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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2005

Projekt- und Ideenwettbewerb Thun Süd mit Präqualifikation Fussballstadion mit Leichtathletikanlagen und Rasenspielfeldern sowie Grossverkaufsflächen

4. Preis

EM2N

Architektur

weberbrunner architekten zürich&berlin

Architektur

Erläuterungstext

Stadion Thun Süd

Freizeitlandschaft in der Ebene
Der Ort liegt in der Talebene zwischen den Ortskernen von Thun und Allmendingen in einer Landschaft aus Landwirtschaftsflächen und Infrastrukturen, eingefasst von einer voralpinen Bergkulisse. In dieser Ebene breiten sich Sport- und Freizeitnutzungen aus, gegliedert durch grosszügige Grünflächen und einzelnen Baumreihen.

Wir sind der Meinung, dass es falsch wäre, hier ein Zeichen zu setzen, oder gar ein Stadttor zu formulieren. Der Ort ist nicht der „Eingang“ zu Thun. Das Programm bietet nicht genügend Masse, um hier in der Ebene ein klares Zeichen zu setzen. Und selbst grosse Gebäude können es nicht wirklich mit der umgebenden Berglandschaft aufnehmen. Statt dessen wählen wir eine Strategie der Integration. Das Volumen legt sich unaufgeregt in die flache Landschaft. Die zurückhaltende Architektur integriert sich in diese Sport- und Freizeitlandschaft durch ihre nicht-skulpturale Form und ihre neutrale Materialisierung. Diese bescheidene, entspannte Haltung passt gut zum sympathischen Image des FC Thun und zur Stadt Thun.

Shopping im Wandel
Einkaufen ist nicht mehr nur Zweckerfüllung, sondern mittlerweile die beliebteste Freizeitaktivität der Schweizer. Die Zeit der gesichtslosen Container-Malls ist vorbei. Überall im Land entstehen spezielle Einkaufszentren, die den Besuchern das gewisse Etwas mehr bieten wollen: Innere Welten, Themen, Attraktionen. Bern-Brünnen, Ebisquare, Sihlcity sind nur einige solche Projekte, die das Einkaufserlebnisneu definieren. Diese Projekte sind Pionierprojekte. Sie erfinden neue Orte, und gehen dadurch gewisse Risiken ein. Doch sie bieten auch Chancen: das Entstehen einer neuen Öffentlichkeit jenseits bekannter Urbanität, und dies an Orten, die bisher nicht durch räumliche und gestalterische Qualität überzeugten.

Fussball im Wandel
Umgekehrt wandelt sich die Welt des Fussballs. Er wird stärker mediatisiert, professionalisiert und öffnet sich neuen Bevölkerungsschichten. Mit der steigenden Attraktivität des Frauenfussballs werden mehr Frauen die Stadien besuchen. VIP-Logen bieten betuchten Fans ein spezielles Stadionerlebnis. Und vermehrt werden Familien mit Kindern die Stadien füllen. Dies alles bedeutet, dass der Besuch eines Fussballspiels in Zukunft zum Freizeiterlebnis für alle Altersklassen, Geschlechter und Schichten wird. Dies stellt veränderte Anforderungen an neuen Stadien. Sie werden zu wichtigen öffentlichen Orten mit hohem städtebaulichen und gestalterischen Anspruch.

Hybrid: Ein spezieller Ort
Das Projekt Thun Süd atmet einen optimistischen, mutigen Geist. Man gibt sich nicht mit dem Erstbesten zufrieden. Wir möchten diesen Optimismus, diese sympathische Ambition, zu einem speziellen Projekt verdichten. Fussball und Mantelnutzung sollen dabei nicht nur eine Zweckehe eingehen, oder gar beziehungslos nebeneinander zu liegen kommen. Stattdessen schlagen wir vor, Fussballstadion und Einkaufszentrum miteinander zu verschmelzen, einen neuartigen Hybrid zu schaffen, der als dichter und vielschichtiger öffentlicher Ort ausstrahlen kann. Die räumliche Verknüpfung von Stadion, Shopping und Leichtathletik erzeugt Synergien, nicht nur beim Bauen, sondern auch beim Marketing des Produkts Stadion und im Betrieb, da Doppelnutzungen möglich sind.


