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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2008

Städtebaulicher und freiraumplanerischer Wettbewerb Kernbereich Bethel

Anerkennung

APB. Schneider Andresen Pommée Architekten und Stadtplaner PartG mbB

Architektur

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel liegen an den Südhängen des Teutoburger Waldes, welcher Bielefeld zwischen Innenstadt und dem Stadtteil Gadderbaum teilt. Die traditionsreiche Einrichtung mit Ihren vielfältigen Angeboten und Institutionen ist weit über ihre Grenzen hinaus von hoher ideeller und Impulsgebender Bedeutung. Beispielhaft für Einrichtungen in aller Welt wird hier entsprechend dem diakonischen Auftrag zur „Pflege von Bedürftigen“ Gemeinschaft gelebt.

Diesem Vorbildcharakter stehen die baulichen „Verkrustungen“ der letzten 60 Jahre und die strukturellen Defizite entgegen, welche gerade den Kernbereich der Anlage prägen. Bei einer städtebaulichen Neuordnung muss es deshalb um die sensible Abwägung zwischen spezifischen Qualitäten des Ortes und gezielten Maßnahmen gehen, welche die räumliche Ablesbarkeit und nachhaltige Weiterentwicklung der Einrichtung gewährleisten. Die stadträumlich prominente Lage und das große freiräumliche Potential der Gesamtanlage bergen dabei Entwicklungspotentiale sowohl intern als auch auf gesamtstädtischer Ebene. Der Entwurf formuliert Maßnahmen und Leitlinien, welche Eckpunkte für eine kontinuierliche Umstrukturierung des Kernbereiches von Bethel bieten.

Strategien

Erste Maßnahme ist die „Schaffung einer neuen Mitte“, welche in Form eines „Garten Eden“ einen Ort für Gemeinschaft, Begegnung und Verweilen in Bethel bietet. Als Sinnbild für die alttestamentarische „Himmelstreppe von Bethel“ spannt sich dieser großzügige Terrassengarten als klar ablesbarer Verbindungsraum zwischen Dankort und Bethel-Platz.

Die Strategie „Öffnung durch Verdichtung“ beschreibt den Prozess der baulichen Arrondierung mit Läden, Werkstätten, betreuten Wohnangeboten sowie kulturellen und therapeutischen Einrichtungen, welche auch Kernfunktionen für die umliegenden Stadtteile darstellen können. Dabei wird der nördliche Teil des Saronweges zu einer kleinteiligen Fußgängerzone mit offenen Werkstattläden und städtischen betreuten Wohnangeboten umgebaut. Im Bereich südlich der Handwerkerstrasse erfolgt eine Nachverdichtung mit Einzelhaustypen im Sinne einer Gartenstadt.

Begleitend zur baulichen Verdichtung wird durch die „Qualifizierung der Freiräume“ ein differenziertes Netz aus öffentlichen Korridoren, halbprivaten Binnenzonen und privaten Refugien für die Bewohner von Bethel geschaffen. Dies kommt dem erhöhten Bedürfnis nach freiräumlichen Schutzbereichen entgegen, das eine strukturelle Öffnung von Bethel bedingt.

Garten Eden

Der Garten Eden bildet künftig das neue Zentrum, die neue Mitte, das Herz von Bethel. Der Garten als Synonym vom Paradies auf Erden bildet einen Anziehungspunkt für Bethelaner und Besucher gleichermaßen. Er dient als Treffpunkt, als Ort der Kommunikation und des Austausches zwischen den Menschen. Ein Rahmen aus Blütenbäumen schafft einen eigenen Raum innerhalb der derzeit heterogenen Bebauungsstruktur. Großzügige Rampen an den Seiten des Gartens verbinden Dankort und Bethelplatz behindertengerecht miteinander. Der Garten ist mit Hilfe von (Sitz)stufenanlagen terrassiert. Dadurch entstehen einzelne Gartenräume in denen unterschiedliche Gartenthemen wie z. B. Rosengarten, Gräsergarten, Duftgarten, etc. eine hohe Aufenthaltsqualität erzeugen. Wie in einem Kurgarten könnten kleinere kulturelle Veranstaltungen stattfinden, zu denen die Topographie des Ortes im Sinne eines aufsteigenden Gestühls genutzt werden kann.

Für die Erstellung des Terrassengartens müssen Ephrata sowie das Feuerwehrgebäude abgebrochen werden. Dankort und Prowerk erhalten eine Treppenanlage mit behindertengerechter Gondelrampe welche Vorplatz und Garten Eden für Jedermann verbinden. Neue Platzkanten werden nördlich durch ein Pflegeheim für ältere Behinderte sowie das überformte Amtshaus gebildet in dem ein Behindertencafe entsteht. Das Haus Horeb im Nordosten wird durch ein Gästehaus mit großzügigem Frühstücksraum am Garten erweitert. Kulturelle Angebote aus der Neuen Schmiede können den neu gewonnenen Freiraum bespielen.

Das Haus Bethabara kann mittelfristig erhalten bleiben. Langfristig ist an dessen Stelle ein Therapiezentrum mit Schwimmbad und Fitness-Angebot für Bethelianer und Externe vorgesehen. Krankenhausapotheke und Bethabara können dann die attraktiven Neubauten nördlich des Saronweg beziehen.

