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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2010

Universität Osnabrück - Neubau einer Bibliothek am Westerberg

Anerkennung

Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH

Architektur

Erläuterungstext

DAS ZUSAMMENSPIEL VON INNEN- UND AUSSENRÄUMEN
In dem Zusammenspiel von verschiedenen Gebäuden und Freiräumen, die für das Funktionieren und die Aufenthaltsqualität des zukünftigen Hochschulcampus maßgebend ist, übernimmt der Bibliotheksneubau städtebaulich und programmatisch eine entscheidende Rolle. Der Bibliotheksneubau markiert den Anfang des Hochschulareals und bildet den Auftakt einer Abfolge verschiedener Hochschulbauten und öffentlicher Räume entlang der Barbarastrasse. Für die städtebauliche Wirkung der neuen Bibliothek ist entscheidend, dass sie eine direkte räumliche Verbindung zu den unmittelbar angrenzenden Freiräumen aufnimmt und zugleich, als das Entree des Hochschulareals, eine zeichenhafte Wirkung in der Fernsicht entwickelt. Der klare rechteckige Baukörper der Bibliothek schließt im Norden die zukünftige Anlage des neuen Hochschulforums. Er orientiert sich mit seinen großen Öffnungen zu dem vorgelagerten Stadtplatz und zum Innenraum des Forums. Die Öffnungen markieren die wichtigsten Bereiche und Innenräume der Bibliothek und wirken als eine Fortsetzung der Freiräume innerhalb des Bibliotheksbaus. Von Außen betrachtet, werden sie als grosse „Schaufenster“ wahrgenommen. Sie entwickeln eine zeichenhafte Wirkung und ermöglichen Einblicke in das, ansonsten aus funktionalen Gründen abgeschlossene, Innenleben der Bibliothek.

VIELFALT IN DER EINHEIT
Die neue Bibliothek ist weniger ein „Wissensspeicher“, als ein gemeinschaftlicher Ort des Studiums mit unterschiedlichen Lese- und Studienangeboten. Die Organisation der beiden Bibliotheken und des gemeinsamen Eingangsbereiches um zweigeschossige, nach außen ausgerichtete Lesesälen und Galerien ermöglicht eine klare Orientierung innerhalb des Gebäudes. Jede der beiden Teilbibliotheken kann separat erschlossen werden und unabhängig funktionieren. Die Uni- und FH Bibliothek sind übereinander angeordnet und durch den zentralen Erschließungskern mit dem gemeinsamen Eingangsbereich verbunden. Durch die gemeinsame Haupterschließung und die übergeordneten Räume wird bewusst die räumliche Einheit des Bibliotheksneubaus unterstützt. Beide Bibliotheken und die einzelnen Bereiche innerhalb der Bibliotheken sind klar verortet und erkennbar. Die zweigeschossigen Lesebereiche definieren den Mittelpunkt der jeweiligen Teilbibliothek. Sie werden als ein zentraler, gemeinschaftlicher Raum konzipiert, um den sich verschiedene individuelle Einzelarbeitsbereiche an den Galerien, innerhalb der Freiraumagazine und entlang der Außenfassaden gruppieren.

DIE BIBLIOTHEK ALS RAUMFOLGE
Das Innere der Bibliothek ist als eine Abfolge von verschiedenen öffentlichen Räumen konzipiert, die in direkter räumlicher Verbindung zueinander und zu den anliegenden Freiräumen des Hochschulcampus stehen. Die übergeordneten öffentlichen Räume bestimmen die innere Struktur des Bibliotheksbaus. Die Öffentlichkeit nimmt, ausgehend von den zentralen Bereichen, stufenweise ab. Sie differenziert sich entsprechend den unterschiedlichen Tätigkeiten, die innerhalb des Gebäudes ihre spezifische Lage finden. Alle öffentlichen Bereiche verfügen über eigene, inszenierte Verbindungen nach Außen. Die Öffnungen lenken und rahmen Blicke in die umliegenden Freiräume bzw. in die Innenräume der Bibliothek. Die räumlichen und funktionalen Wechselwirkungen der Bibliothek verleihen den einzelnen Nutzungsbereichen einen unverwechselbaren Charakter, Orientierung und eine hohe Aufenthaltsqualität. Es entsteht ein Haus der kurzen Wege und sich überlagernder, dabei jedoch klar räumlich definierter und hierarchisierter Bereiche. Die Bibliothek lebt von der Spannung zwischen Innen und Außen, zwischen Räumen unterschiedlicher Öffentlichkeit, von den Beziehungen dieser Räume untereinander und zu den anliegenden Stadträumen.
Die Raumfolge beginnt im Foyer der Bibliothek an der Barbarastrasse und setzt sich in der Bibliothekshalle fort. Hier sind die wichtigsten gemeinsamen Einrichtungen der beiden Bibliotheken angeordnet: die Ausleihe, die Vortrags- und Schulungsräume, die Lehrbücher und der zentrale Erschließungskern, welcher alle Nutzungsbereiche verbindet. Die Raumfolge wird in den beiden aufeinander folgenden Lesesälen der beiden Teilbibliotheken weiter geführt. Die Grenzen zwischen verschiedenen Bibliotheksbereichen und zwischen Innen- und Außenräumen bleiben dabei immer wahrnehmbar, die Räume sind klar begrenzt, es besteht immer die Wahl zwischen unterschiedlichen Räumen, Aufenthaltsbereichen, Blicken und Ausblicken.

