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Offener Wettbewerb | 05/2011

Parklandschaft Gatow – Urbane Landwirtschaft

Anerkennung

Gesa Königstein

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

UL Urbane Landwirtschaft – ein moderner neuer Stadtlayer
Aktuelle Stadtdiskurse, wie zum Beispiel Debatten zur Zwischenstadt, Randstadt und die Frage nach Lösungen, die immanent nachhaltig und prozessual zugleich sind, adressieren immer wieder das Instrument der Urbanen Landwirtschaft,UL.

Warum Urbane Landwirtschaft
UL hat das Potential ‚Neuen Aufgaben von Freiräumen im urbanen Kontext’ zu entwickeln und zu übernehmen – sowohl räumlich wie auch soziokulturell.

Um dieses optimal zu entwickeln ist UL nicht mehr als singuläres Element / Moment zu sehen, sondern als ein eigenständiger Stadt- und Freiraumlayer - ein neues urbanes Referenzsystem - zu definieren.

UL ist daher nicht mehr ausschließlich reine Primärproduktion – sie ist vielmehr grüne, produktive Infrastruktur, die anders als klassische Landwirtschaft über folgende Parameter definiert wird:

- multifunktional
- prozessual / periodizär
- multi-produktiv, i.S. von gestaltend partizipativ, selbstorganisierend (sozial, kulturell, natĂĽrlich produktive Prozesse) bis hin Forschung und Intensivlandwirtschaftszonen
- hybride Morphologien
- rural - urbane Kontraste

Vergleichbar mit der GFZ in der Architektur bilden jene Parameter einen ‚Urban agriculture spatial index’ (UASI), der Auskunft über Produktivität, Dichte, Kontrast und Prozesse gibt. Die Anwendung dieser Parameter (UASI) generiert:

- hochproduktiven Freiräume
- intensive Kulturräume
- neue Landschaftsbilder (Landschaftsbilder, welche weniger ein romantisierendes Abbild der Vergangenheit, sondern das Bild der zukünftigen Stadt und neuen rural-urbanen Räumen spiegeln)
- dynamische Pflege - Modi im Umgang mit Bestand und Sukzession

Entwurf Urbane Landwirtschaft
Diese moderne erste Definition zur UL ist die im Entwurf tonangebende Strategie zur Parklandschaft Gatow - die erstmalig hier Anwendung findet, um den Landschaftspark Gatow in seiner Eigenart neu und stark entwickeln zu können – als Kontrapunkt zum bereits funktionierenden UL Layer vor Ort (Selbstpflückerfelder, Pachtfelder, Reitsport und nachhaltiger Umwelt- und Abfallpolitik (Projekt Biogas der BSR). Initial wird für den Landschaftspark Gatow ein robustes, produktives Raumgerüst in Form einer multifunktionalen `grünen Infrastruktur´- einem Wegesystem mit Alley-Cropping und Kurzumtriebsplantage, Agrarfläche zur Mischnutzung, Sukzessionsfläche, Allmende mit Kulturterminals und Intensivlandwirtschaft mit Kultur- und Wissenschaftslaboren - vorgeschlagen. Die geplanten Initialsetzungen werden sich, je nach prozessualer Spezifika, in den Folgephasen verdichten und räumlich behaupten.

Neue Typologien ‚Urbane Landwirtschaft’ /// ‚Urban agriculture spatial index’ (UASI)
Ein Großteil der in Berlin verfügbaren / grünen Raumressourcen sind bereits Teil bzw. haben das Potential, Teil des neuen Stadtlayers ‚Urbane Landwirtschaft’ werden zu können. Im Zusammenspiel mit dem jeweiligen urbanen Kontext entwickeln sich unterschiedliche Typologien der UL, welche sich in Lage, Größe, Kontrast, Raumspezifika und planerisch-entwerferischen Umgang massiv unterscheiden. Folgende Typologien sind in Berlin zu finden, die jedoch in ihrer Eigenart UL zu stärken sind:

Perforationen
* prinzipiell kleinere Flächen und innerstädtische Baulücken in sehr dichter urbaner Struktur, die produktivkulturell umgewandelt werden (Bsp. Prinzessinnengärten, Moritzplatz).

Implantate
* Teilflächen in bestehenden ausformulierten Freiflächen, welche als Community Gardens oder kleinflächigere Primärproduktionsflächen (Bsp. Weinberg Stadion Wilmersdorf bzw. Kreuzberg) ausformuliert werden.

