modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Einladungswettbewerb | 04/2009

Forschungs- und Besucherzentrum Heimbach GmbH

2. Anerkennung

BeL Sozietät für Architektur

Architektur

Erläuterungstext

Kontext – Bestandsanalyse
Baugeschichte
Die Firma Heimbach kehrt mit dem Forschungs- und Besucherzentrum zu ihren Ursprüngen zurück, obwohl sie diesen Standort seit 157 Jahren nicht verlassen hat. Mit dem Umzug in die Wiesenau 1852 begann hier die industrielle Fertigung technischer Textilien, mit der Planung eines Forschungs- und Besucherzentrums wird jetzt die fast 200- jährige Geschichte der Firma an diesem Ort fortgesetzt. Das Werk passt sich seit seiner Entstehung fortwährend den weiterentwickelten Produktionsprozessen an. Die Geschichte der Industrialisierung ist am Werkskomplex der Firma Heimbach beispielhaft abzulesen.

Typologie Werkskomplex
In der Anlage der Krutzmühle als Keimzelle des Werkes ist bereits dessen Struktur in seiner weiteren Entwicklung angelegt. Die Typologie der Gebäude ist für notwendige Erweiterungen und Umbauten vorgesehen. Als flexible Nutzbauten dienen sie den Bedürfnissen der Produktion. Wenn die Gebäude nicht mehr in der Lage sind, die in ihren Dimensionen stets wachsenden Produktionsanlagen aufzunehmen, werden sie angrenzend durch Gebäude mit größeren Spannweiten ergänzt. Durch den Wachstumsprozess entsteht ein Konglomerat aus Industriegebäuden, die einen zusammenhängenden Gebäudekomplex ergeben. Die Einzelbausteine entsprechen dem jeweiligen Stand der Technik, die Gestaltung wird ausschließlich durch die Funktion bestimmt. An der Straßenfassade des Hauptwerks werden die Einzelgebäude durch eine einheitliche Farbgebung zusammengefasst.

Typologie Krutzmühle
Das zweigeschossige Gebäude hat 5 Längsachsen und 7 Querachsen, die in der Fassade im Obergeschoss ablesbar sind. Ziegelwände und Eisengussstützen tragen eine Vielfalt verschiedener Deckenkonstruktionen. Das flache Satteldach wird über eine Holzkonstruktion mit Kopfbändern abgestützt. Deckendurchbrüche, geschlossene Öffnungen und Niveauunterschiede der Böden dokumentieren Modifikationen auf Grund veränderter Nutzungsansprüche.
Das 3-geschossige Gebäude hat 4 Längsfassadenachsen und 8 Querfassadenachsen. Eine Gussstützenreihe in der Mittelachse trägt zusammen mit den Längsziegelwänden quer verlaufende Hauptträger, die über kleinere Längsträger und Querdielen die Holzdecken bilden. Im dritten Geschoss ist die Stützenreihe durch einen quer spannenden Holzbinder ersetzt. Auch dieses Gebäude weist Anpassungen an veränderte Bedürfnisse auf. Der Deckendurchbruch in der 1. Obergeschossdecke sowie Ladebaumverstrebungen im Treppenhaus sind Zeugen pragmatischer Veränderungen. Das Verhältnis der Fenster zur tragenden Ziegelwand ist maximiert, durch die Geschosshöhen von ca. 4,00 m wird eine Tageslichtbelichtung im Winkel von 30° gewährleistet. Die Vertikalerschließung liegt an der Straße. In Längsrichtung ist das Gebäude prinzipiell endlos erweiterbar. Die Darstellung des Firmensitzes der Heimbach GmbH im Paper-Maker and British Paper Trade Journal aus dem Jahr 1911 zeigt die Vervielfältigung dieses Bautyps über das gesamte Firmenareal.
Das Gebäude basiert auf einem Raster von 9 Fuß in der Querrichtung, 18 Fuß in der Längsrichtung und 14 Fuß in der Höhe. In metrischen Maßen folgt das Gebäude einem System von 2,75 m längs, 5,50 m quer und 4,26 m in der Höhe. Das metrische System wurde im Deutschen Reich erst 1872 eingeführt. Da dieser Bautyp englischen Vorbildern folgte, ist es wahrscheinlich dass dessen Rastermaße exakte Kopien aus England sind.
Die zurückhaltende Bauornamentik der Krutzmühle mit Zierfriesen, Balustraden und Zinnen zeugt vom gemäßigten Repräsentationsdrang seiner Erbauer.