Bethelboulevard

Die Öffnung des Saronweges lässt ein neues Entree für Bethel am Königsweg entstehen. Im Bereich bis zur Handwerkerstrasse wird der Saronweg ebenengleich gepflastert und als „Bethelboulevard“ zu einem Shared-space umfunktioniert.

Der Bethelboulevard zeichnet sich durch seine räumliche Enge und seinen steinernen Belag als sehr urbaner Ort innerhalb des Wettbewerbsgebietes aus. Ähnlich einer städtischen Fußgängerzone dominiert hier der Fußgänger in seiner Funktion als Konsument. Ein einheitlicher Belag (z. B. Natursteinkleinpflaster) beruhigt den Stadtraum und die Architekturen aus den unterschiedlichen Zeitabschnitten. Ein Plattenband mit Austattungselementen (Bank, Papierkorb, Leuchte, etc.) und Bäumen (z. B. Gleditschien) bündelt die nötigen Funktionen in eine Aufenthaltsqualität für die Besucher des Saronwegs.

Die Werkstattgebäude – Alte Bäckerei, Tiberias und Veritas – werden als Laden-Werkstätten ausgebaut. Mit verbesserten Räumlichkeiten wird das Prinzip der Brockensammlung fortgeführt und durch behinderten- und kundenfreundliche Gestaltung zukunftsfähig gemacht. In Ergänzung dazu entstehen neue Werkstätten an Stelle der Brockensammlung II und zwischen den Häusern Veritas und Tiberias. Die neuen Module nutzen die Topographie für Anlieferung und Lager am Karl-Schnittger-Weg und ebenerdige Lichtdurchflutete Laden- und Werkstattlokale vom Saronweg aus.

Nördlich des Boulevards entstehen nach Abbruch von Alt Pangilo und der Krankenhausapotheke neue Wohn- und Geschäftshäuser mit ebenerdigen Ladenflächen. Darüber liegen Betreutenwohnungen mit jeweils ca. 6 Wohngruppen- Zimmern pro Ebene und ebenerdig angeschlossenem Freibereich im „Blockinneren“.

Gartenstadt und Bohnenbach

Der Bereich Südlich der Handwerkerstrasse ist von seinem Charakter als Wohngebiet im Grünen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Im Sinne einer Gartenstadt entstehen hier Wohnangebote in kleineren Haustypen mit Selbstversorgergärten. Es wechseln sich Haustypen mit bis zu 3 Wohnungen oder kleinen betreuten Wohngruppen, die im Sinne der nachhaltigen Verwendung auch als Personalwohnungen genutzt werden können. Rückwärtig entstehen kleine Gärten mit Selbstversorgerfunktion. Hauseltern und Betreute haben hier ihr freiräumliches Refugium.

Der Bohnenbach wird zwischen Dankort und Regenrückhaltebecken geöffnet. Am Dankort entsteht ein Seerosenteich am Fuß des Garten Eden und bildet den Anfang bzw. das Ende des geöffneten Bohnenbaches. Nach Norden wird der begleitende Grünzug in Form eines Fuß- und Radweges durch das Wohnquartier über die Arthur-Ladebeck Strasse bis zum Sportplatz und darüber hinaus fortgesetzt. Nach Süden erstreckt sich der Bohnenbach zusammen mit dem Fuß- und Radweg durch das neue Wohngebiet bis zum Regenrückhaltebecken. Das relativ triste Regenrückhaltebecken könnte zu einem wechselfeuchten Biotop mit verschiedenen Gräsern (Binsen, Schachtelhalm, Rohrkolben, etc.) umgestaltet werden. Stege aus Holz führen über und durch das Biotop und ermöglichen ein intensives Erleben der Flora und Fauna.

Erschließung

Der Entwurf schlägt eine Neuordnung des Verkehrs zu Gunsten einer schwellenlosen Fußgänger-freundlichen Gesamtlösung des Kernbereiches von Bethel vor. Das Prinzip der Sammelstrassen und den dazu quer verlaufenden Erschließungsstrassen wird darin einbezogen.

Die Handwerkerstrasse als Sammelstrasse wird an den Neuen Kreisel am Quellenhofweg angeschlossen und mit einer neuen Parkpalette, einseitigen Senkrechtparkern, sowie der Zufahrt zur Bethelplatzgarage als Hauptanfahrtsbereich für den individuellen Verkehr umgestaltet. Die Anlieferung für das Prowerk und die Neue Schmiede sowie die Anfahrt des neuen Therapeutischen Zentrums erfolgen von hieraus. Dies reduziert den Parkplatzsuchverkehr im Kernbereich. Der nördliche Saronweg bis zur Handwerkerstrasse sowie der Nazarethweg bis zum Königsweg werden zum Shared-Space oder verkehrsberuhigten Geschäftsbereich mit Kommunaltrasse umgebaut. Diese Maßnahme erhält die ungehinderte Zufahrt für Anlieferung, Bewohner und ÖPNV, räumt jedoch für Fußgänger einen uneingeschränkten Vorrang ein.