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Offener, anonymer Realisierungswettbewerb in 2 Phasen nach den GRW 95 | 01/2006

Topographie des Terrors

Ankauf

BHBVT Gesellschaft von Architekten mbH Berlin: Haberer Vennes Jaeger

Architektur

relais Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext



Das Gelände

Die Topographie des Terrors wird in das öffentliche Bewußtsein der Stadt eingebunden.

Wesentliches Gestaltungselement ist ein Pult, welches dem Gelände einen angemessenen Rahmen verleiht und das Gelände als historisch authentischen Ort des Geschehens zum eigentlichen Ausstellungsobjekt erhebt.
Das Pult verläuft im Bereich des Martin-Gropius-Baus sowie an der Nord- und Ostseite entlang der Grundstücksgrenze. Die Pultfläche neigt sich nach außen und wird mit bedruckten Bleitafeln bestückt. Diese sind Träger der Außenausstellung, Erläuterungstexte und –abbildungen zum Gelände wechseln mit den Tafeln zur Geschichte Berlins im Dritten Reich. Das Pult führt den Besucher auf dem historischen Gehweg entlang der ehemaligen Bebauung an der Niederkirchner- und Wilhelmstraße bis zur Anhalter Straße. Immer mit dem Blick auf das Gelände folgt der Besucher dem Pult als erläuterndem Erzählstrang, der die Ausgrabungsstätten und die Geschehnisse des Ortes dokumentiert.
Das Pult dient als Einfriedung des Areals. Eine Überlagerung der authentischen Spuren mit der neuen Gestaltung wird bewußt vermieden. Der historische Gehweg Niederkirchnerstraße wird nachts durch Tore geschlossen, das Baudenkmal Berliner Mauer wird in die Einfriedung integriert. Der Gehweg Wilhelmstraße ist Teil des öffentlichen Straßenlandes, der tägliche Stadtgänger begegnet hier auf selbstverständliche Weise der Geschichte des Ortes.

An den historisch wichtigen ehemaligen Gebäudeeingängen wie dem Eingangsbereich in das Gebäude Prinz-Albrecht-Straße 8, der Garagenhofzufahrt Prinz-Albrecht-Straße 8, dem Eingang zum Hotel Prinz Albrecht, dem „SS-Haus“, den Auffahrten zum Ehrenhof des Prinz-Albrecht-Palais sowie dem Eingang Wilhelmstraße 6, dem „Angriff-Haus“ wird die Linearität des Pultes unterbrochen. Auf das Gelände vorspringende Balkone formulieren Stationen im Bewegungsstrom, die das genauere Studieren der Grabungsstätten ermöglichen. Den Balkonen zugeordnet sind Sitzbänke, welche die Unterbrechung des Pultes markieren und zum Innehalten einladen. Authentische Reste, wie die Eingangsstufen Niederkirchnerstraße 8 und Pflasterreste der Auffahrten des Prinz-Albrecht-Palais werden als Intarsien in die Betonfertigteile der Balkone integriert.

An der Anhalter Straße endet das Pult entsprechend der hier endenden Gebäudehistorie. Ein über dem Gelände schwebender Holzsteg führt den Besucher durch das Robinienwäldchen zum Besucherzentrum. Die landschaftliche Wegeführung mit polygonalen Holzbohlen steht im Kontrast zur Linearität des Pultes. Der Besucher geht durch lichten Baumschatten, durch einen im Naturerlebnis sinnlichen Rückzugsraum, der dazu anregt, die aufgenommenen Informationen zu reflektieren. Nachts wird der Steg durch Tore geschlossen.

Die Ausgrabungsstätten sind gegenüber dem Straßenniveau eingesenkt. Umgeben von kargem Schotter und freigehalten von jeglichem Bewuchs werden die Fundamentreste deutlich in das Blickfeld des Betrachters gerückt. Der Höhensprung zum Gelände wird als Böschung ausgebildet. Zur besseren Lesbarkeit der ehemaligen Gebäudestrukturen wird auf eine flächenhafte Überdachung der Fundamentreste verzichtet. Als Sicherung werden die Mauerkronen mit einer Bleiabdeckung gefasst, welche das direkte Eindringen von Feuchtigkeit verhindert.

Eine weite Schotterebene mit steppenartigem Bewuchs schließt an die Grabungen entlang der Niederkirchnerstraße an. In einer Vegetationstragschicht aus Schotter mit Oberboden- und organischen Anteilen wird ein Magerrasen mit Hochstauden angesät. Eine tiefer liegende Dränschicht aus groben Schotter verhindert die Anreicherung von Feinanteilen und erhält den mageren Standort. Durch Mahd einmal im Jahr wird die Hochstaudenflur in ihrer Kargheit erhalten.

