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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2005

Bahnhof Luxemburg - ein Stadtviertel / Luxembourg-gare un quartier de ville

Auszeichnung

BS+ städtebau und architektur i.L.

Architektur

NICKLAS architectes s.àr.l.

Architektur

stadtland

Landschaftsarchitektur

KOMOBILE Wien

Verkehrsplanung

HLG Ingénieurs-conseils

Bauingenieurwesen

Teisen & Giesler Architectes

Architektur

Erläuterungstext

Das Konzept sieht vor, die technischen Anlagen des Bahnhofs tief zu legen, mit einer Platte zu überbrücken und darauf ein neues Stadtquartier entstehen zu lassen. Es soll auf der einen Seite sich in die Stadtstruktur einfügen, auf der anderen Seite aber auch einen durchaus eigensinnigen Charakter erhalten, in der die Funktion als Bahnhof – Stadteingang, Ankunfts- und Abfahrtsort und für flüchtige Besucher Visitenkarte der Stadt und des Landes – eine wichtige Rolle spielt.

Die Tieferlegung der Gleise im Bahnhofsbereich führt zur optimalen Vernetzung der Stadtteile. Eine robuste Struktur aus öffentlichen Stadträumen soll geschaffen werden mit großzügigen Boulevards, einfachen Stadtstraßen und attraktiven Plätzen.
Die vorhandenen Qualitäten des Stübbenplanes mit der Platzfolge entlang der Avenue de la Liberté werden aufgegriffen und mit einer zeitgenössischen Interpretation weiterentwickelt. Der Place de la Gare wird nach Süden hin gefasst. Das historische Bahnhofsgebäude erhält einen maßstäblichen Vorplatz. Die südliche Avenue de la Gare und der neue Boulevard de Bonnevoie anstelle der Rocade bilden den Rahmen für die Gleisüberbauung. Diese wird durch vier keilförmige Plätze gegliedert und mit den angrenzenden Quartieren vernetzt.
Place Lumière / Platz des Lichts
• verbindet Place de la Gare mit den Rotonden
• Illumination durch Kinofassade, Leuchtkegel und Lichtstreifen
Place de la Mobilité / Platz der Mobilität
• mitten im Bahnhofsgebiet gelegen der Ort der größten Betriebsamkeit
• Verknüpfung der unterschiedlichen Verkehrsmittel
• das Geschehen im Untergeschoss (ein- und ausfahrende Züge) kann durch die im Boden eingelassene Glasfuge betrachtet werden
Esplanade
• Verbindung der Stadtteile Hollerich und Bonnevoie mit den beiden Quartiersparks
• offener, ruhiger Charakter mit hoher Aufenthaltsqualität
• Kernstück des kreativen Kerns (Universität, Forschung, Entwicklung)
Bellevue
• mit der Stadt im Rücken die Aussicht in die südlichen Landschaftsräume erleben
• großzügiger, offener Raumeindruck
• repräsentative Vorzone vor dem südlichen Baublock (Hotel, Kongress, Konzert)

Zukünftig erfolgt die Verbindung der Stadtteile im Bahnhofsbereich ohne Rampen, Treppen, Tunnel, immer ausfallenden Lifte und sonstige Angsträume. Nur durch eine Tieferlegung entsteht ein attraktives, barrierefreies Quartier für Radfahrer, Fußgänger, Eltern mit Kinderwagen und Mobilitätsbehinderte. Die Stadt wird kinder- und seniorenfreundlicher.
Die Funktion als Stadtquartier kann die Bahnhofsüberbauung nur dann gewinnen, wenn sie beides erreicht: die Attraktivität einer Durchgangsstation und die Intimität des Bleibens. Das bedeutet, dass dieses neues Quartier Dinge möglich macht, die in den angrenzenden Quartieren Gare und Bonnevoie nicht vorhanden sind, und deshalb für BewohnerInnen dieser Quartiere interessant wird – aber andererseits auch, dass etwas Eigenes, Unverwechselbares entsteht, das sich in die umgebende Struktur einfügt, ihr folglich auch nicht widersprechen darf.
Es sollen hier Nutzungen entstehen, die bisher in den angrenzen Quartieren fehlen (und ihnen folglich auch keine Konkurrenz machen), andererseits aber insofern normal sind, als sie in jedes Stadtquartier gehören. Es soll daher Mischnutzung entstehen, in der Gewerbe, Dienstleistungen und Wohnen eine angemessene Kombination erfahren. Das Quartier soll eines Tages als normal, als innerstädtische Nachbarschaft erlebt werden, sich in die kleinteilige Struktur der umgebenden Quartiere einfügen können.
Konzentration des Entwicklungsdrucks und Schutz der Wohngebiete
Das Projekt sieht eine Weiterführung der urbanen Qualitäten des Quartier Gare nach Süden und Westen vor. Der Entwicklungskorridor nördlich und östlich der Gleise nimmt den Entwicklungsdruck auf. Damit sind der Schutz und die Weiterentwicklung der Wohnqualitäten in den umliegenden Quartieren (Belair, Bonnevoie, Gasperich, Cessange) gesichert. Büroraum soll geschaffen werden, auch um ehemals zweckentfremdeten Wohnraum wieder zurückzugewinnen (insbesondere in der Oberstadt).

