modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 10/2009

Realisierungswettbewerb Umbau und Erweiterung Stadtmuseum Kassel

2. Preis

Preisgeld: 9.000 EUR

CHOE HACKH

Architektur

Erläuterungstext

MUSEUM UND BLICK

SITUATION

Das Stadtmuseum liegt am nordwestlichen Rand der Kassler Innenstadt. Es ist Endpunkt der historischen Achse zwischen Karlskirche und Ständeplatz. Durch den Einsatz vor allem der Mittel der Außenraumgestaltung, also durch verbindende Bodenbeläge, Beleuchtung, Möblierung und Grün wird es möglich, den lang gestreckten Stadtraum über den heute trennenden Ständeplatz wieder erkennbar zu verschränken.
Das Stadtmuseum fungiert als Ausgangspunkt der räumlichen und gestalterischen Kopplung des Stadtraums.
Die Formensprache des Heckengartens wird in Form von radialen Bodenmustern einem Echo gleich fortgeführt.


ERWEITERUNG

Die Erweiterungsflächen werden mittels Hofüberbauung und dem neuen Gebäudeabschluss geschaffen. Das bestehende Dach und Teile des dritten Obergeschosses werden zurückgebaut. Die Proportionen der zweigeschossigen Originalfassade von 1869 des Berliner Architekten Albert Scholz werden wieder hergestellt. Das darüberliegende Gebäudevolumen ist horizontal gegliedert. Die Backsteinfassade besteht aus zweilagigen Vor-, und dreilagigen Rücksprüngen mit jeglichem Verzicht auf Bauschmuck. Lediglich die großen Fensteröffnungen werden mit einer Sandsteinumfassung betont. Die Materialität des Obergeschosses folgt der Erinnerung an die originale Backsteinfassade. Die Gebäudeecken und der in der Nachkriegszeit negierte Eckrisalit werden durch Einschnitte in das Gebäudevolumen wieder betont.


EIN OFFENES MUSEUM

Der Besucher betritt das Stadtmuseum durch einen gläsernen Vorbau. Durch die vollkommene Transparenz der Ganzglaskonstruktion wird das alte Gebäude nahezu nicht beeinträchtigt. Innerhalb des Glaskörpers wird die ursprüngliche gegebene Differenzierung zwischen Backsteinflächen und Sandsteinverwendungen wieder freigelegt. Der weiße Anstrich wird entfernt.
In der Verlängerung des Foyers öffnen sich über der Eingangshalle treppenartige Lufträume. Sie geben den Blick frei in die höher gelegenen Ausstellungsräume. Die Blickführung betont die Offenheit und Gastlichkeit des Gebäudes, welches für Besucher den Anreiz bildet, das Stadtmuseum zu erkunden. Die Einganshalle lebt von der Durchlässigkeit zu dieser der alltäglichen Erfahrung entrückten Raumkonfiguration.
Der Besucher gelangt nun in das erweiterte Foyer mit Ausstellungsflächen für Aktuelles und der Kommunikationsplattform. Von hier aus erschließt sich der zweigeschossig hohe Vortragsaal ‚Kasselforum’ mit dem angegliederten Raum der museumspädagogischen Vermittlung.


AUSSTELLUNGSRÄUME

Vom erweiterten Foyer aus erschließt sich das neue Haupttreppenhaus. Im ersten Obergeschoss beginnt der Museumsrundgang. Die Räume ordnen sich rund um einen zentralen dreieckigen Raum, wobei die einfache rhythmische Abfolge der in sich ruhenden Räume kurze aber auch lange, systematische Parcoursmöglichkeiten gestattet. Innerhalb dieses Parcours sind in loser Abfolge zweigeschossig hohe Räume eingefügt, zum Teil mit Blickbeziehungen in darüber- und darunterliegende Geschosse.
Die Verglasung, des das Gebäude durchdringenden treppenartigen Luftraums, ist je nach Ausstellungskonzept flexibel mit Trennwänden schließbar.
Der Museumsrundgang der ständigen Ausstellung schließt mit dem zweiten Obergeschoss ab. Eine Sonderstellung nimmt der zweigeschossige, oberlichtdurchflutete Raum im Eckrisalit ein. Er fungiert mit seinem großen Panoramafenster als das Bindeglied zwischen Museum und Stadt.
Die Sonderausstellungsflächen befinden sich im dritten Obergeschoss. Große Außenterrassen fungieren als Skulpturengarten.
Die dienende und zurückhaltende Gestaltung der Räume soll sammlungsbezogen eine zeitgemäße Interpretation der klassischen Galerie variieren: Hochwertiges klassisches Parkett, fugenlose Decken, weitestgehend nicht sichtbare Haustechnikausstattung, helle Wandhintergründe aus Gipsputz, oder auch hellgraue textile Wandbespannungen.


KOMPLEMENTÄRE BEREICHE

Der Eingang im nordwestlichen Teil des Gebäudes erschließt den Verwaltungsbereich im ersten und zweiten Obergeschoss. Über dem Verwaltungsbereich angeschlossen sind Bibliothek und Grafikdepot im dritten Obergeschoss. Eine spätere Umnutzung des Verwaltungsbereichs in eine Ausstellungsnutzung ist ohne große Umbaumaßnahmen möglich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Durch den Rückbau der heutigen auf die historische Geschossigkeit und eine neue zweigeschossige Aufmauerung entsteht nicht zuletzt durch die bandartige Relieffierung der neuen Klinkerfassade ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Alt und Neu. Beide ablesbaren Zeitschichten werden so zum Zeichen, dass Weiterbauen jenseits von Rekonstruktion ein harmonisches Ganzes bilden kann. Darin liegen neben der formalen Eigenständigkeit die wesentlichen stadträumlichen und gestalterischen Qualitäten des Entwurfs.

Die Denkmalpflege beanstandet genau diesen Umgang mit der Substanz. Nachdem man das Museum durch einen gläsernen Vorbau betreten hat, den die Jury als fragwürdig ansieht, gelangt der Besucher über das gut proportionierte Foyer, um das sich alle öffentlichkeitsintensiven Nutzungen anlagern, auf selbstverständliche Weise in den als vorbildlich beurteilten Vortragssaal.

In Verlängerung des neuen Foyers öffnet sich eine verknüpfte Reihe von Lufträumen, die über vielfältige Raum- und Blickbeziehungen die Ausstellungsräume als „offenes Museum“ prägen. Der Rundgang durch Haus und Sammlung bildet einen vorzüglichen Rahmen für jeden, der in diesem Haus ausstellen oder kuratieren dürfte. Die funktionalen Zusammenhänge sind sinnvoll und nachvollziehbar. Kritisch anzumerken ist, ob Dimensionen und Qualitäten der Räume kohärent mit der Größe des Hauses und der spezifischen Aufgabe Stadtmuseum sind.

Die Barrierefreiheit ist vorbildlich und nicht als Pflichtarbeit gelöst. Der Eingriff in die Substanz erscheint insgesamt gewaltig, das Ergebnis rechtfertigt dies jedoch in weiten Teilen. Der Entwurf als Ganzes und insbesondere der Umgang mit Material und Zeitschichten wird als hervorragender Beitrag zur allgemeinen Gattung Museum gesehen, bleibt jedoch teilweise unspezifisch zur Bauaufgabe Stadtmuseum.
Blick durch das Museum

Blick durch das Museum