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Kooperatives Verfahren | 09/2019

Umgestaltung des Marktplatzes in Pfullingen

Lageplan

Lageplan

3. Preis

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Architekturmodellbau Michael Lo Chiatto

Modellbau

Erläuterungstext

Situation

Pfullingen liegt eingebettet in hochwertigen Kultur- und Naturlandschaften am Fuße der schwäbischen Alb. Die Typologie des Ortes wird dominiert durch die lebendige Topografie, der typischen Kulturlandschaft, den Streuobstwiesen sowie dem historischen Bezug zum Element Wasser.

Entlang der Großen Heerstraße findet sich eine durchmischte und historisch gewachsene Bebauung mit einzelnen denkmalgeschützten Gebäuden. Der Straßenraum vom Lindenplatz bis zur Marktstraße diente bislang als funktionaler Verkehrs- und Durchgangsraum und wird vom Autoverkehr beherrscht. Die Fußgängerbereiche bieten nur beschränkte Nutzungsmöglichkeiten sowie Aufenthaltsqualitäten. Die an den Marktplatz angrenzenden Freiräume und Grünzonen sind aufgrund der Verkehrsnutzung nur schwer erlebbar.

Der Kernplanungsbereich umfasst die Aufenthaltszonen rund um die Martinskirche der evangelischen Kirchengemeinde und den gesamten Marktplatz im Kontext seiner umgebenden Bebauung. Der Ideenbereich erstreckt sich entlang der Marktstraße und dem Lindenplatz. Das Gebiet befindet sich im Zentrum der umliegenden Grünräume wie dem Stadtgarten, dem Schlösslespark sowie dem Klostersee und bildet so ‚den‘ zentralen Verbindungspunkt der Grünstrukturen in Pfullingen.

Städtebauliche Leitidee – Mit Herkunft Zukunft gestalten

Das Konzept sieht vor, die bisher stark fragmentierten Platzelemente des Markt-, Linden- und Laiblinsplatz miteinander zu verknüpfen und somit die Fußgängerzone als eine Einheit mit Identität zu entwickeln. Es entsteht eine neue städtebauliche Keimzelle mit hochwertigen Gehölzstrukturen, dem historischen Bezug und der Nähe zum Element Wasser. Ein attraktiver und zeitgemäßer Stadtboden, welcher das bestehende Architekturensemble in einen modernen Rahmen fügt, verleiht dem Ort das angemessene Statement. Die bisher lose im Gefüge liegenden Bereiche und Qualitäten werden miteinander verbunden und erfahren so gebührende Aufwertung und Wertschätzung.

Neuordnung

Im Zuge der Umgestaltung wird die automobilgeprägte Verkehrsnutzung der Marktstraße in den Hintergrund rücken und ein neuer zusammenhängender Stadtkern als Ort der Begegnung entstehen. Dabei soll sich dieser neue Ort mit der Umgebung vernetzen, wichtige Sichtachsen zu den historischen Bauten freilegen und durch eine ehrliche Materialität und Gestaltung eine hochwertige und zukunftsoffene Einheit bilden. Die einzelnen Platzwidmungen sollen stärker differenziert werden, um so klar erkennbare Nutzungen mit attraktiver Aufenthaltsqualität freizulegen.

Der Lindenplatz, der in seiner Bebauung durch Gastronomie und Einzelhandel geprägt ist, erhält eine für diese Aufgabe angemessene Gestaltung. Der Marktplatz arrondiert die Martinskirche und wird durch seine offene Gestaltung zum multifunktionalen und kulturellen Begegnungsort, während der Laiblinsplatz das Ensemble mit den Themen Spiel und Bewegung vervollständigt.