Dichte und Vielfalt
Die Nutzungsdichte und –vielfalt soll sich am bestehenden Bahnhofsviertel orientieren, d.h. Dichte und Vielfalt sind größer als in Hollerich und Bonnevoie. Grundsätzlich sollte eine große Diversität der Nutzungen und Sozialstrukturen ermöglicht werden. Kleinteilige Parzellen und Nutzungen (auch Büros und Läden für Kleinstbetriebe ab 30qm) sollen bevorzugt werden, größere Einheiten sind eher an peripheren Standorten vorzusehen. Die Erdgeschosse sind nach Möglichkeit immer mit öffentlichen Nutzungen auszustatten, d.h. Läden, Dienstleistungen, Gastronomie etc. (»Augen auf die Straße«). Fensterlose Fassaden und nichtöffentliche Nutzungen strahlen negativ auf den öffentlichen Raum aus und sind für Fußgänger nicht attraktiv. Es fehlt die soziale Kontrolle. Diese Nutzungen sollten eher peripher angesiedelt werden. Bestehende Gebäude im südlichen Bahnhofsviertel (Rue Mercier, Rue du Commerce, Rue du Fort Wedell, etc.) sind entsprechend sukzessive umzugestalten.
24-Stunden-Quartier
Das Konzept sieht eine Bebauungsdichte und eine Geschosshöhe vor, die der beiden angrenzenden Quartiere Gare und Bonnevoie ungefähr entspricht. Sie soll zur Verbindung zwischen den beiden angrenzenden Quartieren insofern beitragen, als Nutzer möglichst über einen langen Zeitraum des Tages aktiv von den vorhandenen Angeboten Gebrauch machen und dem neuen Quartier damit gleichzeitig Attraktivität und soziale Kontrolle sichern. Sie müssen weiter auf die fortbestehende Funktion des Bahnhofs und auf die Bedürfnisse von Menschen mit hoher Mobilität ausgerichtet sein.

Alternative Kulturszene
Wir empfehlen für das Gebiet der beiden denkmalgeschützten Eisenbahn-Rotonden eine parkähnliche, offene und von allen Seiten zugängliche Nutzung und eine Funktion als Zentrum alternativer Kultur und öffentlicher Veranstaltungen. Eine Universitätsstadt braucht eine freie Kulturszene, die dann auch für andere attraktiv ist. Nachdem die hochpreisige Kulturszene gut ausgestattet ist, soll hier als Kontrapunkt Raum für die unkonventionelle, experimentelle, junge Kultur geschaffen werden. Künstler finden Raum für Kreativität insbesondere in den zu erhaltenden Gebäuden auf den Industriebrachen im westlichen Plangebiet. Die Wohnviertel sollen in ihrer kulturelle Identität gestärkt werden, indem ein Angebot von Musikräumen, alternativen Kulturlokalitäten, Bildungsorten wie kleine Bibliotheken, usw. angeboten wird.

Parc Lumière / Park des Lichts
Der umgebende Parc Lumière / Park des Lichts soll auch die Unterversorgung von Bonnevoie und Gare mit Grünanlagen ausgleichen helfen. Er wird auf Basis eines speziellen Beleuchtungskonzeptes gestaltet und strahlt auch nachts positiv in die Umgebung aus. Um den Rotondenpark zu beleben, bieten sich eine Reihe von Nutzungen an (wie offener Bauernmarkt, Outdoor-Anlagen, Kultureinrichtungen in und außerhalb der Rotonden).