Bänder und Netze
* Flächen an vorhandenen Infrastrukturflächen / -systemen, welche sich aufgrund ihrer Lage, Größe und räumlichen Spezifika für Energieproduktion und Intensivnutzung im Rahmen von UL eigenen.

Transformationsräume
Großflächige Transformationsräume – die alternative raum-produktive Angebote zur ehemaligen Funktion in der Stadt bereitstellen (Bsp.TXL, Tempelhofer Feld).

Randstadt
* Freiflächen an der Schnittstelle zwischen urbanem und ruralen Raum – periurbane Schnittstelle aus Rudimenten ehemaliger landwirtschaftlicher Nutzung und suburbaner Fragmente. Dieser Wechselbeziehung ist eine `noch-nicht` oder `neu`- Definition der Eigenart des Raumes grundsätzlich immanent.

Landschaftsräumliche Einbindung
Die Fläche der Parklandschaft Gatow verbindet mehrere übergeordnete Landschaftsräume miteinander und fungiert somit als Gelenk und Verteiler. Über ein differenziertes Wegesystem werden diese Landschaftsräume räumlich miteinander verbunden. Darüber hinaus werden durch die Wegeführung wichtige visuelle Bezüge sowohl zu übergeordneten städtische/urbanen Elementen als auch Blickbezüge/-sichtachsen innerhalb der neuen Parklandschaft geschaffen. Durch spezifische, räumlich temporäre Landnutzungsformen entstehen kontinuierlich neue Blickbezüge, die den Raum abwechslungsreich erlebbar/erfahrbar machen.

Konzept Prozessuale Landschaften
Konzeptionell basiert der Entwurf auf einer phasenweise Entwicklung des Areals. Die Bilder, die diesem Prozess wesentlich sind, werden für die Besucher zuerst neuartig sein, da sie ihre Eigenart aus dem mannigfachen Verhältnis der Kontraste urban / rural beziehen. Die so erzeugten `prozessualenLandschaften sind somit die eigentlichen Entwerfer des Landschaftspark Gatow.

Akteure
Den zukünftigen Betreibern, Nutzern und Akteuren wird im Entwurf zusätzlich eine starke gestalterische Rolle zugeschrieben; ihr Handeln verändert - teils bewusst, teils unbewusst - die Parklandschaft beständig und impliziert damit keinen finalen Entwurfsklimax.

Das Gebiet wird durch ein neues Wege – und Flächensystem als `grüne Infrastruktur´ definiert, die von vier Hauptakteuren initiiert und entwickelt werden wird:

- Energiebauer: neue Infrastruktur, Wegesysteme und ausgewiesene Agrarfläche
- Technobauer: Intensivlandwirtschaft, Forschung, Freizeit (Areal des ehemaliger SchieĂźplatz)
- Kulturbauer: Prärie aus Allmende, Sukzessionsfläche, DIY-Landschaft (do it yourself),
Experimentierfelder und Landschaftsterminals
- UA Bauer: Agrarfläche unter Verwendung innovativen Anbaumethoden – pfluglose Landwirtschaft, Mischkultur, 3 Felder Wirtschaft inklusive biologischer Anbau

Produktivität
Produktivität von UL in diverser Form – von sozial, kulturell-forschend bis hin zu klassischer Primärproduktvität werden das Raumgerüst stetig ´verwandeln`. Dabei liegt jedem Feld des Entwurfes eine einzigartige Dynamik zugrunde.

Infrastruktur und Wegesysteme
Das im Entwurf vorgeschlagene Raumgerüst basiert auf einer mehrdimensionalen Infrastruktur, die das Gebiet in der Durchwegung gliedert und den `grünen` dreidimensionalen Raum in Abhängigkeit der Produktivitätsstadien aufbaut. Die Infrastruktur setzt sich aus einem differenzierten Raumsystem aus hochproduktiven Kurzumtriebsplantagen, Landschaftsstationen und diversen Saummodulationen zusammen. Das eingebettete Wegesystem gliedert sich in Landwirtschaftswege, welche auch als Radwege fungieren, einen Skaterweg, einen Reiterweg und Fußgänger / Spaziergängerweg.

Die Landschaftsstationen – Aufenthaltsorte / `belle vue`– sind zugleich auch Ausweichbuchten für landwirtschaftliche Fahrzeuge und Traktoren. Aufgrund der angestrebten Anbaumethode `pfluglose Landwirtschaft` wird die Nutzung von Großmaschinen, welche die zulässigen Maße nach StVZO überschreiten ausgeschlossen.