Gebäudeentwurf - Gebäudeorganisation
Gebäudeentwurf
Die Geschichte des Ortes und sein bauliches Zeugnis in Form des Werkkomplexes liefern eine reiche Grundlage für die Konzeption der Erweiterung der Krutzmühle. In seiner Grundhaltung verfolgt der Entwurf das Prinzip des Weiterbauens. Weiterbauen heißt, substanziell mit dem Bestand verwoben zu sein, eine intensive Verschränkung des Alten mit dem Neuen, ein Verständnis des Bauens als Kontinuität und nicht Artikulation vermeintlich antagonistischer Gegensätze des Alten zum Neuen. Der Artikel 12 der Charta von Venedig hat, wahrscheinlich unbeabsichtigt, dem Diktum der Moderne Vorschub geleistet, dass sich das Neue per se vom Alten abzugrenzen habe. Dem wollen wir widersprechen.
Der Entwurf leitet seine Prinzipien aus den vorgefundenen Strukturen ab. So wie die Krutzmühle Vorbilder in England hatte, und Vorbild für das Firmengelände auf der östlichen Straßenseite wurde, findet die Erweiterung ihre Vorbilder im Kontext. Der faszinierende, endlose Raum des kontinuierlich erweiterten Gebäudekonglomerats liefert die Vorlage für die Integration der historischen Gebäude in den neuen Nutzungszusammenhang. Das Areal demonstriert 150 Jahre prozessoffene Architektur. Als Industriearchitektur zu Neutralität und Flexibilität verpflichtet, bietet sie eine stabile Grundlage für zukünftige Veränderungen, Erweiterungen, Aufstockungen, Umwidmungen und Abbrüche.
Dabei wird die Krutzmühle selbst zum wichtigsten Stimulans. Die radikale Einfachheit des frühen Industriebaues, seine strukturelle Organisation als neutraler Nutzraum, der, ohne jegliche "gestalterische Ambition" Räume von außerordentlicher architektonischer Qualität liefert, verpflichten zu Fortsetzung und Verbindung. Die Erweiterbarkeit und Offenheit der Struktur wird fortgeführt, das prägende Raster von 9 auf 18 Fuß in der Horizontalen und 14 Fuß in der Vertikalen wird kompromisslos auf alle neuen Bauteile angewandt. In metrischer Übersetzung von 2,75 m, 5,50 m und als Teiler 1,375 m ist das gesamte Gebäude zusammenhängend organisiert. Der pragmatische Ansatz der Stapelung neutraler Flächen findet sowohl in den gemeinsamen Geschossebenen von Bestand und Neubau, wie in der Typologie der Neubauteile seine Fortsetzung. Das Prinzip der Modifikation des Gerüsts wird auf die unterschiedlich hohen Gebäudeteile angewandt. Die im Bestand entstandenen Deckendurchbrüche sind im Neubau vorweggenommen, können aber auch wieder rückgängig gemacht werden.

Das Gebäude ist in fünf Teile gegliedert. Jede Berührungsfläche verbindet mehr als dass sie trennt. Der westliche Foyer-, Konferenz-, und Chemiegebäudeteil ist die ideelle Fortsetzung des dreigeschossigen Bestandsgebäudes. Das physikalische Labor generiert sich aus der Orientierung des zweigeschossigen Bestandsgebäudes. Auf Grund der Winkelunterschiede der Bestandsgebäude untereinander und zum Mühlteich entsteht, trotz entschiedener Einfachheit des Systems, ein komplexes geometrisches Gefüge mit großem, räumlichem Potential. Die Winkelverschiebungen erlauben eine beiläufige Verflechtung der Elemente. So entsteht trotz Differenzierung einzelner Elemente ein lückenlos kompaktes Gebäude mit großer räumlicher Durchdringung. Der Wachstumsprozess der Heimbach GmbH wird durch dieses Gebäude selbstverständlich fortgesetzt und in der Kommunikation mit Geschäftspartnern zum prägenden Eindruck. Die sympathische Zurückhaltung der Heimbach GmbH, als Weltmarktführer und "stiller Riese" der Dürener Industrie findet ihre Entsprechung in dem neuen Gebäude.

