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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2011

Umbau des Deutschlandhauses - Ausstellungs-, Dokumentations- und Informationszentrum der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung

Anerkennung

wulf architekten

Architektur

knippershelbig GmbH

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext


Entwurfskonzept Städtebau

Das gesamte städtebauliche Areal ist geprägt durch Solitärbauten mit annähernd quadratischem Grundriss (Abgeordnetenhaus, Martin-Gropius-Bau, Topografie des Terrors sowie Europa- und Deutschlandhaus). Für die Bebauung des Areals östlich vom Deutschlandhaus schlagen wir einen weiteren Solitärbau vor, der weder die Richtung der Anhalter- noch der Stresemannstraße aufnimmt, sondern die vom Martin-Gropius-Bau und Topografie des Terrors (siehe städtebauliche Strukturskizze). Dadurch entsteht an der Anhalter Straße eine Verdoppelung des kleinen dreieckigen Platzes vor dem Deutschlandhaus und somit eine Hinführung auf den dort replazierten Haupteingang und ein angemessenes Vorfeld für das Entree. Das Dreieck zielt außerdem auf einen sich zwischen den Gebäuden auftuenden keilförmigen Außenraum, der sich nach Norden Richtung Topografie des Terrors und Martin-Gropius-Bau öffnet und eine Wegeverbindung zu dessen südlichem Vorplatz ermöglicht.


Entwurfskonzept Gebäude

Unser Umgang mit dem Deutschlandhaus ist von der Idee getragen, die wichtigsten historischen Schichten der wechselvollen Baugeschichte herauszuarbeiten und erlebbar zu machen. Dazu gehört die Rückverlegung des Haupteingangs für die Öffentlichkeit an die Anhalter Straße, wo auch der Fassadenschmuck darauf hinweist. Dazu gehört auch die Entfernung des Ostflügels, der später hinzu gebaut wurde. Diese Maßnahme stellt die ursprüngliche U-Form des Hauses wieder her und ermöglicht eine befreiende Öffnung des Innenhofs nach außen hin. Dadurch entsteht die Chance, diesen Bereich für die Ausstellungsflächen zu nutzen, dies nach außen zu zeigen und damit die mit Bedeutung aufgeladenen Inhalte im urbanen Kontext sichtbar zu machen. Auch nach innen hin versteht sich das Gebäude als öffentlicher Raum, der seine Besonderheit durch die Behandlung der Nahtstelle zwischen alt und neu erhält. Der neue Inhalt besteht aus einer Sammlung von Geschichte und Geschichten, die aus vielen Einzelschicksalen bestehen, aber nur im Zusammenhang erzählt und verstanden werden kann. Für diese Einzelschicksale haben wir – bildlich gesprochen – entlang der Hoffassaden ein Archiv geschaffen, welches die Fugen zwischen Altbau und Neubau individuell füllt. Sie werden wie Rucksäcke vom Neubau getragen, der als erkennbar eigener Körper eingestellt ist und große flexible Ausstellungsflächen bereitstellt. Von hier aus blickt man ringsum in die Fenster der Einzelschicksale. Einige dieser Fenster öffnen auch den Blick hinüber zum Areal Topografie des Terrors. Die Rucksackräume (beladen mit individuellem Leid) zeigen sich nicht nur nach innen, sondern auch nach außen in der Ostfassade und nach oben im Dachrelief. Das Dach soll für die Ausstellungsbesucher begehbar sein und wie ein Irrgarten wirken (Wege der Flucht).


Entwurfskonzept Funktionalität

Die drei Ausstellungsebenen sind nach dem Prinzip größtmöglicher Flexibilität und Freiheit für unterschiedliche Ausstellungskonzepte entwickelt. Dies betrifft nicht nur die beiden Dauerausstellungsebenen im 1. und 2. OG, sondern auch den Bereich Wechselausstellung und Vortragsraum im EG, der flexibel zusammenschaltbar und separat nutzbar ist (siehe Skizze). Darüber hinaus sind wichtige öffentlich zugängliche Bereiche auch im Altbau angeordnet. Dies betrifft den Prolog der Dauerausstellung hinter der repräsentativen Fassade des 1. OG an der Stresemannstraße und die sich auf gleicher Ebene Richtung Anhalter Straße anschließenden Bereiche für Information und Dokumentation/ Bibliothek, die sich hinter dem besonders durch Schmuckwerk hervorgehobenen Mittelteil dieser Fassade befindet. Auf dieser Ebene (1. OG) steht somit ein insgesamt maximal großes, zusammenhängendes Raumangebot für die SFVV zur Verfügung. Die Verwaltung ist im Westflügel direkt zugeordnet und verfügt über eine separate Erschließung.

Das Foyer ist vom Vorplatz aus über ein offenes Vestibül zugänglich, das auch außerhalb der Öffnungszeiten betretbar sein soll. Eine Medieninstallation, die als Spur auf dem Vorplatz beginnt kumuliert im Vestibül und weist auf die Inhalte der SFVV hinweisen soll. Das bestehende Café ist direkt an dieses Vestibül angeschlossen. Vom Foyer aus öffnet sich sofort der Blick auf wesentliche Inhalte wie Wechselausstellung, Vortragsraum und großzügiger Aufgang zur Dauerausstellung. Die breite Treppe führt im 1. OG zu einem zentralen Verteilerbereich mit dem Beginn der Ausstellung und Zugang zum Dokumentations- und Informationszentrum.