Kurzumtriebsplantagen (Salix, Robinia, Aspen, Populus) und Säume (Fruchthecken, Gehölzstreifen, Segetalvegetation) sind dem Wegesystem an- und eingelagert. Die diversen Erntezyklen der KUP´s erzeugen kontinuierlich neue Raumkonstellationen /-staffelungen und Sichtbezüge – sie sind somit nicht nur hochproduktiv sondern auch Generatoren neuer landschaftlicher Bilder / Atmosphären.

Urbane Landwirtschaft - traditionell
Im südlichen Bereich des Planungsgebietes, in Nachbarschaft zum ehemaligen Flugfeld, werden initial Anbauflächen zur Primärproduktion verortet, die eine angestrebte Größe von ca. 30 ha umfassen. Die Flächenaufteilung ermöglicht durch das An / Ab und Ausschalten einen angestrebten Variationsreichtum der Felderanordnung. Diese dynamische Parzellierung gewährleistet die erfolgreiche Etablierung von Mischkulturen inklusive diverser Anbauzyklen. Zwischenfrüchte (Winterbegrünung), Aufbau von Humus und die Anwendung von CWR (wilde life relative) ermöglichen somit einen integrativen und forschenden Beitrag zum Agrar-Ökosystem in Gatow. Zusätzlich bietet die Fläche genug Spielraum für Selbstpflückerfelder und individuelle Pacht.

An der Schnittstelle vom Entwurfsgebiet zur Siedlung wird das Agro-Forstsystem des ‚Alley-Croppings’ vorgeschlagen - eine Kombination aus Energiepflanzenanbau (KUP) und landwirtschaftlich genutzten Flächen. Diese deutliche Setzung verdichtet den bereits existierenden räumlichen Kontext und reduziert Nutzungskonflikte (Geruchs- und Lärmbelästigung). Integriert in diese Flächen sind sowohl Schulgärten als auch kleiner parzellierte Selbstversorgergärten für Genossenschaften / Kooperativen. Die Kombination der unterschiedlichen Bausteine zur Urbanen Landwirtschaft generiert im Landschaftspark Gatow ein UL Flächensystem mit Alleinstellungsmerkmal.

Prärie
Die Prärie ist das Kultur - und Naturherzstück des Landschaftsparks Gatow. Die Charakteristika der Prärie ist eine ungewöhnliche `Landschaft im Entstehen` eingebettet in ein Programm aus ’doing almost nothing’ und `do it yourself´ (DIY). Die Prärie - Landschaft ist eine Neuinterpretation der klassischen Allmende, Sukzessionsfläche und Brache. Aufgrund der Bodenbelastung ist diese Fläche für Anbauformen ungeeignet, jedoch fungiert sie als wichtiger faunistischer Lebensraum und Standort unterschiedlichster Habitate (Urban Wild Life Value). Den Besuchern und Bauern des Parks fällt eine aktiv gestaltende Rolle zu.`Clusterartig` angeordnete Landschaftsterminals bieten Raum für individuelle und kollektive Bespielung. Diese Terminals können als kleinere Veranstaltungsorte, Kulturräume, Galerien, Picknickorte und `Kleinstfarmen`(Imker, etc.) genutzt werden. Sie sind Eyecatcher in der Weite der Fläche und über ein sich gestaltendes Trampelpfad-System erreichbar. ´Seedball-Automaten’ offerieren `Seedballs`, abgestimmt auf die Sukzessionstadien und Jahreszeiten vor Ort, die auf die Fläche aufgetragen werden können und eine teilweise gesteuerte Sukzession in Gang setzen. Wildwechsel und Flugwinde werden diesen Prozess weiter verschleifen und sich überlagernde Vegetationspattern entstehen lassen. Das Sattgut der Initialphase wird im Besonderen die schwermetallhaltigen Böden verbessern und in der Folge der Jahre von Wiesen- und Prärievegetation abgelöst werden. Bereits nach 5 Jahren wird der angeregte Sukzessionsprozess als neues Landschaftsbild lesbar sein (Blühstadien, Höhe des Bewuchses). Im westlichen Teil der Fläche werden sog. `Experimentierfelder’ / ’Landschaftslabore’ angelegt, auf denen Vegetations- und Gartenexperimente (pomolog. Garten, Vintage Gärten, etc.) initiiert werden können. Diese Felder können sowohl von Einzelpersonen, aber auch von Universitäten als Forschungs- / Außenstandorte bespielt werden.