Gebäudeorganisation
Die Forschung und der Besucherempfang stehen im neuen Gebäudekomplex in einem engen Zusammenhang. Das Gebäude hat interne und externe Funktionen, die je nach Bedarf zusammen geschaltet werden können. Es dient der geschützten Entwicklung von neuen Produkten, der Kommunikation der Firma mit einer ausgesuchten Öffentlichkeit und der kommunikativen Zusammenarbeit mit Ingenieuren außerhalb des Betriebs. Das Gebäude ist in geschützte Arbeitsbereiche und intuitiv zugängliche, ungeschützte Räume zoniert. Durch die kompakte Anordnung sind alle Wege minimiert. Die Bereiche innerhalb des Gebäudes bilden Schnittstellen untereinander, die Kommunikation fördern.
Das Foyer befindet sich im 1. Obergeschoss und wird durch die freistehende Treppenrampe sowie einen barrierefreien Aufzug vom Besucherparkplatz aus erschlossen. Im Foyer wird der Besucher in Empfangsbereich begrüßt und kann auf dieser Ebene die Ausstellungsbereiche nutzen. Hier verbindet sich das große Bestandsgebäude über große Öffnungen mit den Neubauteilen. Der Zutritt zum Gebäude wird vom Pförtner kontrolliert und wird durch eine Sprechanlage geregelt. Durch die zentrale, vertikale Lage des Foyers kann der Zugang der Besucher zu den weiteren Bereichen fein gesteuert werden. Von hier aus wird die Arbeitsebene im Erdgeschoss, sowie die Konferenz- und Besprechungsebene im 2. Obergeschoss über eine zentrale Treppe und einen Aufzug erreicht. Die optionale Brückenverbindung zum Hauptwerk befindet sich ebenfalls auf dieser Ebene.
In der Arbeitsebene im Erdgeschoss sind alle Bereiche über den zentralen Forschungsflur verbunden. Dieser bildet das Rückgrat des Gebäudes und ist neben seiner verbindenden Erschließungsfunktion vor allem ein Arbeits- und Kommunikationsraum. Die Büros sind im großen Bestandsgebäude untergebracht, ein offener Hof zwischen physikalischen Laboren und Büros bietet Ausblick und die Gelegenheit zu kurzer Erholung. Im kleinen Bestandsgebäude sind die Aufenthalts-, Besprechungs-, und Sozialräume der Mitarbeiter. Im ersten Obergeschoss befindet sich der Inspektionstisch, der bei Bedarf durch einen Aufzug angedient werden kann. Die Werkhalle lässt sich großflächig über Rolltore zum Forschungsflur öffnen, sie wird über ein Außentor sowie einen Mitarbeitereingang von der LKW Zufahrt angedient. Das chemische Labor liegt am Mühlteich und hat einen großen Luftraum, in dem die Haustechnik offen unterbracht ist. Vorhänge an den vorplatzseitigen Fassaden schützen je nach Bedarf vor Blicken und unterstützen die Raumakustik.

Konstruktion – Gebäudetechnik – Wirtschaftlichkeit
Konstruktion
Die Bestandsgebäude werden in ihrem Charakter werkgetreu erhalten. Das Mauerwerk wird neu verfugt, die Innenräume neu gekälkt und die Holzdecken durch Brandschutzplatten und neue Holzdielen ertüchtigt. Die historischen Fenster werden unter Wahrung ihres Erscheinungsbildes durch Stahldoppelfenster ersetzt. Die Neubauteile des Gebäudes sind moderne Interpretationen der Mischkonstruktionen ihrer Vorbilder. Der dreigeschossige Teil ist ein Ortbetonskelettbau mit Holzstützen in der Fassade. Die vorgehängte Glasfassade hat weiß lasierte Holzrahmen, die sich in den Besprechungsräumen als Schwingflügel öffnen lassen. Ein Fensterelement ist für die Technikebene als Wartungsluke zu öffnen. Die Werkhalle hat außen gedämmte Ortbetonwände und eine Tageslichtdecke aus Sperrholz-Spanten-Shed-Dielen in nordwestlicher Ausrichtung. Die Kranbahn ruht auf einbetonierten Konsolen und hat auf Grund des windschiefen Grundrisses ein um 7,47° gedreht montiertes Fahrgestell des Laufwagens. Das physikalische Labor hat eine Tragkonstruktion aus Holzbalken und Stützen in Brettschichtbauweise. Auch hier bilden Sperrholz-Spanten-Shed-Dielen eine Tageslichtdecke, die Ausrichtung ist hier nordöstlich. Die Tageslichtdecken erzeugen ein blendfreies und computerarbeitsplatzgerechtes Licht. Alle Böden in den Neubauteilen sind Betonestriche mit Korudureinstreuung.