Im Bereich der ehemaligen Parkanlage des Prinz-Albrecht-Palais wird das bestehende Robinienwäldchen als Sukzessionsfläche der natürlichen Entwicklung überlassen.
Die Fundamentreste des Küchenkellers und des Luftschutzbunkers schneiden sich als tiefer liegende Schottergräben in die Vegetationsflächen ein.
Das Bodendenkmal des Zellentraktes als Gedenkort für die Opfer des Terrors wird gegenüber den übrigen Grabungsbereichen deutlich hervorgehoben, indem es als Mittelpunkt in das Besucher- und Dokumentationszentrums integriert wird. Auf dem Gesamtareal wird durch das Gebäude ein von allen Seiten zur Orientierung wahrnehmbarer Schwerpunkt gesetzt.
Das Gebäude hält einen respektvollen Abstand zur Grabung und tastet das Bodendenkmal nicht an. Der Grabungsbereich wird von Überbauungen freigehalten. Nur ein in das Gebäude eingepasstes Glasdach dient als Witterungsschutz.


Das Gebäude

Das Ausstellungsgebäude liegt an der westlichen Grundstücksgrenze in unmittelbarer Nachbarschaft zum Martin- Gropius- Bau. Es ist bewußt gegenüber der Niederkirchenerstraße zurückgesetzt, um so daß Gelände in der öffentlichen Wahrnehmung in den Vordergrund zu setzen. Die Nähe zum Martin- Gropius- Bau knüpft an die ehemalige Lage der Kunstgewerbeschule an und macht so den ursprünglich vorhandenen städtischen Raum wieder erlebbar.
Der Übergang von Außenausstellung und Gebäude erfolgt auf selbstverständliche Art, indem sich das Pult unter den Baukörper schiebt und so zum Eingang vermittelt.
Drei Großformatige Fensteröffnungen in der Außenhülle des Gebäudes stellen den Außenbezug zum Gelände her, indem der Blick auf besondere Punkte gelenkt wird.

Über einem frei zugänglichen Erdgeschoß schwebt auf der Eingangsseite ein fast geschlossener, mit Bleiplatten verkleideter Kubus.
Hier liegt als überdachter Bereich der Treffpunkt für Gruppen an der Schnittstelle vom Gebäude und Außenausstellung.
Das Material der Außenhaut verbindet sich mit den Überkronungen der Mauerreste und den Informationsträgern auf dem Pult zu einer angemessenen selbstverständlichen Einheit.
Das Ausstellungsgebäude ist im Erdgeschoß frei von Nutzungen und stellt einen geschützten Außenbereich dar. Dieser Zwischenraum erfährt durch seine Ausformung eine ganz eigene räumliche Wirkung. Der Baukörper wirkt fast erdrückend. Dieses wird zusätzlich durch die Materialität und durch die bewußt niedrig gehaltene lichte Höhe erzeugt.
Den Mittelpunkt bildet das mit Glas eingehauste und von oben tagesbelichtete Bodendenkmal des ehemaligen Zellentraktes, welches allseitig umgangen werden kann.

Das Besucher- und Dokumentationszentrum wird von unten über eine offene Rampe erschlossen. Beim Hinaufgehen wird der Blick noch einmal auf das Außengelände, die eigentliche Topographie des Terrors, gerichtet, bevor man in den bleiverkleideten Baukörper eintaucht.
Der Innenbereich des ausgeschnittenen Lichthofes ist allseitig verglast und bildet so die Gegenform zur schweren geschlossenen Außenhülle. Es wird im Zusammenspiel mit dem horizontalen Glasdach ein formal reduzierter Lichtraum geschaffen, der das Gebäude von Innen erhellt. Die Verglasung zum Hof besitzt in den Ausstellungsbereichen eine weiße Gewebeeinlage zur diffusen Lichtführung.

Im ersten Obergeschoß empfängt einen das großzügige Foyer. Von hier aus gelangt man über den Aufzug oder über eine einläufige Treppe in den Ausstellungsbereich. Weiterhin befindet sich hier der Abendbereich mit Nebenräumen sowie die Cafeteria im Bereich der großen Öffnung mit Blick auf das Gelände und den Resten der Berliner Mauer.
Optional besteht die Möglichkeit, bei einer Sonderausstellung den Veranstaltungssaal über die südliche Treppe direkt mit der Wechselausstellung zu verbinden, so daß sich ein Rundgang sämtlicher Räume ergibt.
Im 2. Obergeschoß gelangt man über den Informationsbereich als Ausstellungsauftakt in die Dauer- und Wechselausstellung. Über die südliche Erschließungsspange gelangt man dann in die zweigeschossige Ausstellungshalle im 3. Obergeschoß.
Eine große Fensteröffnung in Verlängerung dieser Treppenanlage verweist Richtung Kochstraße auf die Lage des ehemaligen Prinz-Albrecht-Palais.