Marktplatz und Markthalle
Die südliche Rotonde soll zukünftig als Markthalle genutzt werden. Sie dient der Versorgung der Menschen mit frischen Lebensmitteln und ist durch ihr internationales Speisenangebot bevorzugte Anlaufstelle für die Mittagspause. Zwischen den Rotonden sollte ein Restaurant mit großzügigem Biergarten sowohl für die NutzerInnen des Rotondenparks als auch für BewohnerInnen der angrenzenden Quartiere zu einem neuen Anziehungspunkt werden. Die Gestaltung des Marktplatzes zwischen den Rotonden ist steinern, robust und flexibel. Er eignet sich hervorragend für Veranstaltungen und Events jeder Art.

Bahnhof
Das pittoreske Bahnhofs-Ensemble mit der markanten Bahnhofshalle wird weiterhin als Haupteingang bestehen bleiben. Im denkmalgeschützten Teil des Bahnhofes befinden sich die Mobilitätszentrale, Gastronomie- und Kommerzlokale, sowie ein Polizeirevier. Die Abwicklung der Gleiserschließungen, sowie Einkaufen und Warten erfolgt in der neu geschaffenen Bahnhofshalle. Die transparente Halle zeigt Größe, schafft Räume und verbindet Menschen, und wird somit zum attraktiven Ort der Begegnung. Durch die Halle werden die unterschiedlichen Niveaus von Stadt und Gleisen miteinander verbunden und das Reisen wird erleichtert. Die Halle überspannt alle Gleise und bietet einen gleichwertigen Eingang von der Bonnevoie-Seite. Mit den vorgesehenen Überbauungen oberhalb der Halle wird der Bahnhof zugleich zum Arbeits-, Einkaufs- und Vergnügungsplatz. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein, bedeutet auch, einen bewussten Umgang mit der Zeit zupflegen. Denn aus Reisezeit wird Lesezeit, Arbeitszeit, Essenszeit oder Freizeit. Diese Visionen sollen anhand der modernen und zeitgemäßen architektonischen Umsetzung des Bahnhofs möglich werden. Nachts verwandelt sich die Bahnhofshalle am Ende der alltäglichen Verkehrshektik zu einem leuchtenden Volumen, das in die nächtliche Stadt hinausstrahlt und weiterlebt.

Ort der hohen Kreativität
Für das neue Quartier empfehlen wir eine Überbauung als Stadtquartier mit mindestens fünfgeschossiger Bebauung, die den Turm des alten Bahnhofs als Orientierungsmarke beibehält. Ein Kongress- und Hotelzentrum für Seminare und Veranstaltungen, sowie eine markante Multifunktionshalle bis zu 2000 TeilnehmerInnen bildet der südliche Block. Das Hotel könnte auch Appartements anbieten. Der Baublock steht für einen »Ort der hohen Kreativität«, wo Lehre, Wissenschaft und Anwendung Symbiosen eingehen, indem universitätsaffine Nutzungen angeboten werden (Anmieten von Hörsälen, Neue Art des Lehrens, Zusammenarbeit mit Unternehmen, Kongresszentrum, Hotel, Videotheken, Bibliothek, ...). Das früheres Paul-Wurth Gelände könnte als mögliches Erweiterungsgebiet der Universität Luxemburg angesehen werden und die Impulse des Kongressblockes aufnehmen.

Urbane Mischung
Auf der Höhe des Erdgeschosses sollten immissionsarme gewerbliche und Dienstleistungsnutzungen vorgesehen werden. In Frage kommen z.B. Seniorentreff, Arzt- und Zahnarztpraxis, Convenience Shop oder ein kleiner Supermarkt, Jugendtreffs und ein größeres Kino. In den Obergeschossen können Büros und Wohnungen plaziert werden; u.a. bieten sich Einrichtungen der Weiterbildung, Volkshochschule, Abendgymnasium, also auf gute Erreichbarkeit angewiesene Nutzungen an. Dadurch würden die vom Bahnhof ausgehenden Lärm- und Vibrationsemissionen vom Wohnbereich ferngehalten. Die gewerblichen Nutzungen sollten nach Möglichkeit die in den angrenzenden Quartieren vorhandenen ergänzen, statt ihnen Konkurrenz zu machen und Verdrängungseffekte zu bewirken. Im den Obergeschosses sollte teilweise Wohnnutzung vorgesehen werden. Das Angebot wird sich vor allem an relativ mobile Kleinhaushalte richten, evtl. auch an Studierende und Wohngemeinschaften.

