Wetterschutz der Fassade und als Sonnenblende. Die Wintergärten dienen außerdem als Klimapuffer. Die vorgestellte Konstruktion trägt ihre Lasten im EG über winkelförmige Sonderstützen ab, die Abstand zum Bestand halten und so ohne Auswirkungen auf die Gründung der bestehenden tragenden Wände sind. Alle Fassaden erhalten ein mineralisches Wärmedämmverbundsystem. Die Erweiterungen vergrößern geringfügig den Wohnraum, Balkone und Wintergärten führen zu einer Aufwertung der Wohnqualität.

Städtebauliche Wirkung
Wir sind der Meinung, dass das Haus durch die Sanierung des 9. Stockwerks und die Aufstockung um ein weiteres Geschoß erheblich an städtebaulicher Qualität gewinnt. Für die Revitalisierung des Stadtteils Moisling und sein Zentrum wird ein wichtiges Zeichen gesetzt. Eine wichtige bestehende Landmarke wird ausgebaut und in seiner Erscheinung aufgewertet. Die horizontalen Linien der Balkonkanten und die Glaskörper der Wintergärten gliedern und rhythmisieren den Baukörper. Die "Zinnen" der Wintergärten des obersten Geschosses bilden einen vertikalen Abschluss des Hauses. Der Knick des Baukörpers auf der Südseite wird mit der scharfen Linienführung der vorgestellten Struktur herausgearbeitet. Die individuelle Nutzbarkeit und Öffnung der Wintergärten mit gläsernen Faltschiebläden bilden ein spielerisches Element innerhalb der präzisen Struktur. Der Eingangsbereich wird zu einem gemeinsamen Foyer umgestaltet. Es nimmt die Eingänge aller gewerblichen Einheiten auf und bindet gleichzeitig die beiden Treppenhäuser des Wohnhauses ein. Das Foyer verbindet den zentralen städtischen Platz mit der attraktiven Südseite des Hauses. Im Süden entsteht ein neues Angebot aus Terrassen und Spielmöglichkeiten. Das Umfeld des Hauses wird damit aufgewertet und besser an Oberbüssauer Weg und Moislinger Mühlenweg und den neuen Bahnhaltepunkt angeschlossen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit erkennt Gestalt und Kubatur des bestehenden Gebäudes als am Ort prägenden Solitär an. Der Entwurf integriert auf der Nord- und Erschließungsseite den bisherigen Laubengang in die Grundrisse der dahinter liegenden Wohnungen und addiert eine neue, stark horizontale und leichte Erschließung, wiederum als Laubengang an. Dieser bindet die beiden erweiterten Bestandstreppenhäuser und mit diesen die Anbindung der Rettungswege, selbstverständlich ein. Im Erdgeschoss entsteht ein großzügiges Foyer, und unter Aufgabe der rückwärtigen Anbauten ein neuer, das Gebäude durchdringender Entree- und Gemeinschaftsbereich mit flexiblen Nutzungsoptionen. Diese Haltung wird ausdrücklich begrüßt und zeichnet den Entwurf aus.
Auf der Südseite ergänzt eine wiederum vorgelagerte und stark horizontal gegliederte Struktur aus Loggien und Wintergärten die bestehende Fassade. Den vertikalen Abschluss bildet ein wechselndes Motiv aus Wolkenbügeln, offenen Balkonen oder Wintergärten. Im Inneren des Gebäudes profitieren die Wohnungsgrundrisse vom Zuschlag der ehemaligen Laubengänge. Auf der Gartenseite erhalten alle Wohnungen sowohl vorgelagerte Loggien als auch Wintergärten. In Summe erfahren alle Grundrisse eine funktionale Aufwertung, hierzu wird jedoch in die Struktur der Bäder und Küchen eingegriffen. Der Entwurf bietet im Ergebnis Wohnungstypen ab einer Größe von 66 qm an. Kritisch wird die Formulierung der seitlichen West- und Ostfassaden gesehen. Die hier im Wesentlichen belassene Bestands-Befensterung erscheint im Verhältnis zur Nord- und Südseite zu wenig gestaltet und in der Materialität WDVS weder in der Wertigkeit noch in der Gestaltung angemessen. Der vertikale Abschluss der Südfassade widerspricht in seiner Massivität der ansonsten gelungenen filigranen und horizontalen Gestaltung der Gesamtfassade. Im Falle einer weiteren Bearbeitung sollten auch kleinere Wohnungstypen, unter 66 qm, geprüft werden. Die Arbeit erzeugt unter konstruktiven Gesichtspunkten einen maßstäblichen Aufwand und erscheint wirtschaftlich angemessen.