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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2011

Umgestaltung der Kirche Sankt Bartholomäus (Köln-Ehrenfeld) in ein Kolumbarium

Innenraumperspektive

Innenraumperspektive

1. Preis

Preisgeld: 5.000 EUR

KISSLER EFFGEN + PARTNER Architekten BDA PartG mbB

Architektur

Erläuterungstext

Idee

Ein Sakralraum wird zur Grabeskirche, zu einem Ort der letzten Ruhe. Hierfür gewählt eine Kirche aus den 50-er Jahren, St. Bartholomäus in Köln, eine Betonkonstruktion äußerster Schlichtheit und Konzentration, das Licht im Inneren gefiltert durch die von Giselbert Hoke gestalteten Fensterwände, nachempfunden dem Sonnengesang des hl. Franz von Assisi:

Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in schwerer Sünde sterben.
Selig jene, die sich in deinem heiligsten Willen finden,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.

Um diese Kirche zu einem Kolumbarium zu machen, muss absolut nichts getan werden, außer 2000 Urnenkammern in Verbindung mit einem Sakralraum sinnhaft in die Gesamtkomposition zu integrieren. Alles andere ist schon da.

Entwurf

Zentrale Entwurfsidee ist es daher, mit dem Einbau des Kolumbariums den räumlichen Charakter des Mittelschiffs als wahrnehmbaren Großraum zu erhalten. In diesem Sinne werden die Urnenkammern umlaufend an der Peripherie des Mittelschiffs angeordnet und zur quantitativen Optimierung kammartig aufgefaltet. 10 nischenähnliche Kabinette entstehen, die den Trauernden zwar aus dem unmittelbaren Großraum herausnehmen und ihn schützend bergen, den Gesamtraum aber nicht verwischen. Im Zentrum der Grabesanlage wird die Kapelle organisiert. Die erforderliche inhaltliche Abgrenzung zum Großraum der neuen Grabeskirche erfolgt räumlich über ein abgehängtes, transparentes Metallnetz. Kapelle und Kolumbarium sind dadurch separiert aber auch gemeinsam wahrnehmbar, sie verschmelzen räumlich miteinander. Ähnlich einer durch ein Gazegewebe zweigeteilten Theaterbühne können sie zu verschiedenen Zeiten bespielt werden.

Licht

Wie im Theater wird die räumliche Staffelung vor bzw. hinter dem Netz durch pointiert gesetztes Kunstlicht unterstützt. Während des Gottesdienstes ist der Kapellenraum hell (s.a. Lichtstimmung Perspektive), zu den übrigen Zeiten dient das Netz als Lichtreflexions- und -verteilungsmedium für das Kolumbarium. Anordnung und Art der künstlichen Beleuchtung muss empirisch erprobt werden, als geometrische Orte stehen der obere Profilabschluss des Netzes sowie beide Galerien über den Seitenschiffen zur Verfügung. Ansonsten werden je Kabinett Teile der bronzenen Urnenanlage punktuell akzentuiert. Grundsätzlich soll jedoch der Raum - wie bereits durch die Fenstergestaltung vorgegeben - tendenziell gedämpftes Licht erhalten, unterstützt durch Kerzenlichter, die der Grabeskirche die gewünschte kontemplative Stimmung geben.

Kolumbarium

Die Urnenkammeranlage ist im Hauptschiff als wandseitig umlaufende und vertikal in 6, bzw. 7 Ebenen geschichtete Stahlkonstruktion vorgesehen, die raumseitig mit Bronzeblechen und –profilen bekleidet ist. Eine genaue Materialisierung müsste nach Bemusterung noch vorgenommen werden, Baubronze oder Aluminiumbronze kommen in Frage. Entscheidend vor dem Hintergrund des rauhen Sichtbetons ist die Metall-Legierung, die letztendlich Oberfläche, Farbe und Glanzgrad des Metalls bestimmt.

