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Konkurrierendes Auswahlverfahren | 10/2009

Platz des 9. November Berlin

Gewinner

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Moment für Moment
An der Bornholmer Straße entsteht der Platz des 9.November 1989


Motiv
An diesem schmalen Geländeband an der Bornholmer Brücke soll ein Erinnerungsraum entstehen für den 9. November 1989, einen Erinnerungsraum für einen Tag also.

Unser Vorschlag versucht sich dem zu nähern in der Auseinandersetzung mit dem „Moment“als historische Zeiteinheit und als Erinnerungsmotiv. Sofort wurde der 9.November als historischerTag angesprochen. Beim erinnernden Blick zurück bleibt der Tag als Erinnerungseinheit abstrakt. Er stellt sich (wie viele zuvor) als Fluss von starken Einzelmomenten dar, als sichaufbauender Strom von ungeahnten Neuigkeiten. Viele der Momente dieses Tages gehören zum häufig wiederholten Kanon unser medialen Erinnerung und sind bei einem Großteil der
Menschen in Deutschland „abrufbar“, von Schabowskis „nach meiner Kenntnis...ist das sofort“ bis zum „Wahnsinn“ der späten Nacht. Sie haben bisher ihre emotionale Wirkung nicht verloren. Die starken Momente dieses Tages sollen diesen Ort prägen.

Und wir wollen uns dabei als das entscheidende Moment in dieser Nacht den unseres Wissens
nicht dokumentierten Augenblick vorstellen, als sich der erste Mensch aus dieser dichten
und anschwellenden Menschenmenge löst und sich auf den Weg über die Brücke macht.



Gestalt
Der langgestreckte sich verengende Raum ist durchgängig mit einer grobkönigen Splittdecke aus anthrazitfarbenem Basalt bedeckt. Senkrecht auf das Relikt der Hinterlandmauer ausgerichtet, durchziehen scheinbar unregelmäßig rostende Stahlbänder den Bodenbelag. Tatsächlich folgt ihre Taktung von Ost nach West proportional der Chronologie der Momente am 09.11.1989. Sie sind mit Stunden- und Minutenangaben versehen und mit wörtlichen
Zitaten oder Textfragmenten ergänzt. Sie betreffen Ereignisse des Zeitraums von 9.00 morgens bis Mitternacht.

Der Platz ist mit feingliedrigen Bäumen bestanden. Von Osten her verdichten sich die Einzelexemplare immer mehr zu einem dichten Hain mit fast bedrängender Enge. Der Hain endet
abrupt an der engsten Stelle des Platzes. Hier verläuft die Linie für den Moment der Anweisung der sog. Ventilöffnung (21.20 Uhr), zu diesem Zeitpunkt konnte der erste DDR-Bürger ohne Ausreisepapiere die Brücke überqueren. Als Baumart für den Hain
wird Prunus sub. „Autumnalis“ vorgeschlagen. Diese Zierkirsche blüht als einzige ihrer Art bei milder Witterung im Herbst. Die Stämme werden nachts beleuchtet.



Funktion
Die vorgeschlagen Raumgliederung ermöglicht ein Wechselspiel zwischen einem Bereich des
Gedenkens, einem zentralen Bereich der Information und einem Bereich der Kontemplation.

Der Raum zwischen Brückenbastion und dem Kirschhain wird als zentraler Ort der historischen Information ausgestattet. Hier werden die Bildträger als dichte Gruppe verortet. Die Bildträger sind dabei drehbar ausgelegt und so in verschiedener Weise in Beziehung zueinander gestellt. Sie werden bewusst konzentriert angeboten und in unmittelbarer Nähe zum Mauerweg und zur Brücke.

Der Bastionsbereich an der Brücke wird als „entrückter“, sehr eigener Raum gelesen, der Brücke und der Weite der Bahnanlagen zugewandt. Mit Blick auf den Mauerweg auf dem ehemaligen Grenzverlauf wird hier der Ort des öffentlichen Gedenkens mit dem Gedächtnisstein seinen Mittelpunkt haben.

Der gesamte Raum soll sich auch sinnlich und kontemplativ erschließen. Die Ereignisse des
Tages lassen sich körperlich in einem kurzen Rundgang ermessen, der Gang durch den Hain lässt Beengung und offene Weite erleben.


Zusatzvorschlag
Der Platz des 9.November gewinnt in der Anbindung an den Mauerweg seine entscheidende Zentralität und Bedeutung auch für den gezielten Besuch. Es ist bedauerlich, dass in der Nähe
keine barrierefreie Verbindung zwischen den Ebenen vorhanden ist. Eine Verbindungsrampe ist im vorgesehenen Budget nicht umsetzbar. Ein Andocken einer Wenderampe unmittelbar
an der Bastion soll jedoch ermöglicht werden.