Der Raum des Stadions und der Boulevard
Stadien sind faszinierende Orte. Das leere Rund als „heiliger“ Ort, ein grosser Raum ausserhalb der alltäglichen Erfahrungswelt, fasziniert genauso wie die gefüllte „Schüssel“. Genau dieses Potential zapft das Projekt an.

Wir legen die innere Zirkulation des Einkaufszentrums an die Schnittstelle zum Stadion. Es entsteht ein Boulevard mit Kiosken, Cafés und Bars und kleinen Geschäften, mit Durchblicken und Aussicht auf den Stadioninnenraum. Die Gegensätze verstärken sich: der Blick auf den grünen Rasen steigert das Shoppingerlebnis, der Stadieninnenraum wird zum atmosphärischen Aufhänger und Kontrapunkt für das Einkaufszentrum. Umgekehrt bereichert das Einkaufszentrum das Stadion: das Stadionrestaurant, das „Oberlandstübli“ und der Fanshop des FC Thun sind auch Teil des Stadions und stehen während des Spiels den Matchbesuchern zur Verfügung. Über den Umgang oberhalb der Tribünen werden Stadion und Shopping Center visuell zusammengebunden.


Erschliessung
Öffentlicher Verkehr und MIV werden konsequent voneinander getrennt. Während der MIV von der Weststrasse her auf das Gelände geführt wird, erschliesst der ÖV das Areal über die Allmendinger Allee. Rund ums Stadion entsteht ein verkehrsberuhigter Bereich, es wird kein motorisierter Verkehr über das Gelände geführt. Der Veloverkehr wird entlang der Weststrasse geführt und durchquert das Gelände an mehreren Stellen orthagonal.


Stadion
Das Stadion ist als allseitiger Kessel konzipiert. Während auf der Haupttribüne 3265 Besucher Platz finden, verfügt die Gegentribüne über 2232 Sitzplätze. Kopfseitig können je 1693 Sitzplätze angeordnet werden. Besucherführung: Die Zutrittskontrolle kann auf einfache Art erdgeschossig vorgenommen werden. Anschliessend werden die Besucher über Treppen auf den obenliegenden Umgang geführt. Von hier aus sind alle Tribünen denkbar einfach von oben herab mit Treppen erschlossen. Während der Pause dient der Umgang als Pausengalerie mit Blick auf die umliegenden Trainingsplätze. Die Gegentribüne und die Heimkurve profitieren vom Zugang zu den Restaurants und den Kiosken des Einkaufszentrums. Hier besteht die Möglichkeit, im Rahmen des Stadionbesuchs mehr als nur Bratwürste zu essen. Die Haupttribüne verfügt über eigene grosszügige Räumlichkeiten für VIPs und Gäste (Catering).

Shopping
Das Einkaufszentrum liegt über der Parkgarage im 1. OG. Breite Treppen und Rolltreppen führen direkt hinauf in den Boulevard. Er bildet das räumliche Rückgrat des Shoppings, wird über Oblichter mit Tageslicht versorgt und wartet mit visuellen Beziehungen ins Innere des Stadions auf. Das Einkaufszentrum ist über eine zentrale Anlieferung im EG an der Ostseite des Gebäudes erschlossen. Von hier aus werden die Waren zwischengelagert und mit Warenliften nach oben geschafft. Die Feinverteilung erfolgt über Korridore, die gleichzeitig als Fluchtwege dienen. Das Einkaufszentrum kann sehr flexibel ausgelegt werden. Mit dem Boulevard und der zentralen Anlieferung existieren zwei Festlegungen. Ansonsten kann die Fläche frei eingeteilt und erschlossen werden.