Gebäudetechnik
Durch Einsatz von Strahlungsbodenheizungen wird bei großen Raumhöhen nicht das gesamte Luftvolumen erhitzt, sondern ausschließlich im Nutzbereich ein angenehmes Raumklima erzielt. Die Oberseiten der Holzspantendielen haben eine ideale Ausrichtung für Solaranlagen, die bei Bedarf installiert werden können. Alle haustechnischen Anlagen werden offen geführt. Von der Technikzentrale im 2. Obergeschoss kann Zu- und Abluft sowie Abgas und Entlüftung nach oben geführt werden. Zu- und Abluft erfolgen zentral und können an eine Wärmerückgewinnungsanlage anschlossen werden. Die Wärmegewinnung kann unabhängig vom Werk über ein kleines Blockheizkraftwerk betrieben werden oder an das Werkssystem angeschlossen werden. Hierzu sind weitere Untersuchungen notwendig.

Wirtschaftlichkeit
Durch die kompakte Bauweise wird das Gebäudevolumen minimiert. Die Spannweiten des Betontragwerks sind mit 5,5 m optimiert, die weit spannenden Holzspantendielen Leichtbaukonstruktionen in nachhaltiger Bauweise. Auf eine Unterkellerung wird auf Grund der Uferlage und zur Kostenminimierung verzichtet. Durch die Tageslichtdecken werden die Betriebskosten für künstliche Beleuchtung minimiert. Die große Neutralität der Räume garantiert ein breites Spektrum an möglichen Nutzungen.
Das Gebäude ist prozessual angelegt, jeder Gebäudeteil kann einzeln realisiert werden. Vorplatz und Ladebereich bieten potentielle Bauflächen für mögliche Erweiterungen.

Stadt - Landschaftsraum
Die Wiesenau wird stadt- und landschaftsräumlich vom Nebeneinander großfächiger industrieller Areale und den Auewiesen der Rur geprägt. Die hohe Dichte der zusammenhängenden Bebauung stößt mit scharfen Grenzen auf Agrarräume. Der Mühlteich als künstliches, industrielles Landschaftselement ergänzt diese Nachbarschaft, ist aber in seiner heutigen Lage nur schwer wahrnehmbar.
Mit dem Abriss der nördlich an das Forschungs- und Besucherzentrum angrenzenden Wohnbebauung wird durch den neu geschaffenen Vorplatz der Zusammenhang aller prägenden Elemente akzentuiert. Die Erweiterung der Krutzmühle folgt der Typologie des Werkskomplexes und fasst die Bestandsgebäude zu einem kompakten Volumen zusammen.
Der Vorplatz markiert den Eingang zum Firmenareal und schafft Blickbeziehungen zum Mühlteich, dem Wald und den Feldern. Durch ihn wird der Straßenraum mit dem Mühlteich und dem kleinen Wald verbunden. Der Garagenhof im Wald wird abgerissen und durch einen Gartenraum ersetzt, der als Ruhe- und Konzentrationsgarten für die Nutzer des Forschungs- und Besucherzentrums zur Verfügung steht. Die Geschäftsleitungsstellplätze werden auf dem Vorplatz ersetzt. Diese sind in Vegetation eingebettet und grenzen den Vorplatz von den nördlich verbleibenden Wohngebäuden ab. Die Besucherparkplätze befinden sich auf der Kiesfläche des Vorplatzes, das Ufer des Mühlteichs ist mit einer flachen und breiten Mauer befestigt, die als Sitzgelegenheit dient. Prägendes Element des Vorplatzes ist die frei stehende Treppenrampe. Die Bushaltestelle und Ampelanlage liegen am Vorplatz und stärken den öffentlichen Charakter des Vorplatzes. Südlich der Krutzmühle befindet sich die Anlieferung der Werkhalle. Diese Rangierfläche ist funktional asphaltiert.