Die tendenziell immer etwas ungünstigere, weil tiefe, untere Ebene ist bei den außen umlaufenden Urnenkammern horizontal angelegt, d.h. sowohl Urne als auch Grabstein werden von oben in die Waagrechte gesetzt. Die Urnenkammeranlage der „Kämme“ sind hingegen nur mit jeweils 6 Ebenen ausgestattet, die untere Ebene beginnt hier erst ab einer Höhe von ca. 60 cm über Fußboden. Insgesamt entstehen 2144 Urnenkammern.
Durch die Auffaltung der Urnenkammeranlage bilden sich 10 Kabinette aus, die im Zentrum jeweils eine Sitzmöglichkeit erhalten. Zur Betonung der individuellen Trauersituation innerhalb eines Kabinetts erfolgt am Übergang zwischen Umgang Kapelle und Kabinett ein Belagwechsel im Fußboden. Im mittleren Kapellenbereich einschließlich Umgang bleibt der Bestandsboden erhalten, im Kabinettbereich wird er einschließlich Estrich abgetragen und dafür ein rollstuhlgerechtes, spezial verdichtetes Kies/Splittbett vorgesehen.

Eine Urnenkammer hat die Abmessung von ca. 30 x 30 x 35 cm (l/b/h). Zwei oder mehr nebeneinander bzw. übereinander liegende Kammern ergeben ein Familiengrab.
Die Kammern sind bauseitig mit einem Bronzeblech verschlossen, in das am unteren Rand ein ca. 100 x 40 mm großes Bronzeschild mit einer vierstelligen Grabkammernummer zur besseren Auffindung eingelassen ist. Bei Belegung dieser Urnenkammer wird der Frontplatte ein 20 mm starker Naturstein vorgesetzt, in den frei, d.h. ohne gestalterische Vorgabe Informationen zu dem Verstorbenen eingearbeitet werden können. Dabei wird auf der Rückseite der bereits erwähnten Nummernplatte der Name des Verstorbenen eingraviert. Wird das Grab nach 20 Jahren aufgegeben, so wird in Verbindung mit der Überführung der Asche das Namensschild in die Wände des Ewigkeitsraumes in dafür vorgesehene Felder eingesetzt.

Der Grabstein selbst kann am unteren Rand optional mit einer im Querschnitt ca. 60 x 40 mm großen, zum Naturstein passenden Steinleiste ergänzt werden, in die zwei runde Ausnehmungen für eine Kerze bzw. eine Vase mit Einzelblume vorgesehen sind.

Kapelle

Der im Zentrum der Kirche positionierte Sakralraum wird durch ein umlaufend abgehängtes, und zur Bronzefarbe der Urnekammern passendes, gold glänzendes Metallnetz aus Tombak, einer Messinglegierung aus Kupfer, Zink und Blei definiert. Das Gewebe ist transparent; von jedem Standort - ob innerhalb oder außerhalb - ist der Gesamtraum der Kirche wahrnehmbar. Im Zusammenhang mit der Kolumbariumsstruktur werden 3 offene Zugänge vorgesehen. Der bestehende Altar wird entsprechend der Kapellengröße in der Mitte geteilt und eine Hälfte an dem neuen Standort wieder verwendet. Gleiches gilt für Ambo, Osterkerze sowie einen Teil der schlichten Holzbänke. An der Außenseite des Metallnetzes werden umlaufend die 14 Kreuzwegstation des Künstlers Ludek Tichy angeordnet.