EINHEITLICHKEIT UND KÖRPERHAFTE WIRKUNG
Die Materialität und die Architektursprache des Gebäudes sind zurückhaltend. Die gleichmäßig umlaufende Struktur aus tief profilierten, raumhohen Fertigteilen aus Architekturbeton wird unterbrochen und gegliedert durch große Öffnungen der innen liegenden öffentlichen Räume. Die äußere Gestaltung der Bibliothek betont die körperhafte Wirkung des Gebäudes. Diese wird durch die unterschiedliche Gliederung des Baukörpers erreicht. Dabei entsteht in dem Blick aus verschiedenen Richtungen ein einheitliches, zugleich jedoch abwechslungsreiches Erscheinungsbild. Die Fassade ermöglicht verschiedene Lesbarkeiten. Sie kann z.B. als unterschiedlich große, im Regal stehende Bücher, oder als ein großer „Vorhang“ gelesen werden, der sich teilweise zur Seite schiebt, um Einblicke in die Bibliothek zu ermöglichen. Die großen Fenster können auch als Bühnenöffnungen verstanden werden, die sich zu dem getreppten Freiraum des Forums orientieren und möglicherweise die geplante Bühne des Forums ergänzen.

TRAGWERK
Das Gebäude wird als fugenloser Stahlbeton-Skelettbau geplant. Die Decken werden im Regelfall über tragende Bauteile in den Außenfassaden und ein regelmäßiges Stützenraster von 6x6 m abgetragen und als punktgestützte Stahlbetondecken ausgebildet. Oberhalb des Learning Resources Centers, im Erdgeschoß, werden drei Stützen über den Balken in der Decke im Erdgeschoss abgefangen. Die Horizontalaussteifung für die anfallende Windbeanspruchung wird über aussteifende Treppen- und Aufzugskerne realisiert. Die Gründung erfolgt auf Einzel- und Streifenfundamenten. Unterhalb der Ergeschoßsohle sind Installationskanäle zur Leitungsführung vorgesehen.

VORBEUGENDER BRANDSCHUTZ
Das Bibliotheksgebäude (Gebäude mittlerer Höhe) wird als Sonderbau eingestuft, die Beurteilung erfolgt nach der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen und in Teilen nach der Sonderbauverordnung NRW (Versammlungsstätten, Verkaufsstätten).
Die Bibliothek wird von den Fahrzeugen der Feuerwehr über das angrenzende öffentliche Straßenland erreicht, eine Umfahrung ist möglich. Aufstellflächen für Fahrzeuge der Feuerwehr auf dem Grundstück sind nicht erforderlich, da das Gebäude nicht mehr als 50 m von der Straße entfernt liegt und alle Aufenthaltsräume über jeweils zwei bauliche Rettungswege verfügen.
Das viergeschossige Gebäude wird aufgrund der erhöhten Brandlast, der Größe (Länge ca. 130 m, Brutto-Grundfläche pro Geschoss ca. 4.000 m²) und der geschossübergreifenden Lichthöfe mit Sprinkleranlage, Brandmeldeanlage und bezüglich der offenen Hallen, Freihand- und Lesebereiche mit maschineller Entrauchung ausgestattet. Das Gebäude wird durch eine innere Brandwand in zwei Brandabschnitte unterteilt.
Im Gebäude werden im Freihand- und Lesebereich in der Regel keine notwendigen Flure ausgebildet, die Rauchfreihaltung der offenen Zonen erfolgt über Rauchschürzen, die um die Deckenöffnungen der Lichthöfe angeordnet sind, sowie durch die maschinelle Entrauchungsanlage. Die vertikale Verbindung von Geschossen über Deckenöffnungen ist zudem in jedem Brandabschnitt auf maximal zwei Geschosse begrenzt. Die Rauchfreihaltung soll abschließend durch eine Simulation nachgewiesen werden.
Zum Schutz vor Raucheintritt werden die Wände der an die offenen Freihandbereiche grenzenden Räume, die Wände von Lager, Magazin und EDV-Arbeitsräumen (LRC) in F90-AB, die Türen als T30-Rauchschutztüren, gebaut. Die geschlossenen Magazine im Erdgeschoss sind in Einheiten von maximal 500 m² unterteilt.
Die Rettungsweglängen werden eingehalten: Sie betragen aus den Aufenthaltsräumen bis zum notwendigen Treppenraum maximal 35 m. Innerhalb des offenen Bibliotheksbereichs ist ein notwendiger Treppenraum im Regelfall in einer Entfernung von 25 m erreichbar. Die Versammlungsräume mit einer Netto-Grundfläche > 100m² verfügen jeweils über zwei Ausgänge
Es werden jeweils zwei bauliche Rettungswege erreicht: Die Anzahl der notwendigen Treppen, die Treppenlaufbreiten und die Ausgangsbreiten ins Freie wurden nach den Maßgaben für Versammlungsstätten ermittelt, sie betragen jeweils mindestens 1,20 m im Lichten (weitere Modulschritte: 60 cm) und sind für die Benutzerströme ausreichend vorhanden.
Die tragende Bauteile, die Geschossdecken und die Trennwände werden in allen Geschossen in der Feuerwiderstandsklasse F90-AB, das Dach als harte Bedachung gebaut. Die Außenwände bestehen aus nichtbrennbaren (A) Baustoffen, die Wärmedämmung aus schwerentflammbaren (B1) Baustoffen.
Die haustechnischen Installationen werden auf Grundlage der Leitungsanlagenrichtlinie NRW bzw. der Lüftungsanlagenrichtlinie NRW ausgeführt. Versammlungsräume > 200 m² Netto-Grundfläche, der Magazinbereich und die Lagerräume erhalten jeweils Rauchabzüge über Fenster in der Größe von 2% der Nettogrundfläche. Die offenen geschossübergreifenden Hallen, Freihand- und Lesebereiche werden geschossweise maschinell entraucht.
Das Gebäude wird flächendeckend mit Sprinkleranlage und Brandmeldeanlage sowie mit Feuerlöschern, Sicherheitsbeleuchtung und Sicherheitsstrom-versorgung ausgerüstet.