European attractors
Der Standort bietet sich idealerweise für europäische attraktor-Geschäfte an. Unternehmen wie z.B. Galeries Lafayette, Décathlon und Fnac könnten nach Luxemburg gelockt werden. Solche Magnetnutzungen erhöhen die überregionale Bedeutung Luxemburgs und wirken sich positiv auf den Tagestourismus aus. Zudem bietet sich die Ansiedlung europäischer Unternehmen und Verwaltungen an.

Vorteile der Tieferlegung
Die Tieferlegung des Bahnhofs weist eine Reihe von betrieblichen und städtebaulichen Vorteilen auf, welche die hohen Investitionen mittel- bis langfristig lohnen.
Auf der betrieblichen Seite der Eisenbahn sind das:
• Längere Bahnsteige durch Verbreiterung des Gleisbereiches in der Südausfahrt (Verlegung der Rocade de Bonnevoie Richtung Osten). Es ist mindestens ein weiterer Bahnsteig mit einer Nutzlänge von 405 m möglich.
• Neuordnung der Ausfahrt aus dem Bahnhof, insbesondere Richtung Süden (Bettemburg) und Richtung Westen (Kleinbettingen/Petingen) möglich
• breiteres Weichenfeld in der Südausfahrt ohne störende Stützen durch den Pont Buchler
• Neugliederung der Südausfahrt Richtung Bettemburg und des Gleisdreiecks: Überwerfung der Gleise wird nach Howald verlegt, dadurch entfällt die Steigung und Brücke über das Verbindungsgleis auf der Strecke nach Bettemburg
• direkte und breite Zugänge der Fahrgäste vom Empfangsgebäude und vom Busbahnhof ohne Höhenüberwindung

Aus der Sicht der Kunden des Öffentlichen Verkehrs sind das:
• kurze und direkte Umsteigewege ohne Umwege und ohne verlorene Höhe zwischen Eisenbahn (Regional- und Fernverkehr) und städtischem Verkehr (Tram und Busse)
• direkte und breite Zugänge der Fahrgäste vom Empfangsgebäude und vom Busbahnhof ohne verlorene Höhe
• bessere Übersichtlichkeit und Orientierung der Fahrgäste durch direkte Zugänge mit Blick auf alle Bahnsteige

Aus der städtebaulichen Sicht sind das:
• Reduktion der Trennwirkung der großen Eisenbahnflächen im Stadtgefüge
• Möglichkeit der Überbauung großer Teile der Eisenbahnfläche (Weichenfelder) mit Erdgeschosszonen in den Gebäuden, die eine neue Urbanität und städtebauliche Prinzipien zulassen.
• Bessere Ausnutzung der Flächen durch Doppelnutzung (Überbauung der Gleisflächen durch Busbahnhof und andere Nutzungen
• Die Tieferlegung des Bahnhofs erfordert im Gegensatz zu einer Überbauung der bestehenden Anlagen keine aufwändigen Stelzenkonstruktionen von Gebäuden über den Gleisen mit Eingängen im zweiten Obergeschoss oder höher, sondern erlaubt gerade die Bespielung der hoch attraktiven Erdgeschosszonen mit Geschäften und Bistros an einem stark frequentierten Standort.
• Eliminierung der städtebaulichen »Restflächen«, die durch technische Infrastrukturen (z.B. Brückenrampe zum Pont Buchler) notwendig sind. Damit können bestehende »Angsträume« nachhaltig saniert werden.

Der Bahnhof Luxemburg - »un quartier de ville«
Im Zuge der erforderlichen deutlichen Steigerung der Benützung des öffentlichen Verkehrs in Luxemburg, ist der Umbau des Bahnhofs Luxemburg in einen modernen, dienstleistungsorientierten Bahnhof Luxemburg des 21. Jahrhundert eine Bedingung. Der Bahnhof Luxemburg wird weiterhin der wichtigste Bahnhof der Stadt und des Landes bleiben. Seine Bedeutung als Visitenkarte der Stadt und des Landes wird durch die geplanten internationalen Zugverbindungen enorm steigen. Die anstehende Modernisierung des Bahnhofs und seines Umfelds soll jedoch nicht nur die verkehrlichen Bedürfnisse befriedigen. Vielmehr muss die Gelegenheit genutzt werden, ein Stück »Europäische Großstadt« zu errichten, »un quartier de ville«.