Seitenschiffe

Die bestehenden Haupteingänge an der Platzseite werden beibehalten, der südliche Nebeneingang ebenso. Über vorgelegte Rampen wird die Kirche barrierefrei erschlossen. Die Seitenschiffe werden im Grundsatz baulich nicht verändert. Im südlichen Seitenschiff mit separatem Zugang wird der seelsorgerische Bereich organisiert. Die jetzige Sakristei wird zum festen Arbeitsplatz, am Standort Beichtstuhl mit Glaswänden ein Besprechungsraum abgetrennt, die zwischenliegende Toilettenanlage mit Behinderten-WC umgestaltet. Zur besseren Belichtung des Arbeitsplatzes wird vorgeschlagen, in den 15 quadratischen Wandöffnungen die Glassteine durch rahmenlose Festverglasungen zu ersetzen und dadurch zu versuchen, die Außengestalt nicht durch eine konventionelle Fensteröffnung zu verändern.
Im nördlichen Seitenschiff werden lediglich die Funktionen neu geordnet. In der Abfolge des Betretens wird zunächst ein Opferkerzenständer angeordnet, hier könnte auch der Taufstein in Verbindung mit der gewünschten Wasserzapfstelle einen festen Ort erhalten. Es folgt der Tabernakel, dessen Standort in Verbindung mit dem seitlichen Kapellenzugang neu definiert wird. Im weiteren Verlauf wird schlussendlich der Ewigkeitsraum vorgesehen, eine ca. 3,0 x 1,80 x 2,50 m (l/b/h) große, ebenfalls mit Bronzeblech verkleidete Betonkonstruktion, die ca. 1,50 m in den Boden eingelassen ist und entsprechend nur 1,0 m hoch, tischartig im Raum steht. Oberseitig, sowie an allen Wänden ist ein Schienensystem vorgerichtet, in das bei Überführung der Asche in den Ewigkeitsraum ein Namensschild des Verstorbenen eingeschoben werden kann. Aus diesem Grund ist der Ewigkeitsraum allseitig umgehbar.

Es ist davon auszugehen, dass die Galerien oberhalb der Seitenschiffe als Technikorte für Kunstlichtstrahler Verwendung finden. Gleichwohl können die Galerien auch für Orgel, Chorgesang oder für Besucher wie bisher genutzt werden. Weitere Funktionalitäten sind nicht vorgesehen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Zentrale Entwurfsidee ist es, mit dem Einbau des Kolumbariums den räumlichen Charakter des Mittelschiffs
als wahrnehmbaren Großraum zu erhalten. In diesem Sinne werden die Urnenkammern umlaufend an der Peripherie des Mittelschiffs angeordnet und zu insgesamt zehn umlaufenden nischenartigen
Kabinetten gestaltet. Die neue Grabeskirche im zentralen Raum wird durch ein abgehängtes,
transparentes Metallnetz abgegrenzt. Punktuelle Lichtakzente inszenieren die Grabeskirche bzw. die Urnenkammern. Kapelle und Kolumbarium sollen dadurch separiert, aber auch gemeinsam wahrgenommen werden können. Diese Anordnung wird aus liturgischer Sicht begrüßt.
Durch die Anordnung des Gottesdienstraumes im Zentrum der Kirche, umfasst von den den Innenraum
umlaufend rahmenden Urnenwänden, wird der ursprüngliche Raumeindruck weitgehend
erhalten. Ob eine Differenzierung in der vorgeschlagenen materiellen Form erforderlich ist, wird seitens des Preisgerichts kritisch betrachtet, ebenso die Frage, ob die Höhe der Urnenwände in Bezug zur Unterkante der Emporen, die das räumliche Kontinuum Kirchenschiff – Seitenschiffe unterbinden, richtig gewählt ist.
Das Konzept der Urnenwände mit Ausbildung von kabinettartigen Teilnahmen erlaubt gleichzeitig die weitestgehend unhierarchische Platzierung der Urnen und bietet angemessenen Raum für das kontemplative Gedenken. Die Ausbildung der Urnenwände und der Urnenkammern ist anspruchsvoll;
kleine Gesimse bieten Platz für individuelles Gedenken wie Blumen und Kerzen.
Die geforderten Nebenräume sind funktional angeordnet; die Emporen verbleiben unverändert. Zu Belichtung und Beleuchtung werden keine Aussagen getroffen, ebenso fehlen teilweise Aussagen
zum Verbleib der Sakral- und Kunstgegenstände.
Aus denkmalpflegerischer Sicht wird die Verlegung des Altarbereiches kritisiert. Die strenge kubische
Form des Ursprungsentwurf wird geschickt weiter entwickelt.
Der bauliche Aufwand scheint mit dem vorgegebenen Budget umsetzbar zu sein. Zudem zeigt das Konzept eine funktional anspruchsvolle Umsetzung und einen gestalterisch und innenräumlich angemessenen Lösungsvorschlag für die Kirchengemeinde und die Situation.
Innenraumperspektive

Innenraumperspektive

Grundriss

Grundriss

Isometrie

Isometrie

Schnitt

Schnitt

Detail Urnengrabanlage

Detail Urnengrabanlage