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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2020

Erweiterungsbau Theaterhaus in Stuttgart

Erweiterungsbau des Theaterhauses mit Holzmembran

Erweiterungsbau des Theaterhauses mit Holzmembran

3. Preis

Preisgeld: 26.500 EUR

JSWD Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Das neue Theaterhaus legt sich als einfacher, klarer Baukörper auf das Planungsgrundstück und definiert sehr selbstverständlich die Stadträume Theaterplatz und Quartiersplatz. Auf eine Überbauung der „Multifunktionszone“ nach dem Leitplankenplan wird weitgehend verzichtet, um die Sichtbeziehung zwischen Maybachstraße und Pragsattel zu erhalten und einen größtmöglichen, flexibel bespielbaren Platzraum zwischen Bestand und Neubau zu schaffen. Die in weiten Teilen verglaste Sockelzone verzahnt sich mit den Außenräumen, lässt Einblicke tief ins Gebäudeinnere zu und senkt die Hemmschwelle, den Theaterbau auch als „Schauspiellaie“ zu betreten. Ein Mantel aus Holzprofilen bekleidet die Obergeschosse und verleiht dem Theater einen abstrakten, geheimnisvollen Charakter. Die Holzmembran umschließt als zweite Haut konsequent sowohl alle Nutzungsbausteine, als auch die dem Theaterplatz zugewandten Balkone. In den Abendstunden scheint sich die Struktur aufzulösen. Im Zusammenspiel mit den Geschossebenen und Treppenläufen wird der Neubau zum begehbaren Bühnenbild, die Zuschauer zu Schauspielern.
Die vorgeschlagene Organisation ermöglicht ein kompaktes oberirdisches Baukörpervolumen und gleichzeitig eine eigenständige Entfaltung von Tanztheater und Freier Szene. Letztere entwickelt sich über eine großzügige Treppe mit Sitzstufen aus dem Eingangsfoyer ins Untergeschoss. Der Vorstellungsraum mit multifunktionaler Raumbühne kann flexibel bespielt und bei Bedarf mit dem Saalfoyer zusammengeschaltet werden. Lager und Proberaum schließen unmittelbar an den Vorstellungsraum an. Ein Lichthof versorgt die Räume der Freien Szene mit Tageslicht und bietet Raum für Freiluftaufführungen. Hierbei könnte der Proberaum als Hinterbühne fungieren. Alle Werkstätten und großen Lager liegen auf einer Ebene mit der Freien Szene. Eine Ringerschließung bindet sowohl an den Lastenaufzug des Neubaus, als auch über Adapter an die Treppenhäuser und Aufzüge des Bestandsbaus an. Beide Häuser sind über die Logistikebene eng vernetzt und können Synergien nutzen.
Dem Saal des Tanztheaters (T5) sind über mehrere Ebenen Foyers zugeordnet, die über einen Luftraum mit eingestellter Treppenskulptur spannende, geschossübergreifende Blickbeziehungen bieten. Der geometrisch klare Saal (Prinzip Schuhkarton) ist, im Kontrast zu den mit Holz bekleideten Foyerzonen, im Sinne einer Werkstatt mit sichtbarer Technik gestaltet. Ein großer Teil des Parketts kann über eine Teleskoptribüne eben, oder ansteigend ausgebildet werden. Die Balkone – alle Sitzplätze haben eine Entfernung unter 25m zur Vorderkante Bühne – erzeugen eine große Dichte und stärken das direkte, unmittelbare Theatererlebnis. Die Bühne ist über die Hinterbühne (bei Bedarf der Bühnenfläche zuschaltbar) direkt an den Lastenaufzug angebunden. Durch das Absenken der Freien Szene auf die -1-Ebene erhält der Schnürboden eine lichte Höhe von >16.0 m, ohne die festgesetzte, maximale Gebäudehöhe von 23.70m zu überschreiten. Alle Proberäume können über den Lastenaufzug angedient werden, so dass bei Bedarf mit Requisiten und Szenerie unter Bühnenbedingungen geprobt werden kann. Die Künstlergarderoben im obersten Geschoss erhalten ein Atrium, das Raum zum informellen Austausch und Luftholen bietet. Die „Theaterloggia“ ist allen Nutzungsbausteinen vorgeschaltet und nimmt Pausenbalkone und notwendige Fluchttreppen auf. Sie gleicht – insbesondere. In den Abendstunden bei Kunstlicht – einer begehbaren Kulissenwand, die auf die Bühne Theaterplatz abstrahlt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Leitidee ist die Platzierung eines einfachen, Ruhe ausstrahlenden Baukörpers ohne Vor- und Rücksprünge, Auskragungen oder die Ausbildung eines städtebaulichen Hochpunktes an der Nordwestecke.