Hier beginnt auch der Ausstellungsrundgang, der klar aufgebaut ist und aufgrund der gleichen Lage der Treppe auch zum 2. OG eine eindeutige Orientierung des Besuchers vorgibt. Der Rundgang über beide Ebenen bietet der Inszenierung viele kann entweder so geführt werden, dass man die gleiche Treppenanlage wieder hinunter benutzt (ohne Bereiche zweimal durchlaufen zu müssen) oder, dass alternativ der Aufzug in der Nordecke direkt nach unten ins Verbindungsfoyer benutzt wird. Zwischen beiden Dauerausstellungsebenen sind über einen eingestellten Treppenkörper auch eine Kurzschlussverbindungen und über Deckenöffnungen auch visuelle Verbindungen möglich. Der Treppenturm führt auch auf die als Ausstellungsfläche (Irrgarten) nutzbare Dachterrasse mit Ausblick auf die umgebende Museumslandschaft.

Die (häufiger benötigte) Anlieferung der Wechselausstellung ist über den gesicherten Hof zwischen Europa- und Deutschlandhaus direkt vorgesehen und von der Verwaltung her einsehbar. Die (eher seltener benötigte) Anlieferung der Dauerausstellung und der übrigen Bereiche ist über eine Gebäudezufahrt an der Nordostseite mit direktem Anschluss an den Lastenaufzug organisiert.

Der gesamte Bereich Wechselausstellung/ Vortragsraum ist als flexibel nutzbares Raumkontinuum mit unterschiedlichsten Nutzungsoptionen auch unter Einbezug des Zwischenfoyers großräumig nutzbar. Der Vortragsraum verfügt über einen vom Foyer unabhängigen Zugang im nördlichen Bereich, der vom urban gestalteten Platz zwischen 1. und 2. Bauabschnitt aus erreichbar ist.

Die Büroflächen in den Obergeschossen verfügen über eine separate Erschließung mit Eingang an der Stresemannstraße und sind über das Haupttreppenhaus großzügig im Süden erschlossen. Eine Verbindung zum 2. Bauabschnitt ist über eine Brücke ins 2. OG möglich. Die Entfluchtung wird über die 4 Treppenhäuser unabhängig vom Betrieb der SFVV sichergestellt, wobei diese Treppenhäuser auch als Fluchtweg der SFVV dienen.


Entwurfskonzept Ausstellungsbereich

Der gesamte Ausstellungsraum wird durch ein umfassendes, begehbares Archiv aufgespannt. Wie ein Schaudepot werden Exponate, Memorabilien, Dokumente und Medienexponate hier nach und nach gesammelt – die Veränderung und das Wachsen der Sammlung werden sichtbar gemacht. Die umlaufende Tragstruktur des Ausstellungs-Neubaus wird damit zum Symbol für den Aufbau der Erinnerung auf Geschichten und Dingen.

Die einzelnen »Rucksäcke« variieren in der Größe wie Archivträger und sind gleichzeitig eine Art Vitrine. Sie reichen von Kleinformaten bis zur Raumgröße und können somit vom Schmuckstück bis zum Ensemble z.B. aus einer Heimatstube aufnehmen. Wo inszenatorisch gewünscht können sie auch betreten werden.

Auf den Ausstellungsflächen können differenzierte Rundgänge ausgebildet werden, die auch vertikale Verbindungen durch Treppen und Deckenöffnungen beinhalten können. Die Objekte aus der Sammlung werden symbolisch auf den »Ausstellungstisch« geholt, dort exponiert und mit anderen Teilen der Sammlung zusammen zur Inszenierung.


Entwurfskonzept Außenhülle

Die denkmalgeschützten Fassaden des Deutschlandhauses bleiben unangetastet bzw. werden denkmalgerecht restauriert. Lediglich beim Zugang zum neuen Vestibül an der Anhalter Straße soll die neue Nutzung mit behutsamen Maßnahmen wie großflächige Verglasung in schmalen Metallprofilen erkennbar gemacht werden. Nach außen hin zeigt sich die neue Nutzung mit ihren wesentlichen Inhalten an der Ostseite. Hier entsteht keine Fassade im herkömmlichen Sinn, sondern eine Ausstülpung des inneren Ausstellungsprinzips zum Außenraum hin. Die lebendige, freie Plastizität der Rucksäcke wird teilweise zu „Erkern“ mit Fenstern umgedeutet. Die Außenschale soll dabei möglichst homogen und einheitlich in der Materialität sein. Dafür bietet sich eine Bekleidung mit kleinteiligem Glasmosaik an, das in sehr hellen Farbtönen die Lichtstimmung der Umgebung widerspiegeln und eine eigentümliche Symbiose mit der starken Plastizität eingehen soll.
Das Thema der Plastizität zieht sich mit ihren Ausstülpungen in möglichst gleicher Art auch über das Dach, so dass der Eindruck einer ins Deutschlandhaus eingelagerten begehbaren Skulptur entsteht.
Lageplan © wulf architekten

Lageplan © wulf architekten

Schwarzplan © wulf architekten

Schwarzplan © wulf architekten

Erdgeschoss © wulf architekten

Erdgeschoss © wulf architekten

Schnitt © wulf architekten

Schnitt © wulf architekten

Foyer © wulf architekten

Foyer © wulf architekten