Durch architektonische und verkehrstechnische Neuordnungen entsteht ein erlebbarer Dreiklang aus Lindenplatz, Marktplatz und Laiblinsplatz, welcher die städtebauliche Qualität und Identität Pfullingens neu präsentiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit verfolgt das Ziel, den Stadtraum im Zentrum Pfullingens neu zu ordnen, indem Laiblinplatz, Marktplatz und Lindenplatz sowohl gestalterisch als auch räumlich zu einer fließenden Platzfolge verbunden werden. Zu diesem Zweck schlagen die Verfasser vor, das sogenannte Gebirge nördlich der Martinskirche zurückzubauen und durch steinerne, mit Bäumen überstandene Terrassen zu ersetzen. Dieser Vorschlag wird vom Preisgericht leidenschaftlich und kontrovers diskutiert, führt er doch zu einer starken Veränderung des Stadtraums und der Wahrnehmung der Martinskirche. Positiv bewertet wird die durch diesen Eingriff gesteigerte Präsenz der Kirche in Richtung Norden und Osten sowie die großzügige Öffnung des Eingangs in die Stadtmitte von Lindenplatz und Marktstraße aus. Dem gegenüber steht der durch die Veränderung der Topografie bedingte starke Eingriff in den Baumbestand und die Gefahr, dass der historische Marktplatz durch die neu entstehende Platzfläche nördlich der Kirche in seiner Bedeutung geschwächt wird.
So selbstverständlich sich die Terrassierung im Umfeld der Kirche darstellt, so unverständlich ist die Wiederholung der Geländeterrassierung auf dem Lindenplatz, wirkt sie doch an dieser Stelle sehr formalistisch und angesichts der topografischen Situation nicht notwendig. Die entlang der Großen Heerstraße dargestellten Planungshöhen am Lindenplatz und an der Einmündung der Schulstraße weichen um bis zu 50 cm von den bestehenden Geländehöhen ab und sind für das Preisgericht nicht nachvollziehbar.
Die sonstige Gestaltung des Platzes, die sich aus einer partiellen Offenlegung der Stadtbäche, den Fontänenfeldern im nördlichen Platzbereich und den freien Baumsetzungen mit angelagerten Aufenthalts- und Spielangeboten zusammensetzt, ist demgegenüber nachvollziehbar und verspricht Qualität für die Nutzung und den Aufenthalt im öffentlichen Raum, wenngleich einzelne Baumsetzungen und die Wahl der Baumarten mitunter beliebig wirken.
Der Einsatz des historisch ortsbildprägenden Elements Wasser und die unterschiedlichen Formen der Erlebbarkeit, die durch die Verfasser angeboten werden, überzeugen sowohl in Umfang als auch in der Anordnung. Der Marktbrunnen bleibt am Marktplatz auch zukünftig das prägende Wasserelement.
Die vorgeschlagene Einbahnregelung des Kfz-Verkehrs im Bereich des Lindenplatzes führt zu Verkehrsverlagerungen in das nordöstlich benachbarte Quartier. Dort sind mehr als Verdopplungen der Belastungen zu erwarten, die für die dortigen Nutzungen (Wohnen, Schule) unzumutbar sind und auch dem städtischen Verkehrskonzept widersprechen. Eine Beibehaltung des Zweirichtungsverkehrs in der Marktstraße erscheint dem Preisgericht sinnvoller und ließe sich auch ohne größere Qualitätseinbußen mit dem Entwurf vereinbaren.
Der Umgang mit dem Einmündungsbereich der Schulstraße und mit dem offenen Grundstück an der Straßeneinmündung bleibt weit unter seinen Möglichkeiten. Hier wäre eine entschiedenere Haltung im Sinne einer freiräumlichen Vernetzung der beiden Straßenseiten wünschenswert gewesen.
Insgesamt stellt die Arbeit einen wichtigen, da mutigen Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe dar, der eine diskussionswürdige Alternative zum zukünftigen Umgang mit dem öffentlichen Raum und insbesondere der Martinskirche im historischen Stadtkern liefert.
Neugestaltung Stadtmitte

Neugestaltung Stadtmitte

Neugestaltung Lindenplatz

Neugestaltung Lindenplatz

Aufsicht Martinskirche

Aufsicht Martinskirche