TECHNISCHE GEBÄUDEAUSRÜSTUNG

Das Konzept der technischen Gebäudeausrüstung zielt darauf ab, möglichst wenig Luft durch das Gebäude zu transportieren, da Luft ein wesentlich schlechterer Wärmeträger als Wasser darstellt. Ziel ist es, die Lüftungsanlagen auf das zwingend notwendige Maß zu reduzieren, um Herstellungs- Verbrauchs- und Wartungskosten zu minimieren. Die Bürobereiche erhalten keine mechanische Be- und Entlüftung, sondern werden über öffenbare Fenster natürlich be- und entlüftet.

Seminarräume sowie die Bibliothek selbst erhalten Teilklimaanlagen, um die Räumlichkeiten im Sommer nicht mit der warmen Außenluft zusätzlich zu den inneren Wärmelasten aufzuheizen.
Den Bereichen wird lediglich die hygienisch notwendige Außenluftmenge zugeführt.
Alle Teilklima- und Lüftungsanlagen werden mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung und automatischen, bedarfsabhängigen Drehzahlregelungen ausgerüstet.

Zur weiteren Senkung der Betriebskosten für Heizung und Nachtauskühlung schlagen wir vor, alle Betondecken über ein beim Betonieren eingelegtes Rohrsystem zur Grundheizung im Winter und Nachtauskühlung im Sommer auszustatten.
Die Kühlung der Betondecken in der Nacht über das hierin eingelegte Rohrsystem (und somit der Räume) im Sommer wird nicht durch Kältemaschinen erreicht, sondern durch Naßkühltürme über den Verdunstungsprozess.
Im Winter wird das Rohrsystem mit Heizungswasser durchströmt und dient somit der Grundlastabdeckung.

Da Fernwärme zur Verfügung steht schlagen wir vor, diese zur Gebäudebeheizung und Gebäudekühlung im Sommer heran zu ziehen. Die Raumbeheizung und –kühlung erfolgt durch die Betonkerntemperierung (BKT) sowie zur zusätzlichen Beheizung mit Unterflurkonvektoren. Das Rohrnetz wird auch als wasserführendes 2-Leiter-System ausgeführt.
Die Anbindung der BKT und der Heizflächen erfolgt im 2-Leiter-System über eigene Kreise vom Verteiler der Technikzentrale aus.

Das Regenwasser der Dachflächen wird zwischengespeichert und zur Regulierung des vorhandenen Wasserlaufs kontinuierlich abgeführt und zur Toiletten- und Urinalspülung verwendet, um den Wasserbedarf und damit die Betriebskosten dauerhaft zu senken. Für die Toiletten- und Urinalspülung ist keine Trinkwasserqualität erforderlich.

Der zur Ausführung gelangende Sonnenschutz wird im oberen Bereich zur Tageslichtlenkung verwendet. Je nach Raumnutzung muss dieser Teil ebenfalls verstellbar sein, um ein Abdunkeln der Räume bei Videovorträgen zu ermöglichen.
Durch diese Konzeption entstehen geringe Investitionskosten und gleichzeitig geringe Stromkosten zur Ausleuchtung der Räume.

Zur Reduzierung des Stromverbrauchs werden alle Leuchten mit integrierter, tageslichtabhängiger Helligkeitsregelung und Präsenzmelder ausgerüstet.
Bei Betreten der Räume schaltet sich die Beleuchtung automatisch auf die eingestellte Beleuchtungsstärke ein.
Der Präsenzmelder wird gleichzeitig zum Abschalten der geforderten Außenluftmengenzuführung genutzt.