SchieĂźplatz
Das Areal des ehemaligen Schießplatzes wird mittel- bis langfristig zu einem hochproduktiven Intensivlandwirtschafts - Campus entwickelt. Durch den Abtrag des Erdwalls im westlichen und südwestlichen Bereich wird der Schießplatz zum Gelände hin geöffnet, so dass ein spannendes Wechselspiel zwischen introvertierten und extrovertierten Räumen entsteht. Im westlichen Bereich wird unter Einbeziehung der vorhandenen baulichen Struktur ein ‚Farmers Market’ zur Direktvermarktung lokaler Produkte ermöglicht. An den Bereich ist eine Gastronomie sowie eine Fläche für einen Wochenmarkt angegliedert. Der westliche Bereich wird mittels eines südlich verlaufenden Apfelbaumhains (Streuobstwiese, Patenschaften und Brauchtum) eingespannt. Im weiteren Verlauf des Schießplatzes nach Norden finden sich Pferdeboxen und Ateliers (zur Miete), die sich in den modifizierten Räumen der vorhandenen Baukonstruktion (Leichtbauweise) befinden. Der zentrale Bereich entwickelt sich von West nach Ost von einem rural / ruderalem zu einem hochtechnisierten und – effizienten Raum. Des Weiteren werden in den großen Bauanlagen Hydroponics, Gewächshäuser, Dächer mit bodenunabhängigen Anbaumethoden, sowie vertikale Gärten eingebaut. Die Kombination der Kultivierungsmethoden wird in der ersten Phase nur initial gesetzt und kann später ergänzt werden. Während dieser Phase werden die zukünftigen Hydroponic-Standorte mit Hopfen bepflanzt, da dieser aufgrund seiner Wuchseigenschaften sich zur Bildung der angestrebten Raumstruktur verwenden lässt. Für die substratlose Anbauform der Hydroponics wird zur Schaffung eines geschlossenen Stoffkreislaufs optional eine Pflanzenkläranlage ergänzt. Gerahmt wird dieser Anbaubereich durch den existierenden Wall, dessen Wegeführung erweitert wird, so dass dieser durch einen ‚panoramic path’ erreichbar ist und die unterschiedliche Teilbereiche der Parklandschaft Gatow erlebar werden. Der ehemalige Kugelfang bildet mittels einer Kletterwand den Abschluss des Schießplatzes.

Pflegekonzept
Aufgrund der Wahl der Flächenbelegungen erfolgt die Pflege für einen Großteil der Flächen durch die Bewirtschaftung bzw. die Bewirtschafter. Bei den Arealen, welche nicht einer direkten Bewirtschaftungsform zugewiesen sind, wird zudem aufgrund der Größe der Flächen eine kostenextensive Pflegemethode durch den Einsatz von landwirtschaftlichen Maschinen und ggf. Tierbeweidung möglich. Lediglich im Bereich der ‚Infrastruktur’ und des ehemaligen Schießplatzes könnten ggf./evtl. intensivere Pflegemaßnahmen, in Form von Wartung und Instandhaltung der Wege und ‚Landschaftsstationen’, Mahd und Gehölzschnitt der Streuobstwiese, entstehen. Jedoch sind durch die robuste Formensprache und Ausführung/Materialwahl die zu erwartenden Unterhaltskosten als gering einzuschätzen.

Deponie
Die Deponie wird als Biotopfläche gemäß der Vorgaben des Baubauungsplans gewährleistet und gliedert sich in Form und Gestalt an die Konzeption Wilde Life Value` an.

Ausgleichsmassnahmen
Aufgrund des im B-Plan nicht berücksichtigten Konzeptes der ´Urbanen Landwirtschaft` weichen die Flächenzahlen in Größe und Widmung ab. Daraus resultiert eine andere Flächengröße, die im Vergleich zur angegebenen Flächengröße stets zu einem Minus im Soll führt. Beim vorgeschlagenen Konzept wird nach Abzug der Landwirtschaftsflächen die im B-Plan vorgegebene Flächenaufteilung zur Biotopsstruktur jedoch gewährleistet.

Artenschutzrechtliche Anforderung
Das Konzept der Prärie garantiert den geforderten Umgang mit den Artenschutzrechtliche Anforderung.