Der multifunktionale Freiraum wird geschickt genutzt, um von hier aus den im unteren Geschoss angeordneten Bereich der Freien Szene zu erschließen. Dies erfolgt durch eine großzügig dimensionierte Freitreppe, die zugleich als Freilichtbühne nutzbar ist. Der Treppenabgang wird in das Innere des Gebäudes verlängert und verbindet Innen und Außen zu einer großzügigen Geste. Dies wird als eigenständige Idee anerkannt, jedoch wird auch kontrovers diskutiert, ob die vergleichsweise knapp bemessene Erschließung des großen Saals dem in Großzügigkeit nicht zu sehr nachsteht. Ebenso ambivalent gesehen wird die enorme Tiefe des Hofes von sieben Metern und die Zerschneidung des Freiraums in kleine Bereiche, wodurch die Nutzungsflexibilität eingeschränkt wird. Die Anlieferung an der Nordostecke ist funktional gut gelöst.
Der Haupteingang erfolgt an der Nordwestseite des Gebäudes über die verglaste Sockelzone. Ein zu schmaler, untergeordnet wirkender Treppenaufgang führt zunächst zu der höher gelegenen Ebene des Quartiersplatzes und dann weiter zu den in den Obergeschossen dem Saal vorgelagerten Foyers. Der Zugang zum Saal selbst befindet sich im ersten Obergeschoss. Im Vergleich zur Freien Szene wirkt die Erschließung zu wenig raumgreifend und adressbildend.
Der Saal selbst ist sowohl für das Publikum als auch für den Betrieb gut erschlossen. Saal und Bühne lassen eine hohe Funktionalität erwarten, ebenso sind die Nebenräume gut platziert.
Der kubische, angenehm proportionierte Baukörper ist mit einer Haut aus Holzprofilen zu einem ruhigen Volumen zusammengefasst. Dabei verkleidet die Nordfassade die dahinterliegende offene Fluchttreppe. Die thermische Fassade liegt in einer Schicht dahinter. Kontrovers diskutiert wird die Verwendung einer Holzmembran als Fassade zum Kulturraum. Auch wirkt die Holzfassade bei einem so großen Massivbau vorgesetzt und täuscht eine komplette Holzbaukonstruktion vor.
Die Holzgestaltung setzt sich als Materialität im Innenraum fort. Das Foyer ist von Holz dominiert, der Theatersaal steht als rauer, eher durch die technischen Einbauten geprägter Kern im bewussten Kontrast dazu.
Raumprogramm und Barrierefreiheit sind überwiegend gut erfüllt. Ein großer Kritikpunkt ist die Lage der Werkstätten, die lange Transportwege mit sich bringt. Durch die Lage im Untergeschoss ist die zwingend notwendige Tagesbelichtung fraglich. Die Technikflächen sind unterdimensioniert. Die Unterbringung der Fahrradabstellplätze in der Tiefgarage wird kritisch gesehen. Bezüglich Flächen und Volumen lässt der Entwurf eine wirtschaftliche Realisierung zu.
Grundsätzlich kann der Ansatz der Führung der Flucht- und Rettungswege über den verglasten Balkon weiter verfolgt werden. Als Herausforderung wird aus brandschutztechnischer Sicht die Umsetzung der Holzfassade gesehen. Gemäß VStättVO BW sind Außenwände aus nichtbrennbaren Baustoffen auszuführen. Der Entwurf ist aus brandschutztechnischer Sicht nochmals zu überarbeiten.
Insgesamt überzeugt der Entwurf durch die große Ruhe, die er ausstrahlt und die in weiten Teilen wie selbstverständlich choreografierte Positionierung des komplexen Raumprogramms.
Lageplan

Lageplan

„Theaterloggia“

„Theaterloggia“