Ausdruck
Der neue Hybrid wird weder durch die farbigen Zeichenwelt seines kommerziellen Inhalts noch durch das Thema Stadion dominiert. Statt dessen verhüllt eine Fassade aus perforiertem Blech die dahinter liegenden Nutzungen. Wie durch einen Schleier hindurch wird die innere Welt gleichzeitig verhüllt und ankündigt. Vor dem Hintergrund dieser Membran leuchten die grossen Glasflächen der Eingänge zum Einkaufszentrum und zur Haupttribüne und führen die Besucher ins Innere.

Umgebung
Die Umgebung bleibt grün und ist weiterhin als offener Landschaftsraum spürbar. Das Stadion legt sich mitsamt seiner Erschliessung wie eine Insel in diese grüne Ebene. Das Asphaltband rund um den Baukörper nimmt sämtliche nötige Funktionen auf wie Veloparkierung, Wegleitung, Bushaltestelle, TV-Stellplätze usw. Zwischen den Teilarealen A, B und C1 erfolgen gewisse Umlagerungen und Anpassungen. Der zugedohlte Bach wird zwischen dem Leichtathletikstadion und dem Schrebergartenareal offen geführt und wird mit Baumpflanzen räumlich spürbar gemacht. Das Haus Holderbank wird in diesen Baustreifen integriert und kann einer öffentlichen Nutzung zugeführt werden.

Leichtathletik
Das Leichtathletikstadion bildet den Übergang zum angrenzenden Schrebergartenareal. Es entwickelt sich aus dem Terrain heraus und tritt räumlich kaum in Erscheinung, um den Fluss der offenen Landschaft nicht zu stören. Während der Geräteraum ins Terrain abgesenkt wird, bildet das langgestreckte, einfache Dach der Tribüne das einzige sichtbare Zeichen.

Konstruktives Konzept/ Materialisierung
Durch die Einbettung des Volumens wird versucht, Aushub und Erdbewegungen zu minimieren. Das Gebäude ist zum Teil unterkellert und flach fundiert. Wo die Tragstruktur direkt auf dem Erdboden aufsitzt wird punktuell fundiert. Die Tragstruktur basiert auf einem regelmässigen Konstruktionsraster mit wirtschaftlichen Spannweiten von 8 x 8m. Konventionelle Flachdecken liegen auf Betonstützen, im Fassadenbereich filigrane Stahlstützen. Die Tribünen werden aus Betonfertigelemente gefügt, die auf vorgefertigten Betonrippen aufliegen. Das Tribünendach besteht aus einer Tragstruktur aus Doppel T -Trägern, die auf Betonstützen aufliegen, darüber liegen Sekundärträger aus Stahl und eine Dacheindeckung aus Trapezblechen. Das gesamte Dach ist extensiv begrünt. Die äussere schleierartige Fassade besteht aus gelochten Trapezblechen. Die Lochung ist inspiriert vom abstrahierten Fussball im Logo des FC Thun. Im Bereich des Stadions bildet diese äussere Schicht die gesamte Fassade. Im Bereich der Haupttribüne und des Einkaufszentrums liegen dahinter je nach Anforderung verschiedene Fassaden: geschlossene Kalksandsteinwände mit Aussendämmung oder verglaste Pfosten-Riegelsysteme.

Etappierbarkeit
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass das Stadion und das Shopping Center zusammen und nicht in Etappen nacheinander errichtet werden. Der Investor wird sich kaum dazu bereit erklären, das Bauland zu kaufen, ohne sicher zu sein, darauf bauen zu können. Und sobald die Baubewilligung für das Einkaufszentrum vorliegt, wird er auf den Baubeginn drängen, da die durch die Verzinsung des Landwerts entstehenden Kosten Druck erzeugen, zu bauen. Dennoch haben wir darauf geachtet, dass die zwei Programmteile Shopping Center und Fussballstadion separat realisiert werden können.